Meine Mutter und ich lernten früh, uns zu arrangieren, obwohl wir oft verschiedener Meinung waren. Meist gingen wir uns aus dem Weg. Das war die einfachste Lösung, da sie meist den ganzen Tag auf der Arbeit verbrachte.
Nun gab es Michael und all das war dahin. Zuerst lag es nur daran, dass ich meine Mutter in verliebter Stimmung kaum ertragen konnte. Außerdem verbrachte sie auffällig viel Zeit zu Hause.
Als sie mir dann etwa drei Monate später erzählte, dass Michael mit uns Weihnachten feiern würde, verging mir jegliche Lust auf die Feiertage. Zu meinem Glück, bot sich mir eine Alternative, denn Ray bot mir an, Heiligabend bei ihm und Kai zu verbringen. Ich blickte bloß irritiert zu Kai, als wir in der ersten Pause auf dem Hof standen und er mich mal wieder mit Ignoranz strafte. Weil er es nicht bemerkte, stieß Ray ihn mit dem Ellbogen an und er sah auf.
Verständnislos starrte er seinen besten Freund an, doch dann schien er zu realisieren, was der von ihm verlangte. „Wir würden uns freuen, wenn du kommst.“ Es war untertrieben, den Tonfall in seiner Stimme als genervt zu verstehen. „Zufrieden? Jetzt hört auf, mich so anzugucken.“
Wie gesagt, da meine Alternative noch weniger verlockend war, stimmte ich zu. Wenn ich die Wahl zwischen Michael und Kai hatte, schien Kai mir das geringere Übel zu sein.
In den vergangenen drei Monaten hatte ich viel mit den Jungs unternommen. Ray und ich waren uns in dieser Zeit nähergekommen. Ja, wir waren inzwischen befreundet. Noch immer eher oberflächlich, aber wir verstanden uns wirklich gut und fühlten uns dadurch wohl beide weniger einsam.
Auch Kai und ich waren in der Zeit auf einer gewissen Ebene übereingekommen. Meistens schwiegen wir uns an, doch immerhin beschränkten sich dadurch seine bissigen Bemerkungen auf ein Minimum. So ließ es sich mit ihm relativ gut aushalten.
Van verbrachte viel Zeit mit uns, zumindest so viel, wie er aufbringen konnte, während er sich um den Club kümmerte.
An manchen Tagen merkte ich gar nicht, dass ich mich ohne Alex verloren fühlte. Ray lenkte mich ab und war wirklich auf dem besten Weg, ein richtig guter Freund zu werden. Daher kam es wohl auch, dass er mich für Weihnachten einlud. Es war eher untypisch für mich, diese Einladung einfach anzunehmen. Feiertage waren Tage, an denen Mom zu Hause blieb. Gerade Weihnachten verbrachten wir zusammen, aßen haufenweise ungesundes Zeug und verbrachten den ganzen Tag auf der Couch, um uns diverse Weihnachtsfilme anzusehen. Jedes Jahr dieselben. Es war eine Tradition.
Nun gab es Michael und diese Tradition war hinüber. Wieso dann nicht einfach eine neue einläuten, indem ich zu Kai und Ray ging? Kais abweisende Art war alleine nicht mehr Grund genug, das Angebot auszuschlagen. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart zwar noch immer, als würde ich auf heißen Kohlen laufen, aber ich konnte damit umgehen. Mir war klar, dass meine Anwesenheit ihn störte, doch Ray beteuerte immer wieder, dass sich das eines Tages ändern würde.
Meine Laune besserte sich einige Stunden später drastisch, als endlich jemand vor der Türe stand, der mir voll und ganz willkommen war.
Mein Großvater schloss mich energisch in die Arme. Hinter mir erschien Michael. Offenbar wollte Mom die Feiertage nutzen, um die beiden einander vorzustellen. Wie gut, dass ich nicht dabei sein musste, denn mein Großvater schien alles andere als begeistert zu sein, als er den fremden Mann erblickte. Er grüßte ihn nur knapp und als Michael sich höflich vorstellte, bot er ihm nicht mal das Du an.
Ich konnte amüsiert beobachten, wie Michael versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen, doch Opa ließ ihn links liegen und drängte mich gleich dazu, mit ihm aufzubrechen, um die Weihnachtseinkäufe zu erledigen.
