Es war vor zwei Jahren, dass ich mit meiner Familie die Weihnachtsferien in Österreich verbrachte. Dicker Schnee lag draußen und oft öffnete ich die Fenster im Zimmer, um der Stille zu lauschen, während sachte der Schnee zu Boden schwebte.
So schön die Landschaft auch war und so viel Spaß das Bogenschießen im Freien auch machte, allgemein war die Woche langweilig.
Mein Bruder war noch da, aber der ging oft mit meinem Vater oder beiden Elternteilen zur Piste, während ich in der Wohnung blieb. Ich hatte nichts dagegen alleine zu sein, es war mir lieber, als dem ständigen Genörgel meiner Eltern ausgesetzt zu sein.
Ich hatte schon aufgehört irgendetwas zu entgegen. Zu müde und erschöpft, um mich zu wehren, ließ ich das Meiste geschehen, aber eine langweilige Marionette wollte ich dann auch nicht sein.
Wortlos nahm ich die Kritik meiner Eltern hin, schaltete auf Durchzug und antwortete oft mit einem Augenverdrehen oder einem giftigen Blick aus den Augenwinkeln, aber auch nur, wenn sie gerade zu sehr nervten.
Natürlich, begründeten meine Eltern mein Verhalten mit den Worten "Typisch Teenager."
Wie ich das hasste. Dann war es also typisch Teenager, dass man am Stress der Schule zerschellte? Das man nur in Grau und Schwarz sah? Das die Nervosität und Angst vor Klausuren, sich in schroffe und wahnsinnige Gleichgültigkeit verwandelte?
Das man schon in der siebten Klasse sich davor fürchtete in die Nähe von Messern zu sein, aus Angst man würde die Kontrolle verlieren und sich die wichtigste Ader durchschneiden, damit einfach alles endlich endete?
War es also typisch Teenager, dass man den Eltern nicht vertraute, weil sie alles mit eben jenem Satz von ungehobeltem Verhalten begründeten?
Das die Eltern, irgendwo zwischen sicherer Hafen und der Teufel höchstpersönlich erschienen?
Immer, wenn meine Gedanken in diese Dunkelheit abdrifteten, schaltete ich die Musik an und floh. Aber einfach zur Seite schieben löste nichts. Und immer mehr fragte ich mich, wie wohl dieses Jahr für mich werden würde, wenn schon allein der Anfang, sich wie ein absolutes Ende anfühlte.
Damals hielt ich den Winter für die schlimmste Zeit, den Titel bekam aber später der Herbst.
Aber ich schweife ab.
Mein Lichtblick war das Bogenschießen und der schöne Schnee, sowie eine Idee.
Das Schreiben war damals keine Option als Hobby, aber mir kam die Idee für ein Drama und ich hatte durchaus den Drang es zu schreiben.
Mit einem billigen Notizbuch setzte ich mich an einem Abend an die Heizung unterm offenen Fenster meines Zimmers. Ich schlug das Buch auf und startete einen Versuch, das Drama zu verfassen.
Es scheiterte gefühlt mit jedem Wort. Ich wollte etwas schreiben, aber etwas drängte sich vor die Idee des Dramas.
Und ich gab schließlich nach. Eine neue Seite aufschlagend winkelte ich die Beine an und ließ etwas Dunkles näher an mich ran.
Da war eine Fratze, ein rotes Auge, ein Zylinder, ein groß gewachsener Magier in Schwarz und Hass. Der Hass auf die gefühlt unendliche Kritik meiner Eltern.
Die Frustration nicht akzeptiert zu werden, wie ich damals war.
Bitterkeit, dass ich mit meinen Problemen alleine da stand, auch, wenn ich es auch irgendwo selbst verantwortete. Die Zweifel an mir selbst und meiner bloßen Existenz und Eifersucht, auf das anscheinend perfekte Leben meiner Freunde daheim.
Da bewegte sich der Stift wie von alleine. Die schwarze Tinte füllte das Blatt und der unheimliche Typ mit Zylinder trat in mein Leben.
Ich lehne mich zurück in meinen Stuhl.
Meine Stirn liegt etwas kraus.
Was? komm schon, als ob das Alles ist, was du mir als Vorgeschichte gibst!
Zweifelnd schaue ich zum Mann mit Zylinder. Ich habe seiner Bitte nachgegeben und mich zurückerinnert, aber ist es das gerade wert?
Ich muss nicht in einen Spiegel schauen, um zu wissen, dass ich blass bin und meine Augen etwas stumpf wirken, wie früher.
Seufzend lege ich die Feder neben mich und kipple, mit Blick an die Decke, leicht mit dem Stuhl.
Was?
