Halloween!
Die Blätter, die auf die Straße segelten, waren braun, rot und gelb. Ein
kühler, heftiger Wind pfiff mir um die Ohren und zerrte an meiner
Kleidung. Ich zog mir meine Kapuze tiefer ins Gesicht und lief mit
gesenktem Kopf zu meinem Ford. Als ich in der letzten Unterrichtsstunde
gesessen hatte, hatte es stark angefangen zu regnen. Der Regen hatte
zwar aufgehört, doch der Himmel war tiefgrau und der Asphalt unter
meinen Füßen pitschnass. Meine Stimmung war im Keller. Ich hasste
schlechtes Wetter, aber leider war es Ende Oktober und die Temperaturen
sanken von Tag zu Tag.
In den letzten zwei Monaten war nicht viel passiert und darüber war ich froh, doch die Ruhe beunruhigte und verunsicherte mich.
Fanden
die Killer uns nicht oder hatten sie möglicherweise aufgegeben?
Vielleicht hatten sie auch zu viel mit anderen Aufträgen zu tun oder
endlich eingesehen, dass James und ich sie nicht verraten würde und sie
somit keinen Grund hatten, uns zu töten.
Aber
kaum waren mir diese Optionen durch den Kopf geschossen, da verwarf ich
sie, zumindest zwei von ihnen. Es war lachhaft zu glauben, dass sie
aufgegeben hätten und sie uns nicht töteten, weil wir nicht zur Polizei
gingen.
Ich
fragte mich, warum kein einziger Killer vor der Schule auf mich gewartet
hatte. Natürlich waren im Gebäude selbst viel zu viele Menschen, doch
sie hätten ja draußen versteckt auf mich warten und mir nach Hause
folgen können.
Plötzlich
schüttelte ich heftig den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Wie kam
ich nur dazu, über die besten Strategien nachzudenken, wie ich von
verrückten Killern gefunden werden konnte? Ich könnte ihnen ja gleich
wertvolle Tipps geben, wie sie mich am schnellsten zur Strecke brachten.
In Gedanken
versunken ging ich schnellen Schrittes quer über den Parkplatz, bis zu
meinem Auto. Olivia und Jamie hatten am selben Tag, an dem ich wieder in
die Schule gegangen war, sowohl den Mercedes, als auch den Ford geholt,
als ich ihnen erzählte, dass Linda mich zur Schule hatte fahren müssen.
Ich hatte ihnen gesagt, dass das nicht nötig sei, doch natürlich hörten
sie nicht auf mich.
Nun
war ich wieder mit meinem eigenen Auto unterwegs, das in den Herbst-
und Wintermonaten vor Dreck nur so stand. Ich hatte die Hoffnung gehabt,
dass der Regen den Schlamm abwaschen würde, aber mein Ford war nach dem
Regenguss genauso dreckig, wie zuvor. Leise stöhnte ich, bevor ich mich
ins Auto setzte, den Motor startete und sofort die Heizung aufdrehte.
Mir war eiskalt, obwohl ich dicke Handschuhe, einen langen Mantel und
gefütterte Stiefel trug.
Auf
dem Weg nach Hause fing der Regen schon wieder an. Das hatte mir gerade
noch gefehlt. Ich schaltete die Scheibenwischer und auch das Radio ein.
Während der Fahrt sang ich lautstark die Songs mit, deren Text ich auch
kannte. Mir war es egal, dass ich nicht gerade die talentierteste
Sängerin war. Ich wollte bloß auf andere Gedanken kommen, denn nicht nur
das miese Wetter zog mich runter, sondern auch meine Mitschüler.
Obwohl
ich bereits seit zwei Monaten wieder zur Schule ging, waren manche
Schüler immer noch der Meinung mich anstarren zu müssen. Ich ignorierte
sie zwar, doch innerlich war ich sauer. Hatten sie denn nichts anderes
zu tun, als mich mit ihren Blicken zu nerven und auf die Palme zu
bringen?
Sie würden es bestimmt auch nicht toll finden, wie ein Tier im Zoo beglotzt zu werden.
Aber
heute war es unglaublicherweise noch schlimmer gekommen, denn Quentin
Jones, der widerliche Perversling, hatte allen Ernstes die Dreistigkeit
besessen mich anzuquatschen. Vermutlich war er dem Irrglauben
unterlegen, dass ich ihm wegen des „Vorfalls“ bei unserem Date nicht
mehr böse war.
Ich
hatte nichts ahnend an meinem Spind gestanden, als er sich ohne
Vorwarnung neben mich gestellt und dämlich gegrinst hatte. Ich hatte ihm
kurz einen abwertenden Blick zugeworfen, mehr nicht. Ich hatte gedacht,
dass er verschwinden würde, wenn ich ihn nicht weiter beachtete, doch
ich hatte falsch gelegen. Quentin hatte solange neben mir gestanden, bis
ich ihn entnervt fragte, was er von mir wollte. Ich hatte mich auf
alles gefasst gemacht, nur nicht auf das, was er dann sagte.
Mit einem frechen Grinsen im Gesicht hatte er mich tatsächlich nach einem zweiten Date gefragt.
Während
ich mich noch von meinem Schock hatte erholen müssen, hatte er sich
mehrere Male durch die Haare gefahren und mich lüstern angesehen. In
diesem Moment hätte ich mich am Liebsten übergeben. Quentin war ein
abartiger Kerl, wieso war mir das nicht schon viel früher aufgefallen?
Bevor
er mich ein weiteres Mal hatte gedanklich ausziehen können, hatte ich
ihm klipp und klar gesagt, dass ich niemals wieder den Fehler machen
würde mit ihm auszugehen. Danach hatte ich ihm entgegnen geschrieen,
dass er mich in Ruhe lassen und nie wieder mit mir reden solle.
Genüsslich hatte ich mit angesehen, wie seine selbstsichere und
arrogante Fassade dann in sich zusammengebrochen war. Ehe er sich
verzogen hatte, hatte er mir noch einen wütenden Blick zugeworfen.
Die
Schule war jedoch nicht nur ein einziger Albtraum gewesen. Ich hatte
bereits an meinem zweiten Schultag Daphne in der Cafeteria entdeckt. Es
hatte mich nicht wirklich überrascht, dass sie auf dieselbe High School
ging, wie ich.
Ich
hatte sie vorher nicht bemerkt, weil sie ein Jahr älter war und somit
einem anderen Jahrgang angehörte. Ich hatte sie noch während des Essens
angesprochen. Im Laufe unseres Gesprächs hatte ich erfahren, dass ihr
Bruder ebenfalls hier zur Schule ging. Diese Nachricht hatte mir keine
Freudensprünge entlockt, im Gegenteil. Ich hatte Angst, dass Cassidy die
Chance, dass wir die gleiche Schule besuchten, nutzte, um sich an mich
ran zu machen. Ich kaufte ihm nämlich nicht ab, dass er mich in Ruhe
ließ, weil ich einen Freund hatte. Deswegen hatte ich mir vorgenommen,
ihm so gut es ging aus dem Weg zu gehen.
Seitdem
Daphne und ich uns in der Schule getroffen hatten, unterhielten wir uns
sehr viel. Sowohl in den Schulpausen, als auch zu Hause. Meistens
standen wir am Gartenzaun, auch wenn es kalt draußen war. Obwohl ich sie
erst seit kurzer Zeit kannte, hatte ich sie sehr gern. Ich mochte ihre
offene und fröhliche Art.
Manchmal
hatte ich jedoch ein schlechtes Gewissen meinen anderen Freunden
gegenüber, weil ich sie vernachlässigte. Ich sah sie bloß in der Schule.
Seit einer Ewigkeit hatten wir nichts mehr außerhalb der Schule
unternommen. Daphne sah ich automatisch häufiger, weil sie direkt
nebenan wohnte.
Ich
hoffte, dass sie mir nicht allzu böse waren, allen voran Linda. Trotz
unserer Abmachung, dass wir nicht mehr über James sprechen wollten,
konnte ich jedes Mal, wenn sie bei mir war, sehen, dass sie gerne ihrem
ganzen Ärger über ihn Luft gemacht hätte. Linda wirkte seit dem Streit
auf dem Friedhof ständig angespannt und beunruhigt. Sie schien sich
viele Gedanken über meine Beziehung zu machen.
Ich
hatte kein gutes Gefühl, wenn ich sie dabei beobachtete, wie sie
nachdenklich neben mir saß. Ich befürchtete, dass Linda sich irgendetwas
ausdachte, um mich davon zu überzeugen, dass James nicht der Richtige
für mich war.
Ich
war so sehr in Gedanken versunken, dass ich erst spät bemerkte, dass
ich bereits in meine Straße einbog. Ich wunderte mich, wie schnell
zwanzig Minuten doch vorbei sein konnten. Ich parkte vor meinem Haus und
machte den Motor aus. Ich blieb noch ein paar Minuten in meinem
angenehm warmen Auto sitzen. Ich hatte keine Lust auszusteigen und mich
dem nassen und kalten Wetter auszusetzen. Ich schloss die Augen und
legte meine Stirn gegen das Lenkrad.
Aus
unerfindlichen Gründen war ich hundemüde. Herzhaft gähnte ich hin und
wieder und versuchte einzuschlafen. Kurze Zeit später war ich bereits im
Begriff ins Land der Träume zu driften, als ein lautes Klopfen mich
aufschreckte. Mit rasendem Herzen schnellte mein Kopf nach oben. Als ich
mit einer Hand über meine Stirn fuhr, spürte ich, dass sich das Muster
des Lenkrads in meine Haut gestanzt hatte.