Während des Einkaufsbummels erzählte ich ihm von Alex‘ Umzug, meinen neuen Bekanntschaften und auch von meinem Misstrauen gegenüber Michael. Er versprach, das Verhalten an den Feiertagen im Auge zu behalten und lenkte das Thema ziemlich schnell wieder auf Belanglosigkeiten.
Als wir nach dem Einkaufsbummel durch den Park in Biwacho schlenderten, trafen wir auf Van und die Jungs. Es freute mich, dass ich sie ihm so gleich vorstellen konnte und zu meiner Erheiterung bot mein Großvater jedem einzelnen das Du an. Allen, außer Kai, denn der ignorierte uns, scheinbar in Gedanken versunken.
Opa fiel das abweisende Verhalten auf und nachdem er einige Nettigkeiten mit Ray ausgetauscht hatte, sprach er ihn plötzlich an. „Junge.“ Er streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin George Klieve.“
Verwundert beobachtete ich die beiden. Kai starrte meinen Großvater an, völlig ausdrucklos, und er wirkte nicht so, als würde er ihm die Hand schütteln wollen. Der nahm seine aber nicht zurück.
Ganz zu meinem Erstaunen gab Kai schließlich nach. „Guten Tag. Kai McKenzie.“
Ich gab mir die größte Mühe, mir ein Grinsen zu verkneifen und auch Ray schien dabei Schwierigkeiten zu haben.
„Ich bin noch mit den Chestersons zum Kaffee verabredet“, bemerkte Opa dann. „Ich überlasse dich deinen Freunden.“
Die Jungs nickten ihm höflich zum Abschied zu, dann eilte er, nicht wie ein Mann von fast siebzig Jahren, den Weg entlang und verschwand aus unserem Blickfeld.
Irgendwas schien nicht normal zu sein. An für sich war es ein guter Tag, nämlich der letzte Schultag vor den Winterferien. Aber da war noch was. Es war zu ruhig. Das war mal normal gewesen, bis Michael auf der Bildfläche erschienen war.
Auf dem Schuhschrank im Flur fand ich bloß einen Zettel. Darauf stand, dass ich in die örtliche Kneipe kommen sollte. Irritiert warf ich einen Blick auf die Uhr. War es nicht noch etwas zu früh, um sich dort aufzuhalten? Ich schüttelte den Kopf, machte mich dann aber auf den Weg.
Überrascht stellte ich fest, dass die Kneipe hell erleuchtet war. Gar nicht mehr zu vergleichen, mit den dunklen und stickigen Räumen, die ich kannte. Laute Musik drang mir in die Augen und irritierenderweise war nicht nur meine Mutter dort, sondern auch Michael, mein Großvater, die Chestersons und einige Bekannte der Familie.
„Tauchst du auch endlich mal auf?“ Michael stand gleich neben mir.
Wirklich? Er fuhr mich von der Seite an? Meinte er vielleicht, dass ich mir das gefallen lassen würde?
„Halt‘ die Luft an!“, erwiderte ich brüsk, allerdings genau in dem Augenblick, in dem die Musik verstummte, weil man mein Auftauchen bemerkte.
Meine Mutter sah mich gleich entrüstet an und verschränkte die Arme. „Douphne, was soll das?“
Jetzt war ich die Dumme? Unglaublich, dass niemand mitbekam, wie Michael mit mir sprach. Nein, stattdessen war ich die, die nun ermahnt wurde. Michael lächelte mich an und nur ich erkannte anscheinend das Gehässige darin.
Ich fühlte mich von ihm in die Enge getrieben. „Was denn? Er verbreitet immer schlechte Stimmung, wenn er da ist.“
„Erst, seitdem du hier bist, ist die Stimmung mies.“
Es versetzte mir einen Stich, als meine Mutter es aussprach. Wie konnte sie nur so etwas sagen?
„Wie bitte?“ Ich warf ihr einen verblüfften Blick zu.
Ich glaubte wirklich, mich verhört zu haben. War das ihr Ernst? Nahm sie Michael in Schutz und verurteile dafür mich? Stellte sie sich auf seine Seite?
