Kapitel 7
Enthüllungen meiner Seele
Fay:
Es war ein ziemlich windiger Mittwoch als ich - umringt von einem Kamera-Team - mitten auf dem Alexanderplatz stand. Der Mann, dessen Gesicht hinter einer großen Kamera verborgen war, sagte: „Okay, auf mein Zeichen sagst du ins Objektiv, warum du DerTraum gewinnen willst.“
Ich nickte nervös, aber entschlossen und wandte meinen Blick in die grinsende Fratze der Kamera-Linse, die mich immer nur höhnisch anzuglotzen schien, während sie sich dachte: Was willst du hier, kleine graue Maus?
„Bereit?“, fragte der Kameramann und riss mich aus meinem Zwiespalt. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, doch dieses Mal nicht in Abwehrhaltung sondern aus purer Entschlossenheit. „Hi, ich bin Fay. Ich will DerTraum gewinnen, weil ich mir selbst beweisen muss, wozu ich fähig bin.“
„Schnitt! Super!“, sagte Björn, der Mann hinter der Kamera und fummelte an einem seiner tausend Knöpfe herum, was seltsam klickende Geräusche in dem Gehäuse verursachte, und ich stellte mir vor, wie mein Gesicht nun ganz nah für die gesamte deutsche Bevölkerung an den Fernsehbildschirmen herangezoomt wurde. „Okay, jetzt lauf’ etwas geradeaus. Ich werde vor dir hergehen. Sieh nicht direkt in die Kamera. Stell dir vor, du bist allein und machst einen kleinen Spaziergang.“
Was nicht einmal weit hergeholt war, da ich in meinem alten Leben ständig allein spazieren gegangen bin. Heute war ich dabei umringt von Menschen, die auf jeden meiner Schritte achteten, als könnte ich das plötzlich nicht mehr selbst. Ich musste höllisch aufpassen, dass ich über keins der am Boden liegenden Kabel stolperte.
Als das nächste Mal „Schnitt“ gerufen und Kameras sowie Scheinwerfer ausgeschaltet wurden, stieß ich hörbar die Luft aus. Jetzt folgte der schwierigere Teil – die durchdringenden Fragen einer Profi-Reporterin.
„Na, das sah doch schon ganz gut aus.“, sagte Tatjana, als sie zu mir herüber kam, setzte sich auf die dritte Stufe der kleinen Steintreppe, vor der wir uns befanden und bedeutete mir, es ihr gleich zu tun. Im Sitzen fühlte ich mich weitaus besser, da ich keine Angst mehr haben musste, dass jemand meine wackligen Knie bemerken könnte.
Während ich mich nach Tatjanas Anweisungen richtig und für die Kamera vorteilhaft hinsetzte, justierte das Team die Kameras und Lichtverhältnisse neu. Mein Gott, was hier für ein Aufwand für mich betrieben wurde!
„Fertig?“, fragte Björn nach einer gefühlten Ewigkeit. Mir tat bereits der Hintern vom Sitzen auf den harten Steinstufen weh und ich nickte erleichtert. Jetzt wollte ich es nur noch hinter mich bringen.
„Wie bist du auf die Idee gekommen, bei DerTraum teilzunehmen?“, fragte Tatjana und hielt mir das Mikro unter die Nase.
„Das war eher eine spontane Entscheidung… na ja jedenfalls zum Teil.“, erwiderte ich, über meine eigenen Worte verwirrt. „Eigentlich hatte ich es schon immer vor, aber über die Jahre geriet dieses Vorhaben in Vergessenheit. Als ich dann vor nicht allzu langer Zeit vor dem Fernseher saß und die Sendung gesehen habe, hat es irgendwie klick gemacht und ich dachte nur: jetzt oder nie!“
„Würdest du sagen, dass diese Entscheidung dein Leben verändert hat?“
Das war zumindest eine Frage, die ich eindeutig beantworten konnte. „Auf jeden Fall.“
„Warum?“, hakte Tatjana nach.