„Mist“,
fluchte ich und rieb mir mehrmals über die Stirn. Dann schaute ich aus
dem Fenster auf der Beifahrerseite. Vor meinem Auto stand ein völlig
durchnässter James. Sein Anblick löste in mir zwei Gefühle aus: Mitleid
und Unmut. Er tat mir leid, weil er nass und durchgefroren war, doch er
hatte mich auch zu Tode erschreckt.
Während
sich mein Puls langsam wieder normalisierte, öffnete er von außen die
Tür und setzte sich auf den Beifahrersitz. Seine Haare und Klamotten
waren klitschnass. Wie immer trug er keine Jacke, keine Handschuhe und
keinen Schal. Er hatte nichts an, was ihn vor dem eisigen Wind und den
niedrigen Temperaturen schützte. Dicke Wassertropfen rannen sein Gesicht
hinab und seine Wangen waren durch die Kälte leicht gerötet. Unter ihm
hatte sich bereits eine Pfütze auf dem Sitz gebildet. Was für eine
Sauerei.
„Hallo“,
begrüßte er mich fröhlich und gab mir einen stürmischen Kuss. Seine
Lippen waren blau und eiskalt. Ich bekam eine Gänsehaut.
„Wegen dir bekomme ich noch einen Herzinfarkt, James“, beklagte ich mich.
„Was kann ich denn dafür, dass du so schreckhaft bist?“, fragte er lachend und nahm meine Hand.
Es
war noch immer ungewohnt für mich, wenn ich James´ linke Hand hielt.
Natürlich klang das komisch, aber seit er so lange weder seinen linken
Arm, noch seine linke Hand hatte benutzen können, war es ein
merkwürdiges Gefühl. Erst vor zwei Wochen hatte man ihm im Krankenhaus
den Verband abgenommen.
Danach
war er gleich überglücklich zu mir gekommen. Er war erleichtert
gewesen, weil er sich endlich wieder frei bewegen konnte, ohne
Einschränkungen.
Dennoch
hatte ich James erneut meine Sorgen um ihn geäußert. Er musste sich
immer noch erholen und das sollte er in einem warmen Haus tun und nicht
draußen, wo das Wetter jeden Monat unangenehmer wurde. Darum hatte ich
ihm zum hundertsten Mal vorgeschlagen zu mir zu kommen, mindestens in
der Nacht.
Es
war keine Überraschung für mich gewesen, als er abgewinkt und alles
heruntergespielt hatte. Er war einfach unbelehrbar. Deshalb hatte ich es
aufgegeben ihn zur Vernunft zu bringen und ihm seinen Willen gelassen.
„Wie
geht es dir? Ist es nicht viel zu kalt draußen?“, erkundigte ich mich
besorgt und wischte ihm die Tropfen aus dem Gesicht. Auf einmal
schüttelte sich James wie ein Hund, wobei eine Menge Tropfen durch die
Luft geschleudert wurden. Instinktiv drehte ich mich von ihm weg.
„Nein, mir geht es super“, antwortete er und strahlte mich an. Ich runzelte die Stirn.
„Ist irgendetwas passiert? Du siehst so glücklich aus.“ James grinste verwegen und beugte sich zu mir.
„Ich
bin auch glücklich“, hauchte er mir ins Ohr und küsste meinen Hals. Ich
spürte seinen warmen Atem auf meiner Haut. Ich bekam ein wohliges
Gefühl und mein Herz raste. Ich fasste in seine Haare und küsste ihn
lange und leidenschaftlich.
James
stützte sich mit der rechten Hand an meinem Sitz ab und drängte mich
weiter nach hinten, bis ich mit dem Rücken an der Innenseite der Autotür
lehnte. Die Hitze im Wagen nahm stetig zu. Ich bezweifelte stark, dass
dies bloß an der Heizung lag. Während einer kurzen Kussunterbrechung
schälte ich mich aus meinem Mantel, den ich dann achtlos auf die
Rückbank pfefferte. James streichelte mir zärtlich über den Arm.
„Ich
liebe dich, Holly“, sagte er und durchbohrte mich mit einem liebevollen
Blick, dann küsste er mich erneut. Mir blieb nicht einmal Zeit richtig
Luft zu holen. Ich fuhr ihm mit einer Hand über den Rücken und danach
unter sein Hemd. Seine Haut war genauso kalt, wie seine Lippen. Ich fing
an zu zittern und sofort bereute ich es, dass ich meinen Mantel
abgelegt hatte.
Ich
versuchte meine Gänsehaut zu ignorieren und alles um mich herum
auszublenden. Ich genoss einfach James´ Berührungen in vollen Zügen.
Vermutlich hätten wir noch einige Stunden im Auto verbracht, wenn nicht
irgendjemand die Tür geöffnet hätte und zwar die Tür, gegen die ich mich
gelehnt hatte.
Kaum
war meine Rückenlehne verschwunden, da kippte ich mit dem Oberkörper
nach hinten. Ich ließ einen gellenden und panischen Schrei los und
versuchte mich in letzter Sekunde noch festzuhalten, doch ich griff bloß
ins Leere. Entsetzt riss ich die Augen auf und mir stockte der Atem,
denn ich sah mich schon mit dem Kopf auf dem harten Asphalt aufschlagen,
aber in allerletzter Sekunde umfasste James meine Handgelenke und hielt
mich fest. Erleichtert atmete ich aus.
Das
war knapp, dachte ich, denn mein Haarschopf lag in einer Pfütze und
saugte das Wasser auf. Mein Herz pochte schnell und laut gegen meinen
Brustkorb und eine Menge Adrenalin schoss durch meinen Körper.
„Alles
in Ordnung, Holly?“, fragte mein Onkel besorgt und hockte sich neben
mich. Er war also derjenige, der ohne Vorwarnung die Tür aufgerissen
hatte. Wie mechanisch nickte ich, obwohl ich spürte, dass mir das Blut
in den Kopf schoss.
„Es
tut mir leid, dass wollte ich nicht. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du
nicht wie jeder normale Mensch hinterm Steuer sitzt. Wieso lehnst du
dich auch gegen die Tür?“ Verständnislos sah er mich an. Ich konnte von
Glück reden, dass Jamie so schwer von Begriff war und nicht darauf kam,
dass James und ich geknutscht hatten.
„Und
ich konnte nicht ahnen, dass du einfach die Tür öffnest“, entgegnete
ich schnippisch. Plötzlich merkte ich, wie mir langsam schwummrig wurde.
„James?“
Hilfesuchend versuchte ich ihn so gut wie möglich anzusehen. Bevor ich
weiterreden konnte, zog James mich blitzschnell nach oben. Wohl ein
bisschen zu schnell, denn mir wurde schwindelig und schwarz vor Augen.
Es dauerte ein paar Minuten, bis es mir wieder gut ging.
„Danke“, flüsterte ich James zu.
„Kein Problem.“ Er setzte ein schiefes Lächeln auf. Erst jetzt schaute Jamie James richtig an.
„Hallo“,
brummte er unfreundlich und bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick.
Ich verdrehte bloß die Augen. War ich nur von Leuten umgeben, die James
nicht leiden konnten?
James
hob zur Begrüßung die Hand und lächelte freundlich. Mein Onkel hätte
sich in Punkto Höflichkeit eine Scheibe von ihm abschneiden können.
„Es
wäre am Besten, wenn du reinkommst, Holly.“ Jamie betrachtete meine
nassen Haare, die ich nur ihm zu verdanken hatte. Ich fragte mich, warum
er überhaupt zu meinem Ford gekommen war. Ich nahm mir vor ihn später
danach zu fragen. Zuerst wollte ich aber ins Haus und mich aufwärmen.
Ich schnappte mir noch meinen Mantel, bevor ich ausstieg.
„Darf James mit reinkommen?“ Mein Onkel warf einen kurzen Blick auf James, ehe er antwortete.
„Nein“, sagte er leise, damit nur ich ihn hören konnte.
„Warum denn nicht? Siehst du nicht, dass er klitschnass ist?“ Jamie reckte das Kinn nach oben.
„Das
ist er doch selber Schuld. Niemand hat ihn dazu gezwungen, ohne
jeglichen Regenschutz draußen herumzulaufen.“ Seine Miene war
emotionslos.
„Du
bist unmöglich, Jamie. Wieso bist du so unfreundlich zu ihm?“, fragte
ich empört und sah ihn zornig an. Er wich meinem Blick aus.
„Ich
trau ihm nicht, Holly“, gab er dann zu. Seine Worte waren für mich wie
ein Schlag ins Gesicht. James hatte Recht gehabt. Jamie ahnte, dass
James ihn und Olivia angelogen hatte und nun hatte er wohl Angst, dass
ich ihm all seine Lügen abkaufte, weil ich jung und naiv war. Nur hatte
mein Onkel nicht die geringste Ahnung, dass ich ebenfalls an der
Lügengeschichte beteiligt war. Ich war nicht so unschuldig, wie er
glaubte.
„Mir ist egal, was du über ihn denkst“, erwiderte ich frech.
„Er
kommt mit ins Haus.“ Jamie wirkte nach meiner Ansage sprachlos.
Mehrmals öffnete er den Mund, doch er sagte nichts. Ich ließ mich von
seiner Reaktion nicht beirren. Ich setzte mich noch einmal ins Auto, wo
James brav auf dem Beifahrersitz saß und aus dem Fenster schaute. Laut
räusperte ich mich. Sofort schnellte sein Kopf zu mir.