„Douphne, du solltest dein Verhalten mal gründlich überdenken“, wies sie mich zurecht. „Ich weiß, es ist schwierig für dich, weil dein Vater …“
„Lass‘ es!“, unterbrach ich sie. „Komm‘ mir jetzt nicht damit!“
Die Stimmung im Raum war wirklich schlagartig gesunken, aber ich wollte mir nicht nachsagen lassen, dass ich Michael ablehnte, weil ich keinen Vater hatte. Meine Gründe waren schließlich andere. Niemandem schien aufzufallen, was mir auffiel.
„Michael ist mir sehr wichtig.“ Meine Mutter sah mich eindringlich an.
Erst wegen ihres sanften Tonfalles begann ich, mich erneut im Raum umzusehen. Was wollten all diese Menschen dort? Irgendwas wurde gefeiert und als mein Blick den von meinem Großvater traf, glaubte ich, in seinen Augen meine schlimmste Befürchtung erkennen zu können.
„Wie wichtig?“ Misstrauisch musterte ich die Anwesenden.
„Wir werden im Mai heiraten.“
Es traf mich wie ein Schlag. Nichts war mit dem zu vergleichen, was ich in diesem Augenblick empfand. Ich musste mich doch verhört haben. Sie konnte ihn unmöglich heiraten. Wie lange kannten sie sich? Etwas vier Monate? Wie konnte ein Mensch nur die Entscheidung treffen, nach so kurzer Zeit zu heiraten?
Michael war offenbar mit seiner aufgesetzten Art noch erfolgreicher, als ich geglaubt hatte.
„Das geht nicht.“ Mehr brachte ich an dieser Stelle nicht heraus.
Man würde mich für verrückt erklären, wenn ich ihm nun in dieser Runde unterstellte, dass er ein Betrüger war. Ohne Beweise.
„Diese Entscheidung triffst aber nicht du.“ Meine Mutter griff nach Michaels Hand und streckte die andere nach meiner aus.
Abrupt ging ich einen Schritt zurück. Völlig egal, was sie glaubte, was all die anderen glaubten. Ich konnte das so nicht hinnehmen.
„Ja, aber es ist meine Entscheidung, wie ich damit umgehe.“
Das gleichmäßige Schunkeln im Bus machte mich beinahe schläfrig. Immer wieder fielen mir die Augen zu und erst an der Endstation schaffte ich es, sie aufzubehalten. Es war bereits dunkel und als ich ausstieg, hatte ich keinen blassen Schimmer, wo ich war.
Die frohe Botschaft meiner Mutter ließ mich flüchten. Ich war einfach in den nächsten Bus gesprungen und wollte nur noch weg. Weg von ihr, weg von Michael, weg von allen.
Ich fror, denn meine dünne Übergangsjacke entsprach schon längst nicht mehr den beinahe arktischen Wintertemperaturen. Mein Blick streifte die Umgebung und blieb dann an dem Fahrplan hängen. Es war spät. Ein Bus fuhr hier nicht mehr. Doch wo zum Teufel war ich? Wie sollte ich jetzt bloß nach Hause kommen? Geld hatte ich nicht dabei. Ein Taxi zu nehmen, fiel also raus.
Etwas hektisch tastete ich meine Jacken- und Hosentaschen ab. Verdammt. Nicht mal an mein Handy hatte ich gedacht. Ein Seufzen, mehr brachte ich nicht zustande, als ich einsah, dass ich wohl nur zu Fuß nach Spellington kommen würde. Oder zumindest irgendwohin, wo ich ein Telefon nutzen konnte, um jemanden anzurufen, der mich abholen würde. Gleich nachdem ich herausgefunden hätte, wo ich war.
Ziemlich ziellos wanderte ich durch die Straßen. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, entdeckte ich eine Bar. Erst wollte ich einfach reingehen, doch dann bemerkte ich zwei junge Männer, die sich unweit vom Eingang aufhielten.
„Entschuldigung, hat einer von euch vielleicht ein Handy dabei?“
Ziemlich verwundert starrten sie mich an. „Wozu brauchst du es?“
„Ich bin hier gewissermaßen gestrandet und müsste zurück nach Spellington“, erklärte ich mich und blieb auf sicherer Entfernung zu den beiden stehen.
