Aus der Ferne drang mehrstimmiges und lautstarkes Gebell, in welchem sich wiederkehrende Rufe mischten. Treiber führten ihre Meute und riefen Befehle. Es war nicht zu bestimmen, wie viele Tiere es sein würden, die ihre Fährte aufnahmen und sich an ihre Fersen hefteten. Bei dem Getöse jedoch musste es sich nicht um unzählige handeln, sie konnten auch ungleich größer sein.
In Kaydens Gedanken entstanden Bilder, die ihm kalte Schauer, schmerzhafte wie kleine Nadelstiche, in den Nacken stießen. Seine Beine trugen ihn immer schneller und kaum merklich ließ er Veyed bereits nach wenigen Atemzügen weit hinter sich. Riesige zottelige Bestien mit Geifer fletschenden Zähnen jagten ihnen nach. Mit gnadenloser Verachtung und schierer Gier nach Blut hetzten sie mit rot unterlaufenden Augen, um ihrer Beute gewiss zu werden. Sie würden ihre Fänge erst in ihre Waden, dann in Hände und Arme graben, um sie sodann im Rudel zu zerreißen. Niemand, auch nicht ihrer Treiber vermochten sie vor dem qualvollen Tod bewahren.
Unentwegt waren sie den gesamten Weg vom Hof bis hinab zu den Gruben gelaufen. »Warte Kay, so warte doch«, japste Veyed, bereits außer Atem. Seine Arme ruderten Halt suchend voraus, bestrebt etwas zu greifen, um seinen Bruder zum Stehenbleiben zu zwingen.
Kayden hingegen sah sich erst nach dem dritten Zuruf um und verharrte nur so lange, bis sein Bruder endlich aufholte. »Beeil dich doch, die Hunde ... sie kommen«, schnaufte er hinter aufeinanderhaltenden Zähnen.
Veyed kniff vornübergebeugt die Augen zusammen und sah zurück. Bäume, die eigentlich feststehen sollten, tanzten einen Reigen. Schweiß lief ihm von der Stirn und seine Atmung klang rasselnd. Er deutete voraus und zeigte auf einen Vorsprung. Dort begannen die Gruben, in welchen vor vielen Jahren leicht zu verarbeitender Stein gebrochen wurde. Aus diesem arbeiteten Metze Friese und skulpturähnliche Gegenstände. Andere errichteten aus selben Materialien Außenwände für Gebäude. Unbestätigten Gerüchten zu urteilen, ließ eine der damaligen Adelsfamilien Unmengen dieses Gesteins abtransportieren, um daraus eine komplette Burgenanlage zu errichten.
»Moment noch. Da vorn ... Schon der Spalt. Bin nicht so schnell ... wie du.«
»Sie werden uns finden, auch den Spalt«, drängte nunmehr der Jüngere zu Eile.
Veyed besann sich als der Ältere und erinnerte sich der übertragenen Last. Er nickte. »Hast Recht. Immer noch besser, als hier erwischt zu werden. Da drin kommen wir womöglich bis zum ...«
Kayden wartete nicht und wollte auch nicht hören, wohin dieser Weg sie führte. Nur wenige Schritte und er verschwand.
Unmittelbar hinter der Kuppe verbarg sich unterhalb einer abgestorbenen Wurzel ein Sims, der einst als Zulauf eines alten Gerinnes diente.
***
»Komm, wir müssen das Werkzeug in die Scheune schaffen. Alric wird wissen, was er tut ... das tat er bisher immer.«
Als Alna keinerlei Anstalten hegte sich zu rühren, berührte er sie liebevoll an der Schulter. »Wenn wir sie schützen wollen, müssen wir mitspielen, hörst du.« Er verlor sich in ihren trauernden Augen und blickte in tiefe bodenlose Seen. »Sie schaffen das und kommen wohlbehalten zu uns zurück. Komm, sie sind nicht mehr fern.«
Sie sah auf und schenkte ihm ein aufgesetztes Lächeln. »Wie kannst du nur so berechnend sein? Sie kommen, um unsere Kinder zu holen. Was werden wir ihnen sagen?«