„Ich gehe jetzt ins Haus und du kommst mit“, sagte ich bestimmend und nahm seine linke Hand.
„Warum?“, fragte er und musterte mich verwirrt.
„Weil das Wetter schlecht ist und du durchnässt bist.“
„Pf. Der Regen und die Kälte machen mir nichts aus“, entgegnete er gleichgültig und setzte eine selbstsichere Miene auf.
„Sei doch vernünftig. Du erkältest dich noch.“ James fing schallend an zu lachen, als er meinen besorgten Ton hörte.
„Es gibt Schlimmeres, als eine Erkältung.“
„Ich
weiß. Du musst ja nicht stundenlang bleiben. Ich will nur, dass du dich
aufwärmst und deine Klamotten trocken werden.“ Trotz meiner Bemühungen
war er noch immer ungewillt auf mich zu hören.
„Bitte,
James“, flehte ich ihn an. Ich legte die Hände aneinander und machte
eine bittende Geste. In seinem Gesicht konnte ich sehen, wie sein
Widerstand allmählich schwand. Dann lächelte er verschmitzt.
„Na gut. Für dich tue ich alles, Holly.“
Der
Rest der Woche verlief sehr ruhig. Selbst in der Schule waren die
Blicke meiner Mitschüler von Tag zu Tag weniger geworden. Vermutlich war
ich irgendwann nicht mehr interessant genug und sie hatten etwas
anderes gefunden, worüber sie nun reden konnten. Zum Glück.
Heute
war Freitag. Gemeinsam mit Zack, Vanessa und Linda saß ich an unserem
Stammtisch in der Cafeteria. Wir unterhielten uns über das Thema, das
die letzten Tage alle in der Schule beschäftigte: die morgige
Halloweenparty in der Turnhalle. Ich freute mich schon riesig auf die
Party, weil ich Halloween liebte.
„Also
ich verrate euch nicht, welches Kostüm ich tragen werde“, verkündete
Zack und verschränkte die Arme vor der Brust. Linda zuckte gleichgültig
mit den Achseln.
„Na
und? Das interessiert uns sowieso nicht.“ Zack machte ein empörtes
Gesicht. Ich musste ein Lachen unterdrücken. Jedes Jahr wollte er
unbedingt ein Geheimnis aus seinem Kostüm machen, doch er merkte nie,
dass es keinen von uns wirklich interessierte.
„Ach, ihr seid blöd“, schmollte er.
Dann stand er auf und ging ohne ein weiteres Wort davon. Kaum war er weg, da brachen wir in Gelächter aus.
Als
wir uns wieder beruhigt hatten, betrachtete mich Linda auf einmal mit
einem eindringlichen Blick. Sie wirkte angespannt. Ich fragte mich, was
bloß in sie gefahren war. Hatte ich vielleicht etwas im Gesicht? Gerade
öffnete ich den Mund, als Linda mir zuvorkam.
„Bringst
du James zu der Party mit?“ Obwohl sie sich bemühte, konnte sie einen
verbitterten Unterton nicht verbergen. Leise schnaubte ich. Sehr
unauffällig, Linda.
„Ist
James dein Freund?“, fragte mich Vanessa interessiert. Kaum merklich
nickte ich. Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass Linda über alles
Bescheid wusste und Vanessa nicht.
„Bringst du ihn mit oder nicht?“ Lindas Tonfall wurde immer aggressiver.
Ich konnte in ihrem Gesicht ablesen, wie sehr sie sich wünschte, dass James mich morgen nicht auf die Party begleitete.
„Ich
hab ihn noch nicht gefragt“, blaffte ich sie an. Vanessa sah verwundert
zwischen uns hin und her. Sie hatte natürlich keine Ahnung, warum Linda
einen so feindseligen Ton mir gegenüber angeschlagen hatte und ich
nicht mehr bester Laune war, nachdem Linda das Thema James angesprochen
hatte. Verwirrt runzelte sie die Stirn.
„Stimmt irgendetwas nicht? Ihr beide seid so komisch.“ Verunsichert sah sie erst mich und dann Linda an.
„Es ist alles in Ordnung“, knurrte ich und stand auf.
„Linda
verhält sich bloß wieder wie ein kleines, bockiges Kind.“ Ich warf
meiner besten Freundin noch einen finstern Blick zu, ehe ich
wutentbrannt aus der Cafeteria stürmte.
Draußen
angekommen lief ich direkt zu meinem Ford und setzte mich hinein. Das
Radio drehte ich gleich auf. Ich musste mich unbedingt auf andere
Gedanken bringen. Einige Minuten hörte ich bloß den Songs zu, doch ich
konnte mich einfach nicht beruhigen. Was fiel Linda überhaupt ein? Mir
war bewusst, dass sie James hasste, aber musste sie das so offen zeigen,
obwohl sie mir versprochen hatte sich zusammenzureißen?
Ich
ballte meine Hände zu Fäusten. Wie kam sie auch dazu mich zu fragen, ob
ich ihn zur Party eingeladen hatte? Das ging sie nichts an.
Auf
einmal hatte ich jedoch einen Geistesblitz. Ich grinste süffisant.
Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt James mit einer Einladung zur
Halloweenparty zu belästigen, aber jetzt hatte ich es mir anders
überlegt. Erstens, weil es mit James ein noch schönerer Abend werden
würde und zweitens, weil ich Linda damit bestimmt ein bisschen ärgern
konnte. Ich lächelte immer noch, als ich zurück ins Schulgebäude ging.
Ich
war in meinem Zimmer und stand vor dem Spiegel. Ein letztes Mal kämmte
ich meine Haare, bevor ich mir die rote Kapuze aufzog. Danach ging ich
runter in die Küche, um auf James zu warten. Es war Samstagabend.
Ich
hatte James gestern noch angerufen und ihn gefragt, ob er Lust hätte
mit mir zur Halloweenparty zu gehen. Im ersten Moment war er nicht
gerade begeistert gewesen, weil er solche Veranstaltungen nicht
ausstehen konnte. Er hasste die Kostüme, die klebrigen Süßigkeiten und
auch die zahlreichen Kürbisse, weil er gegen sie allergisch war. Doch
ich hatte ihn so lange angefleht und ihm versprochen, dass es ein
lustiger Abend werden würde, bis er schließlich zusagte.
Nun
saß ich als Rotkäppchen verkleidet am Küchentisch und schaute aus dem
Fenster. Ich trug ein schwarzes Kleid mit einem weißen, bauschigen
Unterrock. Passend zu meinem roten Cape hatte ich mir gleichfarbige
Kniestrümpfe angezogen. Dieses Kostüm hatte ich mir schon vor Ewigkeiten
gekauft. Es war genau das Richtige für mich, denn als Kind war
Rotkäppchen meine Lieblingsmärchenfigur gewesen. Und je öfter ich über
das Märchen nachdachte, desto mehr erkannte ich Parallelen zwischen mir
und Rotkäppchen.
Sie
hatte den sicheren Waldweg verlassen, obwohl ihre Mutter ihr davon
abgeraten hatte. Dadurch war sie dem bösen Wolf begegnet, der dann zu
ihrer Großmutter gegangen war und sie gefressen hatte. Anschließend war
dann auch Rotkäppchen dem Wolf zum Opfer gefallen. Dieses Märchen war
meinem Leben in den letzten Monaten ähnlicher geworden, als ich mir
jemals hätte vorstellen können.
Ich
war wie Rotkäppchen. Ich hatte nicht auf meine Eltern gehört, als sie
mich davor gewarnt hatten, den Jungs blind zu vertrauen. Als ich James
begegnet war, hatte ich alle Ratschläge und Warnungen meiner Eltern über
Bord geworfen und somit den sicheren Weg verlassen. James war in meiner
Geschichte der böse Wolf.
Obwohl
ich geahnt hatte, dass etwas nicht mit ihm stimmt, habe ich ihm
vertraut. Dadurch hatte ich meine Familie und auch mich selbst ins
Verderben gestürzt.
Die
Ähnlichkeiten ließen sich nicht verleugnen, aber es blieb eine Frage:
würde meine Geschichte ebenfalls mit dem Tod des Wolfes enden? Ich
konnte mir nicht vorstellen, dass dies mein Happy End sein sollte. Gab
es nicht irgendeinen Weg, damit wir beide gerettet werden konnten?
Das
Schrillen der Türklingel holte mich jäh aus meinen Gedanken. Ich stand
auf, ging zur Tür und öffnete sie. Vor mir stand James. Er war nicht
verkleidet, stattdessen trug er eine Jeans, an der locker schwarze
Hosenträger herunterhingen, ein dunkelblaues T-Shirt und darüber eine
Lederjacke. Er sah unglaublich sexy aus.
„Du
siehst atemberaubend aus, Holly.“ James´ grauen Augen strahlten vor
Begeisterung. Freudestrahlend betrat er das Haus, ehe er mich umkreiste,
um mich von allen Seiten zu betrachten. Mir war die Situation etwas
unangenehm. Verlegen schaute ich zu Boden und hoffte, dass er bald
fertig war.
„Ich
kann nicht glauben, wie schön du bist“, flüsterte er mir zu, als er
hinter mir stand. Durch seinen warmen Atem stellten sich meine
Nackenhaare auf und ich bekam eine Gänsehaut.
„Du bist ein Spinner, James“, entgegnete ich leise und wurde rot.
„Nein, ich bin nur ehrlich.“ Er stellte sich vor mich.
„Du
bist nicht ehrlich, sondern du übertreibst maßlos“, klärte ich ihn auf.
Auf meine Aussage reagierte er bloß mit einem amüsierten Grinsen.
