Eine Hütte steht im Wald
Tief verborgen, längst vergessen
Dort, wo Monster Kinder fressen
Und der Geister Ruf erschallt
Vater, Mutter und zwei Kinder
Suchen Zuflucht unterm Dach
Garst‘ger Hunger hält sie wach
Treibt sie um im tiefsten Winter
Auf einem Tisch ein altes Buch
Seltsam kostbar eingebunden
Voller Neugier sie’s umrunden
Pusten weg des Staubes Tuch
„Flüche, Banne, Zaubersprüche“
Prangt darauf in blut’gen Zeichen
Frau und Kinder angstvoll weichen
Wähnen sich in Hexenküche
Im Dorf die Alten leise munkeln
Von verbot'nen Ritualen
Teufelskunst und Höllenqualen
Verborgen tief im Waldes Dunkeln
Vater lacht und spottet laut
Schlägt auf das vergilbt‘ Papier
„Ei, was haben wir denn hier?
Na, ihr Gören, wer sich traut?“
Tochter schlägt die Augen nieder
Sohnemann scharrt mit dem Fuß
„Mann, du hast im Hirn nur Mus!“
Warnet Mutter, „Leg’s hin wieder!“
Doch der Mann voll Zuversicht
Dass doch nichts geschehen kann
Fauler Zauber sei der Bann
Schon die ersten Zeilen spricht
Ani mara, schwarzer Hund,
zum Maul verzerret sich der Mund!
Ani mara, schwarze Hähne,
faulig werden alle Zähne!
Ani mara, schwarze Schlangen,
fahl und beulig beide Wangen!
Ani mara, schwarzer Hase,
krumm und schief die Hakennase!
Ani mara, schwarze Maus,
Haar wird licht und fällt ganz aus!
Vater keucht, um Fassung ringt
Die Haare schwarz, sie fallen aus
Da hör‘n sie aus dem Nichts, oh Graus
Wie eine teuflisch' Stimm‘ erklingt
Ani mara, schwarze Ratten,
Augen funkeln rot im Schatten!
Ani mara, schwarze Raben,
das Gesicht entstellt von Narben!
Ani mara, schwarze Meise,
Atem stinkt nach Kotz und Scheiße!
Ani mara, schwarze Ziege,
Rücken bucklig krumm sich biege!
Ani mara, schwarzer Greif,
Knochen werden starr und steif!
Ein Schrei gellt durch den kleinen Raum
Als der Mann zu Boden geht
Mutter weicht zurück und fleht
Dies alles sei ein böser Traum
Ani mara, schwarze Ente,
falt’ge Pranken anstatt Hände!
Ani mara, schwarze Fliegen,
aus fünf Fingern werden sieben!
Ani mara, schwarze Quallen,
Nägel werden spitze Krallen!
Ani mara, schwarzer Laich,
Haut wird pockennarbig, bleich!
Ani mara, schwarzer Specht,
gar monströs wird das Geschlecht!
Sohn und Tochter stehen starr
Seit an Seit und Hand in Hand
Sind in Staunen wie gebannt
Blind und taub für die Gefahr
Ani mara, schwarze Katzen,
Füße werden grobe Tatzen!
Ani mara, schwarze Krähe,
jauchig gelb wird jede Zehe!
Ani mara, schwarzer Bär,
Wesen wie aus finst‘rer Mär!
Ani mara, schwarze Spinne,
der Anblick ängstigt alle Sinne!
Ani mara, schwarzer Tiger,
los jetzt, dunkler Höllenkrieger!
Aus gar missgestalter Kehle
Ein grauenhaftes Grollen steigt
Die Frau schnell auf die Türe zeigt
„Kinder, lauft! Bis drei ich zähle!“
„Eins!“ Das Monster herumwirbelt
Fasst ins Auge seine Beute
Die der Frevel längst schon reute
Tochter an den Haaren zwirbelt
„Zwei!“ Es bleckt die scharfen Zähne
Brüllt gar laut und seelenlos
Angst weicht einer Panik groß
Tausend folgen erster Träne
„Drei!“ Die Menschenkinder rennen
Um ihr Leben nackt und rein
Bis der Schmerz fährt ins Gebein
Schneller, bis die Lungen brennen
Mutter kommt kaum hinterher
Faul‘gen Atem dicht im Nacken
Hinter ihr nur lautes Knacken
Und ihr Schritt wird langsam schwer
Keine Sicht, der Weg entschwunden
Bald Mitternacht, der Mond glänzt bleich
Die Bestie naht, sie hat sie gleich
Packt sie und reißt schwere Wunden
Ihr Herz schlägt wild, sie hört es pochen
Kämpft sich hoch, stürzt weiter blind
Ahnt, vor ihr die Kinder sind
Ignoriert gebroch’ne Knochen
Plötzlich sie herniederfällt
Die Bestie in der Gier nach Blut
Und in unbändiger Wut
Über sie herüberschnellt
Sie entkommt mit knapper Not
Das Leben grad davon gebracht
Doch am Ende dieser Nacht
Sind die beiden Kinder tot
© Noia, 31.01.2017
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So, ihr Lieben,
das war das letzte Gedicht, das ich in der Hinterhand hatte. Neuen düsteren Stoff gibt es also erst, wenn meine Muse mal wieder zum Schmusen vorbei kommt. Wer sie sieht, erinnere sie doch bitte daran. ;)
Derzeit suche ich noch nach dem passenden Thema für den nächsten Fluch bzw. das nächste Gedicht. Wer Vorschläge oder Wünsche hat oder einen kleinen Fluch für seine eigene Geschichte benötigt, melde sich doch. :)
Wie immer freue ich mich über eure Eindrücke zum Gedicht.
Liebe Grüße
Noia
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