"Ich weiß, dass es wichtig ist, dass ich auch solche Zeiten aufarbeite, aber..."
Aber?
Ich schaue dem Erzähler direkt in die Augen.
"Sollte ich es schon so früh und in einem Zug?"
Kurz schweigen wir beide.
Du musst gar nichts. Von mir aus lass es so stehen, tue es nicht in einem Zug. Schließlich ist da nicht viel. Du hattest mich nach dem Urlaub vergessen und dachtest, ich wäre im Schnee in Österreich geblieben.
Aber du hast mit dem Schreiben begonnen, also bin ich wieder da.
Beziehungsweise, in dein Bewusstsein zurück. Ich war nie weg, denk nur an den Herbst des Jahres!
Ich schaudere bei den Erinnerungen.
"Naja, ich weiß ja nicht."
Gedankenverloren kaue ich auf meiner Lippe.
Machst du jetzt mal endlich weiter?
Eine Augenbraue hochziehend schaue ich den Erzähler aus dem Augenwinkel an.
Schau nichts so. Du schuldest es mir, du hast den ersten Text, der je von mir gezeichnet war, entsorgt! Das war, wie meine Geburt!
Ich lache kurz auf.
"Du zwei Jahre altes Baby!", grinse ich schelmisch. Der Erzähler schweigt nur.
"Ok. Lassen wir die Vorgeschichte. Kommen wir zu dem, was du bist.", ich klatsche kurz in die Hände.
"Na los, stell dich schon vor, du wolltest es schließlich im Klappentext schon."
Aaaah, endlich!
Der Erzähler zieht seinen Zylinder und schaut gerade zum Leser.
Gestatten?
Ich bin der Erzähler. Ich bin vieles und nichts. Nicht einmal ich kann wirklich bestimmen, was ich bin, aber eines sei gesagt - jegliche Kritik an meiner Persönlichkeit, geht mir am Zylinder vorbei.
Ich lache kurz.
"Zylinder? Wirklich?"
Hätte ich doch die saloppe Art mit 'Arsch' nehmen sollen?
"Oh, nein, nein alles gut. Nur,", ich schaue ihn mit einem kalten Blick an, "jegliche Kritik? Ich meine: Schmiede?"
Beim Wort 'Schmiede' jagt der Erzähler jaulend, wie ein Poltergeist, an die Decke des nur vom Kerzenschein erhellten Raumes.
FIES!
Ich kichere kurz und lasse den kalten Blick verfliegen. Mit einem Lächeln schaue ich zum Leser.
"Also, damit das mal geklärt ist. Der Erzähler ist kein Poltergeist."
Ich bin mehr!
"Er ist ein Schatten. Er ist nicht meine Fantasie, dafür ist sein Bereich zu eingegrenzt."
Ich bin, wie ein Wächter!
"Er ist teils, wie eine Muse, aber für alles, was eher in Maldecas Unterwelt fallen würde."
Ich bin DER Erzähler!
"Nemo, Sir Lavernys, oder sein bürgerlicher Name, den ich aber nicht nennen werde. Der Erzähler liebt das Spiel, am liebsten das Spiel der Hölle. Wenn ich ihn in die Taverne lasse, hält er sich an Regeln, tut er es nicht, kommt er in die Schmiede."
Lass das! Schlimmste Erfindung, deine Schmiede!
"Und, damit es wegen seiner netten Art, keine Verwechslungen gibt.
Der Erzähler ist ein Kern der Dunkelheit, er kann nett sein, aber es ist nicht sein eigentliches Wesen."
Das war an Bella gereichtet, oder?
"Irgendwelche Einwände, Nervensäge?"
Nein.
...Beton die Dunkelheit noch mal, bitte!
"Hast du schon, jetzt ist genug."
Ich stehe auf und lösche die Kerzen im Raum, bis es komplett dunkel ist.
"Jeder, der seine Texte liest, sollte dies auf eigene Gefahr tun."
Trotz Dunkelheit, ist klar, dass ein teuflisches Grinsen das Gesicht des Erzählers verzerrt.
Ich freue mich auf jeden Besuch.
Erwartet nur keine Geschichten, wie sie jeder andere sie macht.
Ich bin nicht hier, um tolle Storylines zu erproben, ich bin hier um euch fühlen zu lassen, aber ganz auf meine Art.
Das Quietschen einer Tür verhindert, dass der Erzähler fortfährt.
Ich stehe im Türrahmen.
"Auf jetzt, ich mag jetzt woanders hin."
Adieeuuu und auf ein baldiges Wiedersehen!
Viel Spaß beim Suchen des Ausganges!
Die Tür fällt zu und dunkle Stille herrscht, während dumpfe Schritte und hämisches Gelächter auf dem Flur verschwinden.