„Du
bist unverbesserlich.“ James schüttelte leicht den Kopf, bevor er mein
Gesicht in seine Hände nahm und mich innig küsste. Kaum hatten sich
seine Lippen auf meine gelegt, da fiel ich in eine Art Trancezustand.
Mein Verstand wurde von seinem Duft und seinen Berührungen vernebelt.
Ich
genoss die Nähe zwischen uns. Nach ein paar Minuten war der Kuss jedoch
schon vorbei. James nahm mich in seine Arme und drückte mich fest an
sich. Sogleich konnte ich seinen ruhigen Herzschlag hören. Ich legte
meine linke Hand auf seine Brust und fuhr mit meinen Fingern seine
Muskeln nach.
Auf
einmal fing ich an zu zittern. Je öfter ich mit ihm zusammen war, desto
größer wurde mein Verlangen nach einer gemeinsamen Nacht mit ihm. Diese
Gedanken geisterten schon seit einiger Zeit in meinem Kopf herum, doch
ich traute mich nicht James davon zu erzählen. Vermutlich hatte ich
Angst davor und ich war noch nicht bereit. Obwohl ich ihn unsagbar
liebte, kannte ich ihn erst über ein halbes Jahr. Ich fragte mich, warum
ich überhaupt schon ein solches Verlangen nach ihm hatte.
„Dich
beschäftigt irgendetwas“, stellte er plötzlich fest und löste die
Umarmung. Nicht zum ersten Mal verfluchte ich es, dass ich so leicht zu
durchschauen war.
„Nein,
nein. Lass uns gehen.“ Ich nahm seine Hand und zerrte ihn eilig aus dem
Haus. James ließ sich zwar hinterherziehen, aber ich konnte ihn lachen
hören.
„Du hättest mir auch sagen können, dass du nicht mit mir darüber reden willst.“
„Ach, halt den Mund“, grummelte ich, denn mir war meine überstürzte Flucht aus dem Haus peinlich.
„Okay“,
flötete er vergnügt und folgte mir zum Ford. Ich kramte gerade in
meiner Tasche nach meinen Autoschlüsseln, als James zu mir kam und sich
neben mich stellte.
„Bitte lass mich fahren“, flehte er mich an.
„Warum?“, fragte ich verwundert und sah ihn an.
„Weil
ich seit Ewigkeiten kein Lenkrad mehr in der Hand hatte. Ich bin auf
Entzug, Holly.“ Ich dachte erstmal, dass das ein Scherz sein sollte,
doch seine Miene war todernst.
„Du bist ein Autofanatiker.“ James nickte eifrig.
„Und ein Geschwindigkeitsjunkie“, gab er zu. Für ihn war das ein ernstes Thema, aber ich musste mich zwingen nicht loszulachen.
„Hier.“ Ich drückte ihm die Schlüssel in die Hand. Auf seinem Gesicht tauchte ein glückliches Lächeln auf.
„Danke,
danke, danke“, äußerte er erleichtert und gab mir einen Kuss auf die
Nasenspitze. Danach öffnete er umgehend die Tür und stieg ein. Ich
verdrehte die Augen, bevor ich auf die Beifahrerseite ging und mich
ebenfalls ins Auto setzte.
Die
Fahrt war ein waghalsiges Unterfangen. Kein Wunder, James saß ja auch
hinter dem Steuer. Für ihn war es ein richtiger Glücksmoment gewesen,
als er den Motor gestartet hatte. Erleichtert hatte er geseufzt und sich
im Sitz zurückgelehnt. Dann hatte er auch gleich mächtig Gas gegeben
und war in einem halsbrecherischen Tempo über die Straßen gerast.
An
der Schule angekommen, fiel mir sofort das riesige orangefarbene Banner
ins Auge, welches über dem Haupteingang hing. Darauf stand Happy
Halloween in Großbuchstaben. Im ganzen Schulgebäude brannte Licht. James
parkte etwas weiter weg.
Als ich in sein Gesicht sah, bemerkte ich seine unzufriedene Miene. Im Gegensatz zu mir war er ganz und gar nicht begeistert.
„Der Abend wird sicher lustig, James“, versprach ich ihm und streichelte seine Hand.
„Bestimmt.
Es gibt nichts Schöneres, als überall Kürbisse um mich herum und deine
Freundin, die mich hasst“, entgegnete er sarkastisch und seine
Mundwinkeln wanderten nach unten. Daraufhin knuffte ich ihm zweimal
hintereinander in die Seite.
„Hey, ein bisschen mehr Begeisterung bitte.“ Fröhlich grinste ich ihn an.
„Ich
versuche es“, brummte er, ehe er den Motor ausschaltete und aus dem
Ford stieg. Das kann ja heiter werden, dachte ich. Ich folgte ihm.
Auf
der Beifahrerseite wartete bereits James mit geöffneter Hand auf mich.
In seiner Handfläche lag mein Autoschlüssel. Wortlos nahm ich ihn und
steckte ihn zurück in meine Handtasche. Dann legte ich meine Hand in
seine.
„Danke, dass du mitgekommen bist.“ Ich stellte mich auf die Zehnspitzen und küsste ihn flüchtig auf den Hals.
„Tja,
dir kann ich nun mal nichts abschlagen.“ Er zwang sich zu einem kurzen
Lächeln. Danach gingen wir Hand in Hand zum Haupteingang.
Unterwegs
sah ich bereits viele verkleidete Schüler. Die Kostümvielfalt reichte
vom Vampir, bis zur Prinzessin. Manche warfen James merkwürdige Blicke
zu. Vermutlich lag es aber bloß daran, dass er kein Kostüm trug.
Als
wir endlich am Eingang ankamen, fielen mir sofort zwei riesige Kürbisse
mit schaurigen Grimassen auf. Mich überwältigte eine Welle der
Euphorie.
Begeistert
klatschte ich in die Hände. Dies brachte mir einen skeptischen
Seitenblick von James ein. Automatisch fing ich an zu kichern, doch ich
hielt mir eine Hand vor den Mund, damit er nichts merkte.
Immer
noch lachend ging ich zusammen mit ihm hinein. Kaum hatten wir einen
Fuß in die Schule gesetzt, da wurden wir von der Dekoration regelrecht
erschlagen.
Die
Decke war mit schwarzem und orangefarbenem Stoff behangen. Überall im
Korridor hingen Girlanden und Fledermäuse aus schwarzer Pappe und auch
hier waren Kürbisse aufgestellt worden.
In
einer Ecke entdeckte ich sogar das Skelett aus dem Biologieunterricht.
Wer auch immer für die Dekoration zuständig war, hatte sich selbst
übertroffen. Mit meinen Augen fixierte ich jedes kleinste Detail.
„Ist das nicht toll?“, fragte ich James aufgeregt, als wir uns auf den Weg Richtung Turnhalle machten.
„Ja,
ja“, rasselte er gelangweilt herunter. Ich stöhnte. Am Besten machte
ich mir nicht mehr die Mühe ihn für Halloween zu begeistern. Bei ihm
waren sowieso alle Versuche zwecklos.
Schweigend
gingen wir nebeneinander her. Im Korridor sah ich ab und zu ein
bekanntes Gesicht aus meinen Kursen. Erst vor dem Eingang begegnete ich
meinen Freunden. Zack hatte sich in einen schwarzen, weiten Mantel
geworfen. In der Hand hielt er eine Ghostface-Maske aus den
Screamfilmen. Und um dieses einfallslose Kostüm hatte er ein solches
Geheimnis gemacht? Unfassbar.
Zack
unterhielt sich gerade angeregt mit Linda und Vanessa. Linda war als
Teufel verkleidet. Sie trug ein rotes Kleid. Dazu steckten ihre Füße in
schwarzen, hohen Schuhen und auf ihrem Kopf thronten zwei rote Hörner.
Vanessa ging als Biene. Ich eilte auf die drei zu, aber James blieb
einfach ein paar Meter vorher stehen. Ich ließ mich davon jedoch nicht
beirren.
„Hi“, begrüßte ich sie und lächelte. Vanessa machte sogleich große Augen.
„Du
siehst echt toll aus, Holly.“ Ich spürte, wie mir erneut Röte ins
Gesicht stieg. Aus unerklärlichen Gründen waren mir Komplimente
unangenehm.
„Danke,
ihr aber auch“, sagte ich, um von mir abzulenken. Dies war jedoch nicht
nötig, denn ihre Augen waren auf jemanden hinter mir gerichtet und zwar
auf James. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er neben mir auftauchte.
Sein
Gesicht offenbarte seinen Unmut, welcher nicht unverständlich war.
Schließlich stand hier Linda, die ihn nicht leiden konnte und auch Zack,
der auch nicht gerade die größte Sympathie für ihn hegte, nachdem, was
damals auf dem Schulparkplatz vorgefallen war. Beide warfen ihm
feindselige Blicke zu. Nur Vanessa musterte ihn interessiert. Dabei
hatte sie ein schüchternes Lächeln auf den Lippen.
„Zack, Vanessa, das ist James.“
„Hallo“, sagte Vanessa freundlich. Zack hob bloß lustlos die Hand. James nickte den Beiden zu.
„Ihr
beide kennt euch ja bereits“, meinte ich an Linda gewandt. Ich sah
meine beste Freundin eindringlich an. Hoffentlich würde sie sich heute
bemühen nicht allzu gemein zu James zu sein. Das Gleiche galt natürlich
auch für ihn, denn ich hatte keine Lust auf ihre ständigen Sticheleien.
Ich wollte den heutigen Abend genießen und Spaß haben.