„Weil einfach alles anders geworden ist.“, erklärte ich. „Die Leute, die mich umgeben und mein ganzer Tagesablauf. Sogar ich selbst bin ein ganz anderer Mensch geworden und tue Dinge, an die ich früher im Traum nicht gedacht hätte.“
„Zum Beispiel?“, fragte Tatjana lächelnd.
Ich taute auf, als ich lachend erzählte: „Gestern Abend waren wir zum Beispiel noch in einem Club. Ich bin eher in mein Hotelzimmer zurück, um mich für heute auszuschlafen. Das endete damit, dass ich mit meinem besten Freund eine Flasche Jim Beam geleert habe… oh Gott, darf ich so etwas hier überhaupt sagen?“
Tatjana lachte warm. „Nur zu. Das ist die menschliche Seite an euch. Du hast gesagt, mit deinem besten Freund. Wer ist das? Ist er dich besuchen gekommen?“
Als sie meine Worte wiederholte, wurde mir erst bewusst, dass ich Damien als meinen besten Freund bezeichnet hatte und ich fragte mich peinlich berührt, was er wohl davon halten mochte, dass ich ihn jetzt hier und in dieser Art und Weise in meinem Interview erwähnte, wo wir uns doch kaum eine Woche kannten. Mir kam es schon wie eine Ewigkeit vor. „Nein, er nimmt auch hier teil. Damien.“
„Das ist ja interessant. Und ihr habt euch getroffen und sofort zusammen harmoniert?“
Ich rutschte unruhig auf den Stufen hin und her, während die Kameras jede meiner Bewegungen einfingen. Ich hatte das Gefühl, dass sie es anders verstand als es gemeint war, erwiderte aber dennoch nur: „So kann man es ausdrücken, ja.“
„Wie hat denn deine Familie darauf reagiert, dass du bei DerTraum teilnehmen willst?“, wechselte sie zum Glück das Thema.
Ich entschied mich – wegen des neuen Friedens zwischen meiner Mutter und mir –nur den zweiten Teil der Geschichte zu erzählen. „Sie wussten nichts davon, weil die Entscheidung wie gesagt sehr spontan gewesen ist und ich selbst erst einmal sehen wollte, wie weit ich komme.“
„Du hast nicht gewusst, dass du die erste Runde überstehen würdest?“
„Nein, ich war mir völlig unsicher.“, erwiderte ich ehrlich.
„Und was sagt deine Familie jetzt zu deinem Erfolg? Ich meine, du bist eine der letzten fünfzig von vierzehntausend.“
Das ging runter wie Öl. „Sie sind stolz, schätze ich.“
„Und dein Freund?“
Das musste ja kommen!, dachte ich genervt und verkniff mir im letzten Moment ein Augenrollen, ehe ich erwiderte: „Ich bin Single.“
„Na, das wird sich sicher bald ändern, wenn junge Männer aus dem ganzen Land dich hier im Fernsehen sehen und dann bei dir zu hause vor der Tür Schlange stehen.“, erwiderte Tatjana augenzwinkernd.
Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Mich interessierte zu dieser Zeit sowieso nur noch Einer. Da mir keine passende Erwiderung auf den Kommentar einfiel, gab sie Björn ein unauffälliges Zeichen, die Kamera abzuschalten. Zeitgleich gingen auch die Scheinwerfer aus.
Tatjana wandte sich mir schwesterlich zu. „War doch gar nicht so schlimm, hm?“
„Nein.“, stellte ich seufzend fest. „Trotzdem bin ich froh, dass es vorbei ist.“
„Das ging mir bei meinen ersten Aufnahmen genauso.“, lachte sie und ich konnte mir das beim besten Willen nicht vorstellen. „Es wird besser mit der Zeit, das verspreche ich dir. Irgendwann vergisst du die Kameras.“
„Kann ich mir nicht vorstellen.“, erwiderte ich ehrlich und stand wie vom Blitz getroffen auf, als die Uhr auf dem Platz vier schlug. Victoria bringt mich um! „Ich muss zu meiner Probe.“
Tatjana erhob sich ebenfalls und reichte mir die Hand. „Die Arbeit mit dir hat mir echt Spaß gemacht.“
„Mir auch.“, erwiderte ich lächelnd.