Einer der beiden, auf dem Namensschild auf seiner Brust stand der Name Steve, lachte. „Das ist ja nicht gerade um die Ecke.“
Schlaumeier. Als wäre ich da nicht von selbst drauf gekommen. Ich blickte zu dem anderen. Der schwieg.
Erst da fiel mir die merkwürdige Stimmung zwischen ihnen auf.
„Wir sind hier gerade beschäftigt, also eher schlecht“, bemerkte Steve dann, um mir wohl klarzumachen, dass ich verschwinden sollte.
Ein ganz Freundlicher. Ich nickte und wandte mich ab, doch ich war nur wenige Schritte gegangen, als sich der andere der beiden plötzlich zu Wort meldete.
„Warte!“ Er rief es mir nach. „Wir sind hier fertig.“
Das schien Steve zwar anders zu sehen, doch er protestierte nur leise, dann verschwand er in der Bar. Ich blieb regungslos stehen, starrte den Fremden an.
Der schüttelte genervt den Kopf, dann kam er auf mich zu und lächelte. „Du sagst, du kommst aus Spellington?“ Ich nickte bloß. „Douphne Parker?“
Nun war ich regelrecht verblüfft. Woher wusste er das? Anscheinend bemerkte er meine Verwunderung, denn er grinste.
„Ich bin Ian Horres.“ Er reichte mir die Hand. „Tut mir leid. Ich bin kein Stalker, oder so.“ Ein Lachen. „Ich bin Privatdetektiv und bekomme auch einiges von den Schulen mit.“
Mir ging ein Licht auf und nun war ich es, die schnell abwehrend lachte. „Du kennst mich, weil ich mal für eine Weile Schülerdetektivin gewesen bin? Oh man, das ist grauenvoll.“
„Wieso das?“
„Weil es bescheuert war.“ Ich schüttelte energisch den Kopf. „Ich habe das nur wegen meinem besten Freund gemacht.“ Erst da fiel mir auf, dass ich gerade den Job des Fremden als lächerlich bezeichnete. „Sorry, aber …“
„Ist nicht jedermanns Sache“, wehrte er es freundlich ab. „Kann ich verstehen.“
Ich nickte und er nickte ebenfalls. Dann herrschte plötzlich Stille. Ich nutzte den Moment, um den Fremden zu mustern. In erster Linie, um auszumachen, ob er gefährlich sein könnte. Aber woran sollte ich das erkennen? Es war dunkel und mir fiel nichts an ihm auf, was mir Sorgen hätte machen müssen. Er wirkte normal. Groß, sportliche Statur, kurze Haare, nettes Lächeln.
„Wo bin ich?“ Noch immer wusste ich es nicht.
Ian grinste. „In Nerson Bake.”
Puh, das war wirklich nicht gerade in der Nähe von Spellington. Wer hätte gedacht, dass der Bus überhaupt bis dahin fuhr? Erneut wollte ich nach einem Telefon fragen, als sich das erübrigte.
„Komm‘ mit.“ Ian streckte den Arm aus und deutete die Straße herunter. „Mein Auto steht da vorne. Ich fahre dich nach Hause.“
Gab es etwas Leichtsinnigeres, als zu einem Fremden in ein Auto zu steigen? Vermutlich nicht, aber Naivität gehörte definitiv zu meinem Charakter. Trotzdem war ich mir bereits nach wenigen Minuten sicher, dass ich nicht mit einem Irren mitgegangen war.
Alleine auf dem Weg zu seinem Auto fror ich so sehr, dass er mir seine Jacke gab. Während der Fahrt unterhielten wir uns. Er fragte mich ein wenig über Alex und die alten Schülerdetektivsachen aus. Und weil ich nach wie vor betonte, dass es lächerlich gewesen war, überzeugte er mich davon, dass er damit tatsächlich seinen Lebensunterhalt verdiente.
„Das Dorf ist winzig“, bemerkte er dann, als wir in Spellington ankamen.
„Ich liebe es.“ Das tat ich wirklich. Es gab wohl kaum einen Ort, an dem weniger los war, aber gerade die Ruhe und die Sicherheit machten das kleine Dorf zu einem Zuhause. „Da wohne ich.“
Ian hielt vor meinem Haus. Kaum, dass mein Blick auf die Haustüre fiel, verkrampfte sich mein Magen. Ich wollte gar nicht wissen, was mich noch erwartete. Welche Spinnereien würden wohl noch von meiner Mutter kommen? Welche blöden Bemerkungen von Michael?