„Ja“,
zischte sie kalt, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Stattdessen sah
sie mir in die Augen. Der Hass in ihren braunen Augen war kaum zu
übersehen. Doch der Hass galt nicht mir, sondern meinem Freund. Vanessa
runzelte die Stirn und sah Linda unverständlich an. Es war wie gestern,
als wir in der Cafeteria gesessen hatten. Sie hatte keine Ahnung gehabt,
was mit mir und Linda los gewesen war, aber nun ahnte sie, dass James
der Grund unseres Zwists war.
„Lasst uns reingehen“, warf Vanessa ein paar Minuten später in die Runde und unterbrach das eisige Schweigen.
„Gute
Idee“, entgegnete ich eilig. Zack zog sich noch die Maske über, bevor
er mit einer mies gelaunten Linda die Halle betrat. James folgte ihnen,
auch er sah nicht gerade glücklich aus. Gemeinsam mit Vanessa trudelte
ich den Anderen hinterher.
„Dein
Freund ist richtig süß, Holly“, gab sie zu und zwinkerte keck. Dann
durchbohrte sie James´ Rücken mit verträumten Blicken.
„Danke“, meinte ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst dazu hätte sagen sollen.
Die
Turnhalle war genauso geschmückt, wie der Korridor. Die Dekoration war
hier natürlich viel üppiger und auf der gegenüberliegenden Seite war ein
Podest aufgebaut worden, auf dem die Schulband stand und bereits einige
Songs zum Besten gab. Es waren schon viele Schüler anwesend, die
tanzten, sich am Buffet bedienten oder sich unterhielten.
Die
Luft war erfüllt von Stimmen und dem süßlichen Duft des alljährlichen
Halloweenpunsches. Ich wusste nicht genau, was drin war, doch er war
blutrot und sehr süß. Ich wollte mir gerade einen Becher holen, als
James plötzlich vor mir auftauchte.
„Lass uns gehen“, raunte er leise.
„Wir sind noch nicht einmal zehn Minuten hier.“ Er schob die Schultern nach oben.
„Mir
gefällt es hier nicht. Es sind viel zu viele Leute und auch Kürbisse
da. Außerdem geht mir deine Freundin auf die Nerven.“ Ich schnaubte. Ich
glaubte, dass seine schlechte Laune nur an Linda lag. Die Menschenmenge
und die Kürbisse hatte er mit Sicherheit bloß vorgeschoben.
„Hör auf rumzujammern, James“, entgegnete ich lachend und küsste ihn. Ich hoffte, dadurch seine Stimmung etwas heben zu können.
„Ich jammere doch gar nicht“, murmelte er beleidigt und fuhr sich durch die Haare.
„Ja klar.“ Mein ironischer Ton war nicht zu überhören.
„Bitte
lass uns noch etwas hier bleiben.“ Flehend sah ich ihm tief in die
Augen. Nach meiner Bitte verzog er auf merkwürdigerweise das Gesicht.
Seine Unlust konnte er nicht gerade gut verbergen.
„Na gut“, entgegnete er dann gequält und nahm meine Hand.
„Das
tue ich bloß für dich“, hauchte er, bevor er mir die Kapuze herunterzog
und mich lange küsste. Ich umklammerte ihn und presste meinen Körper
fest an seinen. Ich vergaß alles um mich herum. Für mich zählte nur
James.
Als
dieser den Kuss unterbrach und seinen Kopf bereits wegzog, packte ich
mit beiden Händen seine Lederjacke und zog ihn mit einem Ruck zu mir
herunter. James machte ein überraschtes Geräusch. Ich drückte meine
Lippen so fest auf seine, bis es wehtat. Ich konnte einfach nicht genug
von ihm kriegen.
„Könnt
ihr nicht mal aufhören?“ Neben uns hörte ich auf einmal Lindas genervte
Stimme. Abrupt war meine Ausgelassenheit dahin. Ich löste mich nur
ungern von meinem Freund und wandte mich Linda zu. Sie machte ein
angewidertes Gesicht.
„Was ist dein Problem?“, fragte James gereizt, bevor ich etwas sagen konnte. Er war bereits auf 180.
„Du
weißt, was mein Problem ist. Ich will, dass du aus Hollys Leben
verschwindest“, knurrte sie und stemmte die Hände in die Hüften. James
lachte abschätzig und machte einen Schritt auf sie zu.
„Was fällt dir überhaupt ein, so mit mir zu reden, und das auch noch in Hollys Anwesenheit?“
Er machte noch einen Schritt. Jetzt trennten die beiden nur noch wenige Zentimeter. Seine Hände hatte James zu Fäusten geballt.
„Ich darf mit dir reden, wie ich will“, entgegnete sie schroff und reckte das Kinn. Jetzt wurde es mir zu brenzlig.
„Stopp!“, brüllte ich. Ihre Köpfe schnellten augenblicklich zu mir.
„Habt ihr denn schon vergessen, was ich euch gesagt habe; was ihr mir versprochen habt?“
Es
machte mich traurig, dass sie sich meine Bitte nicht zu Herzen genommen
hatten. Die Beiden waren mir sehr wichtig und es tat mir weh, sie
streiten zu sehen.
„Tut mir leid“, sagte James reumütig.
Von
einer Minute auf die Andere hatte er sich wieder beruhigt. Er kam zu
mir und küsste mich auf den Kopf. Linda dagegen verdrehte bloß die
Augen.
„Macht
doch, was ihr wollt“, meinte sie eingeschnappt, drehte sich um und
verschwand in der Menschenmasse. Was für eine Entschuldigung, dachte ich
enttäuscht. Dann sah ich James fragend an.
„Müsst ihr euch immer so kindisch benehmen?“ Er schnaubte.
„Ja“, antwortete er kurz und knapp.
„Ihr seid unmöglich“, stellte ich fest.
„Daran
kann man wohl nichts ändern“, sagte er gelassen, bevor er mir wieder
die Kapuze meines Capes aufzog. Wie immer hatte er Recht. Ich konnte
nicht ändern, dass die Beiden sich bis aufs Blut hassten. Das Einzige,
was ich tun konnte, war James und Linda so gut es ging voneinander
fernzuhalten.
„Lass uns tanzen.“ Urplötzlich nahm ich seine Hand und zog ihn hinter mir her, bis zur Mitte der Turnhalle.
Es war wie im 38°, nur diesmal zwang ich ihn mit mir auf die Tanzfläche zu kommen.
„Muss das sein?“ Lustlos stöhnte er.
„Ja,
dass muss sein.“ Ich ging nahe an James heran und legte meine linke
Hand auf seine rechte Schulter. Er hatte keine Wahl. Er musste mit mir
tanzen, ob er wollte oder nicht. Er fügte sich seinem Schicksal. Mit
seinem rechten Arm umfasste er meine Taille und seine linke Hand nahm
meine Rechte.
„Mein
Arm tut ab und zu noch etwas weh und bei meinem Bein sieht es nicht
anders aus, also hab etwas Nachsicht mit mir.“ Er lächelte zaghaft.
„Mach
ich“, erwiderte ich und sah ihm in die grauen Augen. Langsam fingen wir
an zu tanzen. Hin und her. Immer wieder. Die anderen Schüler tanzten
passend zum schnellen Rhythmus. Wir nicht. Wir tanzten Walzer. Ich
fragte mich, von wem James wohl gelernt hatte, so gut zu tanzen.
Vielleicht hatte sein Adoptivvater es ihm beigebracht. Ich dachte nicht
weiter darüber nach, stattdessen konzentrierte ich mich auf meine
Schritte und auf James. Ich fand es schön, ihm so nahe zu sein. Ich
spürte seine Wärme und roch seinen verführerischen Duft.
Durch
die Hitze in der Turnhalle fing ich leicht an zu schwitzen. Die Luft
war warm und stickig. Das Atmen fiel mir immer schwerer, doch ich
beklagte mich nicht. Ich wollte diesen Moment nicht wegen irgendwelcher
Lappalien zerstören.
Wir
tanzten lange. Es waren bestimmt schon zwanzig Minuten. Hin und wieder
hatte ich eine Drehung gemacht. Dafür, dass James vorher nicht hatte
tanzen wollen, beschwerte er sich nicht ein einziges Mal. Ab und zu
hatte er sogar fröhlich gelächelt, doch nach weiteren fünf Minuten blieb
er stehen.
„War
das lange genug?“ Seiner Miene nach zu urteilen hoffte er inständig,
dass ich Ja sagte. Zur Antwort nickte ich und schenkte ihm ein warmes
Lächeln.
„Na
endlich“, äußerte er erleichtert und seufzte übertrieben laut. Ich
konnte darauf nur den Kopf schütteln. Ich wollte gerade James´ Hand
loslassen, als er mich ohne Vorwarnung nach hinten überbeugte und meinen
Körper in Schräglage brachte. Schlagartig hörte ich auf zu atmen.
Alles
um mich herum verschwamm vor meinen Augen und noch ehe ich wirklich
realisieren konnte, was passierte, beugte sich James vorsichtig nach
unten. Der Arm, der mich hielt, zitterte leicht, doch ich hatte keine
Angst, dass er mich fallenließ. Sein markantes Gesicht tauchte vor mir
auf. Liebevoll sah er mich an, bevor er mich zärtlich küsste.
Augenblicklich schlug mein Herz doppelt so schnell, wie normal. Der Kuss war lange und innig.
„Wow“, hauchte ich, nachdem er seinen Kopf wieder zurückgezogen hatte. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.
