Auf den Fluren Burg Falkenaus viel Kayden auf, das sein Bruder bewusst seine Umgebung musterte und nachdenklich wirkte. Beunruhigte ihn der Hinweis, sie könnten wohlmöglich selbst thulenischer Abstammung sein, mehr als angenommen?
Nur noch wenige Schritte trennten sie von einem der hoch angelegten Fenstern, vor dem sie stehen blieben und der zweiflügeligen Tür zur Bibliothek.
Veyed stand direkt vor der Mauer und hielt mit seiner Hand Maß. Er schätzte den Abstand, den es bedurfte, ohne Anstrengung einen Blick aus eben jener Öffnung werfen zu können.
»Vermutlich ist selbst Serfem noch eine Hand breit zu klein, um da raus zu schauen. Was macht ihr hier draußen?«
»Was glaubst du?« Sinnierte Veyed nüchtern. Er hörte die Stimme neben sich, aber eine so schnelle Reaktion darauf erschien ihm ausgeschlossen. Kaum das Rondal seine Frage stellte, kam bereits die passende Erwiderung und Kayden konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Ungläubig hob der Schattenjäger die Brauen und zuckte mit dem Kopf zurück. »Aja.«
»Wir dachten, du seist bereits drinnen«, antwortete der ›Falke‹ stattdessen ohne Bezug auf Veyeds Aussage zu nehmen.
»So dachte ich auch. Ich habe auf euch gewartet und ging davon aus, ihr zwei kämt von der anderen Richtung. Sei's drum. Bevor wir hineingehen ...« er sah sich verstohlen um und trat näher an die Brüder heran.
»Was ist los, Ron? Probleme mit dem Verarbeitungsmaterial?«
Ihnen war kein gescheiteres Wort eingefallen, als sie der Vereinbarung Alrics mit den Seemannen zustimmten. Sie wollten allen voran Stillschweigen bewahren und so viele wie irgend möglich in Unwissenheit belassen.
Wer Kenntnis erlangte, wurde neugierig. Wer weniger, bis gar nichts wusste, stellte hingegen keine unbequemen Fragen. Die Schattenjäger und eine abkommandierte Rotte waren involviert. Die Soldaten beorderte Kylion in den südlichsten Teil Falkenaus, um dort den alten Turm zu inspizieren und den Weilerbau zu beaufsichtigen sowie den Leuten vor Ort zur Hand zu gehen - vermeidlich. Der ehemalige Anführer dieses abgeschiedenen Landes wusste nur von dem, was man ihm berichtete und das war gut so.
»Nein, die Grundressourcen liegen abgefertigt bereit und werden vorsichtshalber bewacht.«
»Was ist mit der Eskorte?«
»Instruiert.«
Kayden nickte und hob seine Hand an die Klinke, als Rondal nochmals das Wort ergriff. »Der Karrenzug wurde gesichtet und wird in den nächsten Stunden den Tauschhandel vornehmen.«
Bestlins Hauptmann schluckte schwer, als der Gesandte Holmfirth sich ihm zuwandte. Er spürte den brennenden Blick dessen Augen auf sich ruhen.
Der Mann verschränkte die Arme vor seiner schmalen Brust und trat einen Schritt auf ihn zu. »Nun?«
Verdammt, was wollte dieser Kerl hier und wie verflucht kam er zur Burg? Nirgends waren Truppen der Stadt zu sehen.
»Ich mache es euch leichter. Hauptmann, richtig?«
»Ja Ser.« Angesprochener verneigte sich und hielt den Kopf gesenkt, wenngleich er hinüber zu seinem vermeidlichen Lord schielte. Bestlin stand noch immer wie versteinert vor dem Fenster und schwieg. Worauf wartete er? Wollte er ihm nicht helfen?
»Also Hauptmann. Um eure Fragen vorweg zu beantworten, was ich auf der Burg zu suchen habe und wie ich herkam, sei gesagt ... beides hat euch nicht zu scheren. Ihr seid es nicht im Ansatz Wert, meine Belange und die der Obristen mit euch zu teilen.«
»Gewiss, Ser.« Der Hauptmann verhielt sich unterwürfig, befürchtete er, dass Bestlin dem Mann bereits von seiner wankenden Stellung unterrichtete.
Der Gesandte schnaubte aus und trat einen weiteren Schritt näher. »Mich in meinen Worten zu bestätigen, ist nicht notwendig. Es ist schlicht eine unverrückbare Feststellung.«
Diesmal hielt er vorsichtshalber den Mund und verhielt sich weiterhin demütig.
»Sehr gut. Was ist also mit dieser Botschaft? Eure Männer scheinen euch nicht sonderlich angetan zu sein. Ist wenigstens der Absender vertrauenswürdig?«
Jetzt sah der Hauptmann trotzig auf und sog tief Luft in seine Lungen. Bis hier hin, nicht einen Schritt weiter, dachte er sich und baute sich auf. »Ihr habt doch keinerlei Ahnung, was sich außerhalb eurer schützenden Mauern überhaupt abspielt. Sitzt in der Stadt und lamentiert über Dinge, wie man das Land verstärkt ausbeuten kann, und wundert euch darüber, dass die Widerständler noch immer nicht allesamt gefasst wurden.«
»Oh. sieh einer an. Bestlin, euer Hauptmann verfügt ja doch über Eier.« Er lachte und verzog lächelnd die Mundwinkel.
»Mmh, so sagte ich bereits. Mit vertrauenswürdigen Männern wäre er weit nützlicher als mit diesem Söldnerpack dort draußen.«
»Erfahren wir nun von jener Nachricht?« Dessen Finger zeigten auf das Papier, welches er in Händen hielt. »Fällt sie wohlwollen aus, bin ich geneigt, dieser Burg treue Soldaten zuzuteilen. Männer, die über jeglichen Zweifel erhaben sind und euren Worten folgen werden.«
Dem Hauptmann entging nicht die unterschwellige Botschaft, die eindeutig für ihn bestimmt war. Er benannte Bestlin mit keiner Silbe. Von ihm und der Burg redete der Gesandte und schien damit etwas zu verfolgen, was sich ihm derweil noch entzog.