Als ich an Victorias Tür klopfte, war es halb fünf. Aus dem Zimmer ertönte schon die Musik, immer wieder durch lautes Gezeter unterbrochen. Sherry öffnete – bleich wie die Wand. Und Victoria begrüßte mich bissig: „Wurde ja auch Zeit.“
Langsam reichte es mir. „Spiel dich nicht so auf! Ich hatte ein Interview!“
„Und wer spielt sich jetzt auf?“, gab sie bissig zurück.
„Ich wollte dir lediglich erklären, warum ich zu spät komme!“, schleuderte ich wütend zurück.
„Du wirst noch über das Interview lachen, wenn du Samstag nicht überstehst, weil du nicht genügend trainiert hast!“
„Sie ist doch nur neidig, weil sie selbst nicht gefragt wurde.“, stellte Sherry da ohne jeden bösen Willen fest. Bevor Victoria explodieren konnte, schritt Nici eilig ein: „Willst du Fay nicht zeigen, was wir schon alles geschafft haben? Umso schneller kommen wir voran, und sie kann sich mit einbringen.“ Es war gut möglich, dass dieser Einwurf entweder Victorias oder mein Leben rettete.
Die Tanzerei stellte sich als etwas völlig anderes heraus als das, was ich so in der Disco betrieb. Man konnte mit dem Hintern und der Hüfte im Takt wackeln, dass es gut aussah, ohne dass dies gleich bedeutete, dass man wirklich tanzen konnte. Das war eine bittere Pille, die ich an diesem Nachmittag schlucken musste. Und ich konnte Victorias hämische Blicke kaum ertragen.
Nici lernte schnell und konnte es bald gut, Alina war die reinste Granate. Sie bewegte sich zu den Tönen als wären sie einzigst für sie komponiert worden. Hier kam ihr die lange Zeit im Tanzverein zu Gute. Nur Sherry hatte ähnliche Probleme wie ich, und während ich immer wütender und entschlossener wurde, verlor sie mit jedem Seitenhieb von Victoria mehr und mehr den Mut.
Was mich wiederum die Kontrolle verlieren ließ. Wo war nur die ruhige Fay abgeblieben, die immer fein artig kuschte? Vielleicht hatte ich sie heute auf dem Alexanderplatz zurückgelassen. „Jetzt reicht es aber! Du siehst doch, dass wir uns alle Mühe geben! Es ist unser Pech, wenn wir es Samstag nicht können. Kümmere dich doch einfach um deine eigenen Schritte und achte nicht auf uns!“
„Ihr bringt mich aber total raus mit eurem Gehampel.“
„Dann kannst du es wohl nicht so gut wie du immer sagst, denn mich stört es nicht im Geringsten.“, mischte sich nun auch Alina ein und stellte die Musik entschieden aus. „Ich würde sagen, es reicht.“
„Es ist gerade mal kurz nach sieben und wir müssen noch…“, wollte Victoria widersprechen, doch Alina blieb ungewohnt hart. Ihre Augen blitzten angriffslustig. „Es ist halb acht und es reicht!“
„Das würde ich aber auch sagen. Lasst uns doch einfach alle zusammen etwas essen gehen, ja?“, schlug Nici versöhnlich vor, und obwohl ich nicht die geringste Lust empfand, mit Victoria an einem Tisch zu sitzen, nickte ich, doch sie sagte: „Ich habe keinen Hunger.“
„Fein!“ Jetzt knurrte auch Nici wie eine getretene Katze. „Dann gehen wir ohne dich!“
Während des Essens besprachen wir einvernehmlich unsere Garderobe für den Auftritt. Wenn Victoria nicht dabei war, so war das ihr Pech, und sie hatte bereits genug über uns bestimmt. Jetzt waren wir an der Reihe, sie mal vor vollendete Tatsachen zu stellen.