„Holly?“
Ich sah die unklaren Umrisse einer winkenden Hand vor mir, aber ich
reagierte nicht. Erst, als James mich zurück in die Horizontale
beförderte und mich an den Schultern packte, blinzelte ich mehrmals und
sah wieder klar.
„Das war…“ Ich suchte nach einem passenden Wort.
„Was?“ Überlegen grinste er.
„Un…unglaublich“, stammelte ich und sah ihn mit großen Augen an.
„Danke,
ich fühle mich geschmeichelt.“ Sein Ton war arrogant und überheblich.
Spaßeshalber boxte ich ihm gegen die linke Schulter. Daraufhin sog er
schmerzhaft die Luft durch die Zähne ein.
„Oh, Entschuldigung.“ Sanft streichelte ich ihm über Schulter.
„Ach,
ist halb so schlimm.“ Er legte einen Arm um mich. Gemeinsam verließen
wir die Tanzfläche. Dabei fielen mir einige Schüler auf, die uns mit
irritierten Blicken musterten.
Vermutlich
hatte es ziemlich komisch ausgesehen, als James und ich einen Walzer
hingelegt hatten. Ich senkte den Blick und starrte zu Boden. Ich
verabscheute es, wenn ich die Aufmerksamkeit auf mich zog.
Wir
gingen weiter, bis ich einen süßlichen Duft in der Nase hatte. Es war
der Punsch. Erst jetzt bemerkte ich, wie viel Durst ich hatte. Meine
Kehle war staubtrocken. Sie schrie nach Flüssigkeit. Ich blieb stehen.
„Ich
will was trinken“, meinte ich apathisch und sah zum Buffet herüber, das
genau in meinem Blickfeld lag. Ich leckte mir über die Lippen, als ich
den roten Punsch in einer großen Schale sah.
„Dann
hol dir was zu trinken. Ich warte hier auf dich.“ Gelassen blieb James
an Ort und Stelle stehen, während ich nur noch Augen für das Buffet
hatte. Schnurstracks eilte ich dorthin, schnappte mir einen
Plastikbecher und goss mir mit einem Schöpflöffel den Punsch ein.
Mit
großen Schlucken leerte ich meinen Becher. Danach füllte ich ihn noch
ein weiteres Mal. Auch beim zweiten Mal trank ich schnell, als mir auf
einmal jemand auf die Schulter tippte. Ich wirbelte herum und hätte mich
beinahe verschluckt. Vor mir stand Daphne mit ihrem Bruder.
Daphne
hatte sich in ein Hexenkostüm geworfen. Auf dem Kopf trug sie einen
spitzen, schwarzen Hut. Ihr knielanges Kleid bestand aus einem
dunkellilanen Stoff. Wie ich trug sie einen Unterrock, doch ihrer war
nicht weiß, sondern pechschwarz. Cassidy hatte einen schneeweißen
Arztkittel an. Um seinen Hals hatte er ein Stethoskop gehangen. Meiner
Meinung nach stand ihm das Kostüm ziemlich gut. Beide grinsten mich an.
„Endlich haben wir dich gefunden“, flötete Daphne. Ich war verwirrt.
„Ihr habt mich gesucht?“ Eifrig nickte sie, bevor sie ihrem Bruder einen vielsagenden Seitenblick zuwarf.
„Eigentlich
habe nur ich dich gesucht. Daphne hat mir dabei geholfen, dich zu
finden“, gab er zu und lächelte mich schüchtern an. Sogleich schluckte
ich hart. Das konnte doch nicht wahr sein.
„Ich
lass euch dann mal allein.“ Noch ehe ich sie aufhalten konnte, ging
Daphne und ließ mich tatsächlich mit Cassidy alleine. Ich vermutete
stark, dass sie genau wusste, was ihr Bruder mir sagen wollte.
Ich
konnte es nicht glauben. Obwohl Cassidy wusste, dass ich einen Freund
hatte, versuchte er es immer wieder bei mir. Seine Schwester schien das
nicht zu stören, im Gegenteil.
Ich
hatte das Gefühl, dass sie mich mit ihm verkuppeln wollte. Unsicher
schaute ich mich um und kaute auf meiner Unterlippe. Es war mir egal, ob
ich jetzt unhöflich war. Ich wollte ihn nicht ansehen. Cassidy sollte
bloß abhauen und mich in Ruhe lassen.
„Holly?“
Automatisch huschten meine Augen zu seinem Gesicht, obwohl ich dies
eigentlich hatte vermeiden wollen. Er sah nervös aus.
„Du siehst toll aus.“ Mit strahlenden Augen musterte er mich.
„Da…danke“, stotterte ich. Ich machte ihm lieber kein Kompliment, sonst bekam er das noch in den falschen Hals.
„Ich würde dich wirklich gerne besser kennenlernen.“ Ich sagte nichts.
„Ich
glaube, dass geht am Besten bei einem Date“, meinte er selbstsicher.
Seine Lippen umspielte ein charmantes Lächeln. Auf einmal war nichts
mehr von seiner Unsicherheit zu sehen.
„Das
geht nicht. Du weißt, dass ich einen Freund habe.“ Meine Stimme war
ruhig. Noch einmal erklärte ich ihm geduldig, warum ich ihm keine Zusage
machen wollte und konnte. Beim nächsten Mal würde das sicherlich ganz
anders aussehen. Wobei ich hoffte, dass es kein nächstes Mal gab.
„Bitte
gib mir eine Chance, Holly. Ich kann dich bestimmt davon überzeugen,
dass ich besser bin, als dein Freund“, verkündete er unverschämt. Dann
ging er so nah an mich heran, dass ich sein Aftershave riechen konnte.
Beinahe ängstlich wich ich ein Stück zurück. Mein ganzer Körper bebte.
Seit
langer Zeit war mir kein Junge mehr so nahe gekommen, wie er in diesem
Augenblick. Außer James natürlich. Mein Puls beschleunigte sich, als
Cassidy dreist meine Hand nahm.
„Bitte, Holly“, flüsterte er mir zu. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut.
„Ich…ich…“, stammelte ich.
Bevor
ich noch etwas sagen konnte, wurde Cassidy fest an der rechten Schulter
gepackt. Überrascht zuckte er zusammen, ehe er sich umdrehte. Vor ihm
stand niemand geringerer, als James. Am Liebsten wäre ich ihm sofort um
den Hals gefallen.
„Hör auf Holly zu belästigen“, zischte er.
„Wer glaubst du, wer du bist?“, fragte Cassidy herablassend.
Er riss seinen Mund ziemlich weit auf, dafür, dass James um einiges größer war, als er. James grinste spöttisch.
„Ich bin ihr Freund, du Idiot.“ Ich meinte einen Funken Panik in Cassidys grünen Augen zu erkennen.
„Ach
ja? Du bist doch nur ein hässlicher Bastard“, entgegnete er mutiger,
als ich gedacht hatte. Erschüttert stand ich mit offenem Mund neben
Cassidy. Ich konnte nicht glauben, was Cassidy ihm gerade an den Kopf
geworfen hatte. James schaute zornig auf ihn herab.
„Sag
das noch mal“, knurrte er gefährlich. Cassidy grinste ihn frech an.
Offensichtlich versuchte er James zu provozieren. Leider war James für
Provokationen sehr anfällig.
„Sehr gerne, du hässlicher Bastard.“ Jedes Wort betonte er. James fletschte wild die Zähne.
Plötzlich
umfasste er mit einer Hand blitzschnell Cassidys Hals. Er war kurz
davor zuzudrücken. Einige meiner Mitschüler waren beim Buffet
stehengeblieben und warteten gespannt darauf, was als nächstes
passierte. Leise redeten sie miteinander und zeigten auf die Beiden.
Während ich versuchte, die Anderen zu ignorieren, schlug Cassidy James
mit voller Wucht ins Gesicht. Mir entfleuchte ein schockiertes „Oh,
Gott.“
„Du
Mistkerl“, schrie James aggressiv und seine Hand drückte zu. Jetzt waren
ausnahmslos alle Augen auf sie gerichtet. Eine unheimliche Stille lag
über dem Geschehen. Ich musste eingreifen, sofort. Ich ging zu ihnen und
versuchte die Beiden irgendwie zu trennen. Das war jedoch schwieriger,
als gedacht, denn sie waren um einiges stärker. Egal, wen von den Beiden
ich versuchte wegzuschubsen, sie blieben an Ort und Stelle stehen.
„HÖRT AUF!“, kreischte ich mehrmals, doch davon ließen sie sich nicht beeindrucken.
Je mehr Zeit verging, in der Cassidy keine Luft bekam, desto roter wurde sein Gesicht. Mir lief die Zeit davon.
Warum
hilft mir denn niemand?, dachte ich verzweifelt. Sie alle waren bloß
nutzlose Gaffer. Ich musste doch etwas tun können. Ich schaute noch
einmal kurz zwischen ihnen hin und her, bevor ich das letzte Mittel
ergriff, das mir einfiel.
Mit
aller Kraft quetschte ich mich zwischen James und Cassidy, dabei
trennten die Beiden bloß mickrige 15 Zentimeter. Ich musste die Luft
anhalten und den Bauch einziehen, damit ich meinen Körper überhaupt
zwischen sie bekam. Trotz dieser Umstände drückte ich so fest ich konnte
gegen James´ Oberkörper. Ich schob Zentimeter für Zentimeter, bis er
zur Vernunft kam und Cassidy endlich losließ.
Ich hatte es geschafft sie auseinander zu bringen. Trotzdem blieb ich sicherheitshalber zwischen ihnen stehen.