Dann brachte Ian schließlich den Grund zur Sprache, weshalb ich überhaupt erst in Nerson Bake gelandet war. „Verrätst du mir, was dich in eine völlig andere Gegend verschlagen hat?“
Ich wollte nicht wirklich mit ihm darüber reden und mir blieb auch keine Gelegenheit mehr dazu, denn in diesem Moment erschien meine Mutter in der geöffneten Haustüre.
Ian ignorierte sie zunächst und hielt mir eine Visitenkarte hin. „Falls es dich noch mal nach Nerson Bake verschlagen sollte und du nicht weißt, wohin du gehen kannst, dann ruf‘ mich an oder komm‘ vorbei.“
Er lächelte und als ich aus dem Auto stieg, tat er es ebenfalls. Michael drängte sich an meiner Mutter vorbei.
„Endlich bist du wieder da.“ Für Ian musste es so klingen, als würde er das tatsächlich ernst meinen. „Wir haben uns ja solche Sorgen gemacht.“
Ich wich zurück, als er den Eindruck erweckte, mich umarmen zu wollen und rempelte dabei Ian an, der hinter mir stand. Nun fiel Michaels Blick auf ihn und er musterte ihn kritisch.
„Guten Tag, Mr. Parker.“ Ian stellte sich höflich vor. „Ich habe Douphne nur nach Hause gefahren.“
Ich stieß einen abfälligen Laut aus. „Er ist nicht mein Vater.“
Michael schien es nicht zu interessieren, doch meine Mutter trat näher heran und lächelte leicht. „Es ist sehr aufmerksam, dass Sie meine Tochter wohlbehalten hergebracht haben. Vielen Dank.“
„Danke“, kam es nun auch von Michael. „Aber sie sollten jetzt gehen und du kommst augenblicklich rein, Douphne.“
„Sagt mir wer?“ Ich blickte ihm trotzig entgegen.
Einen Teufel würde ich tun, bloß weil er es wollte.
„Ist alles in Ordnung?“ Ian beugte sich zu mir und flüsterte es. „Ich bin noch eine Weile in der Nähe, falls …“
„Schon in Ordnung.“ Was dachte er wohl, in was er da hineingeraten war? „Danke für alles. Ab hier komme ich wieder alleine zurecht.“
Noch bevor Ian wieder in seinem Auto saß, befand ich mich schon im Haus, als meine Mutter das Donnerwetter gleich startete.
„Wo bist du gewesen und wer war das?“
Mein Blick streifte den Raum. Wo war nur mein Großvater? Ich konnte ihn gut als Rückendeckung gebrauchen.
„Ich habe mein Handy vergessen und dann zufällig Ian getroffen“, äußerte ich mich knapp.
„Er ist ein Fremder!“, entfuhr es nun Michael und seine Entrüstung klang tatsächlich aufrichtig. „Wie kannst du nur so dumm sein und zu einem Mann ins Auto steigen, den du nicht kennst?“
Das Schlimme war, dass er Recht hatte. Es war wirklich nicht die klügste Aktion in meinem Leben.
Trotzdem brachte mich seine Aussage nun zum Lachen. „Ein Fremder … Ja, ich kenne ihn kaum. Aber wenn ich so darüber nachdenke … Vielleicht werde ich ihn auch bald heiraten.“
„Wir sollten wohl mal ein paar grundlegende Dinge klären, junges Fräulein!“ Meine Mutter ermahnte mich laut, doch es kümmerte mich nicht.
Es war mir unglaublich egal, was sie gerade von mir dachte. Mir ging all das gehörig gegen den Strich und ich wollte nicht hinnehmen, dass sie nun die Mutter spielte, zu der sie sonst nicht in der Lage war.
„Simone.“ Mein Großvater erschien im Flur und warf mich ein kleines Lächeln zu. „Douphne sollte jetzt schlafen. Es war ein langer Tag. Für uns alle.“
Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu und eilte sogleich auf mein Zimmer. In einer Sache war ich mir sicher. Michael musste weg. Nur wie, das wusste ich nicht.