„Ein zartes Rosa für uns alle wäre fantastisch, denn das passt sowohl zu dunkler wie auch zu heller Haut.“, stimmte Nici Alinas Vorschlag begeistert zu.
„Und zu dem Song sowieso.“, sagte Sherry. „Lasst uns doch zusammen Shoppen gehen!“
Am nächsten Tag stöckelten wir also zu viert durch die Berliner City. Ich kam mir dabei vor wie ein kleiner Star, da uns die Männer hinterher sahen. Dies aber weniger wegen unseres noch minimalen Bekanntheitsgrades als vielmehr aus zweifelhafteren Interessen.
Trotzdem fühlte es sich gut an, mit diesen unterschiedlichen Frauen lachend durch die Straßen zu ziehen. So harmlos und normal. Eine Normalität, die ich bisher viel zu selten hatte genießen dürfen. Außerdem habe ich bisher nicht verstanden, wie viel Spaß es machen konnte, sein Geld für Klamotten, Schuhe und Taschen aus dem Fenster zu schleudern. Doch jetzt, da ich allmählich lernte, Farben und Sachen zu kombinieren, war ich regelrecht süchtig danach und musste mit schlechtem Gewissen auf mein sich schneller verringerndes Budget achten.
„Wisst ihr, mich macht die Tatsache etwas nervös, dass uns die anderen Kandidaten bei unserem Auftritt am Samstag zusehen.“, sagte Nici plötzlich in meine Gedanken hinein, und ich erschrak. Diese Tatsache hatte ich bis jetzt völlig verdrängt. Sascha würde jeden meiner Schritte sehen, jeden meiner Töne hören können. Jetzt mussten mein Outfit und der Auftritt erst recht perfekt sein! Ich nahm mir sofort vor, meine Tanzschritte für mich allein genauso verbissen zu üben wie Victoria es schon tat. Ob das der Grund für ihren Hang zum verzweifelten Perfektionismus war?
Alina zuckte gleichmütig mit den Schultern, während Sherry nur noch aus Angst zu bestehen schien.
Nach dem ausgiebigen Shopping-Trip, frönten wir weiteren weiblichen Gelüsten und bestellten uns jede einen riesigen Eisbecher mit sündhaft viel Sahne und dachten uns die verschiedensten Gründe dafür aus, warum wir ihn verdient hätten.
„Wir haben bestimmt tausend Kalorien verloren als wir auf der Suche nach dem passenden Outfit durch die ganze Stadt gerannt sind.“, sagte Alina gerade und biss genüsslich in ihre mit Schokolade überzogene Waffel, von der massig Sahne tropfte.
„Nicht zu vergessen der ganze seelische Stress, den wir uns wegen Samstagabend machen.“, fügte Nici genüsslich hinzu. Sherry schlürfte Eierlikör vom Boden ihres Bechers und wirkte selig dabei in ihrer Stille, während ich ergänzte: „Und das ganze Getanze!“ Wieder brachen wir in fröhliches Gelächter aus.
„Ob die Jungs auch so ein Aufhebens um ihre Garderobe machen?“, fragte sich Sherry jetzt laut.
„Nicolás auf jeden Fall!“, erwiderte Nici lachend.