„Geh mir aus dem Weg, Holly“, raunte James.
„Nein“, widersprach ich.
„Das
reicht jetzt. Schluss damit, alle beide.“ Sowohl Cassidy, als auch
James sahen nicht gerade begeistert aus. Beide atmeten schwer und
traktierten sich mit verächtlichen Blicken.
Ich befürchtete, dass sie sich nicht so bald beruhigen würden. Zumindest nicht, solange sie sich gegenüberstanden.
Ich
wandte mich an Cassidy. Kaum schenkte ich ihm meine Aufmerksamkeit, da
wurde seine Miene sanftmütig und er lächelte freundlich.
Vom Arschloch zum charmanten Jüngelchen und dass in wenigen Minuten. Was für eine Verwandlung. Alle Achtung.
Von Sekunde zu Sekunde wurde ich wütender.
So langsam konnte ich James verstehen, denn am Liebsten hätte ich ihm ohne Umschweife selbst eine reingehauen.
„Verschwinde, Cassidy. Sofort“, fauchte ich.
In
meinen Blick legte ich so viel Verachtung, wie nur möglich. Meine Worte
waren für ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Er wirkte gleichzeitig
perplex und verletzt.
„Aber…“
„Nichts
aber. Hau ab“, blaffte ich ihn an. Was glaubte er denn? Dass er mich
beeindrucken konnte, indem er meinen Freund aufs Gröbste beleidigte?
Cassidy machte keine Anstalten sich in Bewegung zu setzen. Das regte
mich nur noch mehr auf. Jetzt lag es wohl wieder an mir.
„Lass
uns gehen, bevor bei mir noch die Sicherungen durchbrennen“, sagte ich
aufgebracht zu James. Ernst nickte er mir zu. Ich nahm seine Hand. Eilig
ließen wir Cassidy und die glotzenden Schüler hinter uns. Ich konnte
sie hinter uns schon tuscheln hören. Ich war stinksauer, aber nicht nur
auf Cassidy, sondern auch auf Daphne.
Wie kam sie nur dazu mich mit ihrem Bruder alleine zu lassen?
Sie hatte bestimmt bemerkt, wie unwohl ich mich immer in seiner Nähe gefühlt hatte.
Ich
brodelte innerlich. Vor Wut konnte ich nicht mehr klar denken. Was
hatte ich eigentlich für tolle Freunde? Keiner von ihnen freute sich für
mich. Ganz im Gegenteil.
Sie
hassten James und wollten ihn nicht an meiner Seite sehen. Ich bekam
keinerlei Unterstützung von ihnen. Diese Tatsache machte mich traurig.
Heiße Tränen schossen mir in die Augen. Auf einmal war mein Zorn wie
verflogen. Die Enttäuschung über das Verhalten meiner Freunde, vor allem
das von Linda und Daphne, saß tief.
„Bleib
stehen, Holly“, bat mich James, den ich die ganze Zeit hinter mir durch
die Menschenmenge zog. Seine Stimme war sehr leise. Es schien, als sei
er meilenweit entfernt. In meinen Ohren rauschte das Blut. Anstatt auf
seine Bitte zu hören, beschleunigte ich sogar noch meinen Schritt.
Blindlings lief ich umher.
Ich
atmete laut und schnell. Während ich an vielen Schülern vorbeihastete,
rempelte ich hin und wieder einen von ihnen an. Dann hörte ich sie
hinter mir empört schimpfen, doch mir war es egal.
„Bleib
stehen“, sagte James erneut. Ich zeigte keine Reaktion. Ich lief weiter
und weiter und weiter. Mit der Zeit bekam ich das Gefühl, dass ich im
Kreis lief. Ich ließ meinen Blick umherschweifen. Das erste Mal versuche
ich mich zu orientieren. Ein Fehler, wie sich herausstellte.
Denn
ich konzentrierte mich nicht mehr aufs Gehen und das war bei meinem
schnellen Gang alles andere, als gut. Ungeschickt, wie ich war,
stolperte ich über meine eigenen Füße. Ich wäre der Länge nach
hingefallen, wenn ich James´ Hand nicht gehalten hätte. Erleichtert
atmete ich aus.
„Mach mal halblang“, befahl er streng, bevor er mich an sich zog. Ernst sah ich ihm ins Gesicht.
„Ich
kann nicht glauben, was gerade passiert ist. Es tut mir wahnsinnig
leid.“ Ich streichelte zärtlich die Wange, die Cassidy mit seiner Faust
getroffen hatte. Er winkte ab.
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“ Leicht lächelte er mich an.
„Ich weiß einfach nicht, was mit ihnen allen los ist“, sagte ich verärgert und schnaubte.
„Sie
mögen mich nicht, dass ist die einzige Erklärung für ihr Verhalten.“
Sein Gesicht zeigte pure Gleichgültigkeit. Na klar, ihm war es egal, ob
meine Freunde ihn leiden konnten oder nicht.
„Das
weiß ich auch, aber sie kennen dich doch gar nicht.“ Ich hatte meine
Stimme erhoben. James streichelte meinen Handrücken mit seinem Daumen,
um mich zu beruhigen.
„Versuch
es nicht zu verstehen, Holly. Bei manchen Leuten reicht nur ein Blick,
um zu wissen, dass sie einen nicht mögen. So ist das Leben.“
Ich
stöhnte. Ich wünschte, dass ich auch alles so leicht nehmen könnte, wie
James. Beinahe sorglos ging er durchs Leben. Ich dagegen machte mir
unentwegt Gedanken über alles Mögliche, aber einer von uns musste sich
ja Sorgen machen.
Ich
schloss die Augen und vergrub mein Gesicht in seinem T-Shirt. Ich hatte
mich so sehr auf einen lustigen Abend gefreut. Tja, dass war dann wohl
nichts, dachte ich traurig. James strich mir über den Kopf, sagte aber
nichts. Dafür war ich ihm dankbar.
Ich wusste nicht, wie lange wir schon so da standen, als James mich plötzlich losließ.
„Ich
suche mal die Toilette. Ich komme gleich wieder“, meinte er, bevor er
sich umdrehte und mich alleine stehen ließ. Perplex stand ich mitten auf
der Tanzfläche.
Kaum
war James weg, da fühlte ich mich unwohl. Um mir die Zeit zu
vertreiben, sah ich erst nach links und dann nach rechts und beobachtete
die Schüler um mich herum. Alle sahen glücklich aus. Ausgelassen
lachten und tanzten sie.
So langsam langweilte ich mich. Ich fragte mich, warum James so lange brauchte.
Ungeduldig
stellte ich mich auf die Zehnspitzen und versuchte ihn irgendwo in der
Menschenmenge zu entdecken, doch ich sah ihn nicht. Enttäuscht schob ich
die Unterlippe vor und stellte mich wieder auf meine Füße. Auf einmal
zuckte ich erschrocken zusammen, denn Zack stand plötzlich vor mir.
Seine Maske hielt er in der Hand. Merkwürdigerweise waren seine Augen
glasig, was ihm ein schauriges Aussehen verlieh.
„Alles okay, Zack?“, fragte ich besorgt. Keine Antwort. Ich ging zu ihm herüber und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Was ist mit dir?“ Er zeigte ein verträumtes Lächeln.
„Ich glaube ich habe mich gerade verliebt“, hauchte er. Verwundert sah ich ihn an. Hatte er den Verstand verloren?
„Wie meinst du das?“ Seine Augen suchten meine.
„Ich habe gerade meine Traumfrau gesehen.“ Ich musste über seine Worte schmunzeln.
„Und kenne ich deine Traumfrau?“, fragte ich ihn amüsiert. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er seine Worte ernst meinte.
„Bestimmt nicht. Ich habe sie vorher auch noch nie gesehen. Irgendjemand muss sie wohl eingeladen haben.“
Seine Stimme war mit Ehrfurcht erfüllt. Ich konnte bloß den Kopf schütteln. So hatte ich Zack noch nie erlebt.
„Wie sieht sie denn aus?“ Ich war äußerst gespannt auf seine Antwort.
„Sie…sie
ist überirdisch schön. Sie hat sehr lange braune Haare, eine traumhafte
Figur und wunderschöne Augen.“ Er sah so aus, als würde er gleich
anfangen zu sabbern. Während er im siebten Himmel schwebte, hatte ich
das Gefühl bald einen Herzinfarkt zu bekommen. Mein Herz schmerzte
unheimlich und ich konnte nicht mehr atmen. Ich hatte eine schreckliche
Vorahnung.
Lieber
Gott, bitte lass sie nicht hier sein. Bitte. Ich bekam eine
Panikattacke. Meine Hände zitterten unkontrollierbar und meine Haut war
leichenblass.
„Zeig sie mir. Sofort“, befahl ich Zack aufgebracht. Ich musste sie sehen. Ich musste wissen, ob es tatsächlich sie war.
„Ja klar“, sagte er erfreut und grinste mich breit an.
„Komm.“
Er packte mich am Handgelenk und führte mich durch die Turnhalle. Ich
war aufgeregt und ängstlich zugleich. Vielleicht hätte ich auf James´
Rückkehr warten sollen. Bevor ich mir noch mehr Gedanken machen konnte,
blieb Zack abrupt stehen.
„Da ist sie.“
Mit
einem Finger zeigte er auf eine junge Frau. Sie war groß und schlank.
Ihre langen Haare fielen ihr als Locken bis zur Taille. Es war
offensichtlich, dass sie als Engel verkleidet war, denn sie trug weiße
Flügel auf ihrem Rücken.