„Ich glaub, Damien ist auch eitel oder, Fay?“ Alina fragte mich dies nicht in boshaftem oder betont provokantem Ton, aber dass sie die Frage gerade an mich stellte, machte mir klar, was hier allgemein gedacht wurde. „Ja, ich denke schon. Aber mal was anderes. Ihr denkt nicht, dass wir zusammen sind, oder?“
Allgemeines verlegenes Blicketauschen war Antwort genug. Ich stöhnte: „Auch das noch! Denkt das etwa jeder?“
„Na, so interessant seid ihr nun auch wieder nicht.“, sagte Sherry eine Spur zu ruppig, ehe sie entschuldigend mit den Schultern zuckte, als ich sie wütend ansah. „Es ist nur uns Mädels aufgefallen, da ihr oft zu den möglichsten und unmöglichsten Zeiten zusammen seid. Zeitweise auch allein auf deinem Zimmer…“
„Sherry!“, stöhnte Nici böse. „Fay, ich habe euch wirklich nicht beobachten wollen, als ich bei Nicolás war. Ich möchte nicht, dass du denkst, dass ich gleich zu Sherry gerannt bin…“
„Leute!“, sagte ich genervt. „Jetzt macht nicht so einen Aufstand. Alles gut. Und da ist nichts. Wenn ihr das nächste Mal drauf angesprochen werdet oder das Thema bei irgendjemandem hört, stellt das bitte klar, dann ist alles in Ordnung.“
„Wieso ist es dir so wichtig, dass alle wissen, dass ihr nicht zusammen seid?“, bohrte Alina neugierig. „Ich meine, Damien ist ja wirklich nicht von schlechten Eltern.“
„Erwischt.“, murmelte Sherry. Ich sah sie wieder böse an. Dennoch war diese Enthüllung nicht einmal halb so peinlich wie erwartet, schließlich war ich ein Mensch mit Gefühlen. Ich spürte förmlich, wie ich zwischen diesen Frauen aufblühte und mein altes Ich weit hinter mir zurückließ. „Also gut, ich habe vielleicht eine kleine Schwärmerei für einen anderen Kandidaten entwickelt, na und?“
„Uh-uh!“, machte Alina, und ihre Augen leuchteten auf. „Ich will alles wissen. Wer ist es?“
„Wenn auch nur ein Wort an seine Ohren kommt…“, drohte ich und Alina sagte: „HA! Es ist also ein Er!“ Wieder brachen alle in schallendes Gelächter aus.
Ich wischte mir eine Träne aus den Augenwinkeln. Während ich mich fragte, wann ich je in meinem Leben solchen Spaß gehabt habe, antwortete ich: „Er ist in einer Gruppe mit Damien…“
Wieder fiel Alina mir ins Wort, dieses mal angewidert und mit großen Augen: „Jetzt sag nicht, es ist dieser schmierige heimliche Verehrer von Victoria, Marc!?“
Kurz geriet ich ob dieser Enthüllung ins Schleudern, und Nici schüttelte mit dem Kopf. „Jetzt lass sie doch endlich mal ausreden.“
Und Sherry fügte, fast gelangweilt, hinzu: „Es ist Sascha.“
Alinas Augen wurden noch größer, während Nici nicht wirklich überrascht wirkte. „Wirklich?? Ich finde, zu dir passen eher die dunkleren Typen. Braune Augen, schwarze Haare.“
Warum ich jetzt an Damien denken musste, konnte ich mir beim besten Willen nicht erklären. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. „Ich habe keinen bestimmten Typ, denke ich.“
„Wie sah dein letzter Freund aus?“, wollte Alina wissen und als ich betreten schwieg, sagte sie: „Aha!“
„Dann ist Sascha eben die Ausnahme, warum muss ich mich eigentlich dafür rechtfertigen? Mir wäre es ohnehin lieber, diese Gefühle gäbe es nicht!“
Jetzt klinkte Nici sich verwundert ein: „Warum?“
„Weil er gar nicht weiß, dass ich existiere?“, half ich ihr auf die Sprünge und sie schnaubte verächtlich. „So einen Quatsch kannst auch nur du dir einreden, Fay.“
„Und selbst wenn, hast du ja jetzt am Samstag die perfekte Gelegenheit, das zu ändern und soweit ich weiß, ist er Single.“
Ich sah Alina mit zusammengekniffenen Augen an. „Du scheinst hier ja bestens durchzublicken.“
Sie zuckte grinsend die Schultern. „Ich bin auch Single und hab mal einiges gecheckt. Aber keine Angst!“ Letzteres fügte sie schnell hinzu und winkte ab. „Für mich ist hier nicht der Richtige dabei.“
„Der Richtige muss für Alina noch gebacken werden.“, informierte Nici mich.
Als ich nach der heutigen Probe völlig fertig einfach nur noch in mein Zimmer wollte, fiel mir auf, dass die Tür zu dem Zimmer gegenüber weit offen stand. Darum musste ich auch keine großen Verrenkungen machen, um das Chaos in seinem Inneren sehen zu können. Sämtliche Sachen waren über den gesamten Fußboden verteilt, die Schubladen heraus gezerrt.
Mein Herz klopfte heftig. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass meine Tür noch immer fest verschlossen war, lugte ich in das Zimmer. Es war leer. Offensichtlich war hier eingebrochen worden. Mir kam der Gedanke, dass der Täter noch im Bad sein könnte. Wie in allen Horrorfilmen, schaltete sich mein normaler Menschenverstand aus. Anstatt sofort Hilfe zu holen, ging ich Richtung Badezimmer – unter uns Kandidaten auch unschön als Nasszelle bezeichnet wegen seiner geringen Größe – und lugte vorsichtig um die Ecke.
Ich schrie aus Leibeskräften als mich jemand am Arm berührte, der seine Hand dann zurückzog als hätte er sich an mir verbrannt. „Jesus, Maria und Joseph!“
Ich drehte mich um und sah mich Sascha gegenüber. Es dauerte einige Momente, in denen wir uns nur anstarrten, ehe ich begriff, dass das hier sein Zimmer sein musste, und als würde das erklären, warum ich hier war, platzte ich mit der Tatsache heraus, die eigentlich offensichtlich war: „Bei dir ist eingebrochen worden!“
Er brach in fröhliches Gelächter aus. „Das ist jetzt peinlich, aber das hier ist Normalzustand.“
Ich riss die Augen auf. „Das warst du??“
Er kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich habe verzweifelt nach einem Outfit für Samstag gesucht.“
Da hätten wir es wieder! Männer sind doch eitel! „Ich habe gedacht… ach, es geht mich auch gar nichts an. Ich hätte nicht einfach in dein Zimmer kommen dürfen. Bitte entschuldige.“
„Du musst dich nicht entschuldigen.“, sagte er, ehrlich erfreut. „Gut zu wissen, dass ich so eine mutige Zimmernachbarin habe, die auf mich aufpasst.“
Ich geriet ins Schleudern. „Ähm… tja, ich geh dann mal wieder.“
„Ich versuche, Ordnung zu halten.“ Er salutierte scherzhaft und die Röte auf meinen Wangen vertiefte sich, als ich mit einer gemurmelten Verabschiedung fluchtartig sein Zimmer verließ. Ich Idiotin! Was für eine Blamage!
Kurz danach besuchte mich Sherry. Sie lachte das erste Mal an diesem Tag wirklich, als ich ihr von meinem abenteuerlichen Ausflug in Saschas Zimmer erzählte. Dann legte ich den Kopf zur Seite und sah sie fragend an. „Dir geht es zurzeit nicht so gut, oder?“
Sie zuckte mit den Achseln und wich mir aus. „Es ist alles etwas viel, aber das wird schon wieder.“
Den Rest des Nachmittags verbrachten wir faulenzend auf meinem Zimmer und redeten über alles andere als über DerTraum. Es tat gut, so normal zu sein, denn es erforderte fast übermenschliche Anstrengung, bei so viel Glamour nicht abzuheben.