Ihr
Kleid, das vorne kurz und hinten lang war, war ebenfalls schneeweiß und
bestand aus Schwanenfedern. Es sah sehr aufwendig und teuer aus.
Genauso, wie die venezianische Halbmaske, die sie über die Augen trug.
Sie bestand aus einem edlen, weißen Stoff. Goldene Schnörkel auf der
Maske dienten zur Verzierung, ebenso wie die Perlen, die rechts und
links in kurzen Ketten aneinander gereiht worden waren und an beiden
Seiten herunterhingen. Die Krönung des ganzen waren prächtige, weiße und
gold gefärbte Federn, die an den oberen Teil der Maske angebracht
waren.
Mir klappte die Kinnlade herunter, denn nun hatte ich die Gewissheit: Ophelia war hier.
„Ist sie nicht atemberaubend?“, schwärmte Zack neben mir.
Er
konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden. Er wirkte wie hypnotisiert.
Als ich mich umsah, bemerkte ich, dass er nicht der Einzige war, dem es
so ging. Es schien, als hatten alle Jungs, die anwesend waren, nur noch
Augen für diese unbekannte Frau.
Stocksteif
stand ich neben Zack. Ich konnte mich einfach nicht rühren. Ich war
starr vor Angst. Beinahe instinktiv fasste ich mir an den Hals. Vor
nicht allzu langer Zeit war dieser noch von dunkelblauen Flecken übersät
gewesen und zwar wegen Ophelia. Es stand außer Frage, dass sie wegen
James und mir hier war.
Was
würde sie tun, wenn sie uns fand? Augenblicklich versteckte ich mich
hinter Zack, damit sie mich nicht entdeckte. Ich presste meine Hände
gegen die Ohren und schloss die Augen. Ich wollte gar nicht daran
denken, was für Grausamkeiten sie uns antun könnte. Wir mussten hier
weg, so schnell wie möglich. Aber zuerst musste ich unbedingt James
finden. Ich riss die Augen auf und ließ meine Hände sinken.
„Zack.“ Ich rüttelte heftig an seinen Schultern. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er mich endlich ansah.
„Ich
muss jetzt gehen, Zack. Bitte versprich mir, dass du dich dieser Frau
nicht näherst.“ Ich presste die Lippen fest aufeinander.
„Warum sagst du mir das?“ Verwirrt runzelte er die Stirn, bevor seine Augen wieder zu Ophelia wanderten.
„Es
ist doch völlig egal, warum ich dich darum bitte. Tu es einfach“, sagte
ich eindringlich. Hoffentlich hörte er mir überhaupt noch zu.
Geistesabwesend nickte er mehrmals.
Ich
zweifelte stark daran, dass Zack wusste, was ich ihm zuletzt gesagt
hatte, aber ich konnte mich jetzt nicht weiter mit ihm beschäftigen.
Wenn ich ihn dazu bringen wollte ein richtiges Gespräch zu führen, dann
wäre ich noch bis morgen dran.
Nach einem letzten Blick auf meinen Freund, wandte ich mich ab und machte mich auf die Suche nach James.
Hektisch
flitzte ich durch die Turnhalle. Jedes Mal, wenn ich an jemandem
vorbeilief, sah ich der Person ins Gesicht. Wenn ich merkte, dass es
nicht James war, dann ging ich schnell weiter. Ich wurde von Minute zu
Minute unruhiger und verzweifelter. Wo ist er? Wo ist er? Wo ist er? Ich
würde bald den Verstand verlieren, da war ich sicher.
„Wo
warst du denn, Holly?“, fragte mich James´ fröhliche Stimme.
Blitzschnell wirbelte ich herum. Da stand er endlich vor mir. Das
charmante Lächeln, das seine Lippen umspielte, fror ein, als er mein
panisches Gesicht sah.
„Was ist los?“ Seine grauen Augen musterten mich besorgt. Ich ging auf ihn zu und krallte mich in seiner Jacke fest.
„Sie ist hier“, kreischte ich aufgebracht.
„Sie
ist hier. Sie ist hier.“ Unruhig hüpfte ich auf der Stelle auf und ab.
James packte mich grob an den Schultern und sah mich ernst an.
„Immer mit der Ruhe, Holly. Wer ist hier?“ Ich atmete tief ein und aus, bevor ich ihm antwortete.
„Ophelia“, presste ich hervor.
„Ich
weiß nicht, warum sie ausgerechnet bei dieser Party ist, wo doch so
viele Menschen hier sind.“ Meine Stimme überschlug sich. James wirkte
immer noch gelassen. Hatte er mich nicht verstanden? War ihm nicht klar,
wie viel Gefahr uns drohte?
„Bist du dir sicher, dass es Ophelia ist?“ Hielt er mich etwa für blöd?
„Natürlich. Ich werde wohl noch die Frau erkennen, die mich beinahe erwürgt hätte“, fuhr ich ihn zornig an.
„Okay“, sagte er und machte ein nachdenkliches Gesicht.
„Wieso
kommt sie erst jetzt? Wenn sie gewusst hat, in welche Schule ich gehe,
dann hätte sie mich doch bis nach Hause verfolgen und dann töten können.
Wieso taucht sie erst zwei Monate später wieder auf? Wollte sie uns in
Sicherheit wiegen, um zuschlagen zu können, wenn wir es am Wenigsten
erwarten?“, rasselte ich hysterisch herunter und blickte ihn ängstlich
an.
Ich war mir sicher, dass James auf all meine Fragen eine Antwort hatte. Er musste Antworten haben.
„Verdammt,
ich habe keine Ahnung, warum sie erst jetzt hier ist. Vielleicht hatte
sie, wie die Anderen, wichtigere Aufträge. Aufträge die viel Geld
bringen. Für Jericho stehen wir zum Glück nicht ganz oben auf der
Todesliste. Er will uns aus Rache töten lassen, aber das ist jetzt egal.
Sicher ist, dass Ophelia hier ist und sie ist bestimmt nicht allein.
Anscheinend interessiert es sie nicht, dass so viele Menschen anwesend
sind und diese Gleichgültigkeit ist besonders gefährlich.“ Angespannt
guckte er sich auf der Suche nach seiner Ex-Kollegin um.
„Was tun wir denn jetzt, James?“ Ich betete zu Gott, dass er einen Plan hatte.
„Abhauen“,
presste er kurz angebunden hervor und nahm meine Hand. Ohne noch mehr
Zeit zu verlieren, steuerte er direkt den Eingang der Turnhalle an. So
langsam beruhigte ich mich wieder. James war bei mir und brachte uns
hier weg. Wenn er bei mir war, dann konnte mir nichts passieren, da war
ich mir absolut sicher.
Doch
meine Zuversicht wurde auf einmal brutal zunichte gemacht. Aus heiterem
Himmel umfasste eine zierliche Hand mein Handgelenk und zog mich
gewaltsam zurück. Augenblicklich wurde ich von James getrennt. Dieser
drehte sich überrascht um.
Entsetzt
weiteten sich seine Augen, als er an mir vorbeisah. Er hatte die Person
im Blick, die mich festhielt. Ich brauchte mich gar nicht umzudrehen,
um zu wissen, dass es Ophelia war. Mir schnürte sich der Hals zu und ich
war den Tränen nahe. Ich musste zu James zurück.
„James“,
krächzte ich und machte einen Schritt auf ihn zu, doch Ophelia riss
mich wieder nach hinten. Auf mich wirkte die Situation irreal. Inmitten
hunderter von Menschen stand eine Killerin und versuchte mich von James
wegzubringen, um mich zu töten.
Mein Freund bahnte sich ein Weg durch die Menge.
„HOLLY!“,
rief er laut. Niemand um uns herum wandte auch nur den Kopf zu James.
Keiner beachtete uns. Je näher er mir kam, umsomehr überwältigte mich
eine Welle der Hoffnung. Er würde mich retten, wie er es schon so oft
getan hatte. Ich bekam bei diesem Gedanken sogar ein leichtes Lächeln zu
Stande.
Aber
wer war das? Ein dunkelblonder, muskelbepackter Mann hatte sich vor
James gestellt und hielt ihn davon ab weiterzugehen. Geh weg.
Verschwinde! schrie ich ihm innerlich entgegen. Was war das denn für ein
Idiot? Ich suchte James´ Blick, doch Ophelia tauchte plötzlich vor mir
auf. Ihre Schönheit machte mich sprachlos und ihre Ausstrahlung fesselte
mich, wie all die Jungs in diesem Raum.
„Mach
dir keine Sorgen um Jimmy. Mein Freund Brolin kümmert sich schon um
ihn.“ Sie lächelte diabolisch. Dieser Idiot war also auch ein Killer.
James hatte Recht gehabt. Ophelia war nicht alleine gekommen. Ich war
starr vor Angst und bekam kein Wort heraus. Ich konnte regelrecht
spüren, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. Bei meinem Anblick wurde
ihr Lächeln immer breiter und ihre Augen funkelten geheimnisvoll.
„Und
während Brolin das Vergnügen hat ein bisschen Zeit mit deinem Freund zu
verbringen, werde ich mich höchstpersönlich um dich kümmern“, flötete
sie. Hart musste ich schlucken.
Nun
waren sowohl James, als auch ich in größter Gefahr. Meine Hoffnung auf
Rettung schrumpfte und schrumpfte und schrumpfte. Dagegen wurde meine
Angst um unser beider Leben immer stärker. Mein Körper bebte, als
Ophelia sich vorbeugte. Tabakgeruch brannte mir in der Nase.
„Du gehörst mir, Püppchen. Mit dir habe ich noch eine Rechnung offen.“