"Kathys Gehirn??", Felix' Stimme überschlug sich.
Keema wippte auf den Zehenspitzen vor und zurück und nickte eifrig. "Mhm, Kathys Gehirn. Du wolltest doch immer hierher kommen und uns besuchen", erklärte sie sachlich und händigte ihm große Besucherschlapfen aus, bevor sie sich umdrehte und den Gang hinunter hüpfte.
Felix streifte hastig seine Schuhe ab, stellte sie auf eine davor vorgesehene Fußmatte bei der Garderobe und eilte dem kleinen Engel hinterher.
"Das heißt dann, du bist eine ihrer Figuren? Oder bist du ein Teil von Kathys Persönlichkeit?", er konnte sich gut vorstellen, dass Keema den süßen Teil von Kathy verkörperte.
Keema blieb neben einer Türöffnung stehen und wandte sich zu ihm um: "Ich bin Keema Vouron, jüngste Tochter der Hüterin des Waldes. Du kennst mich noch nicht, weil ich noch gar nicht existiere in ihrer Geschichte, aber sie hat dir schon Bilder von mir gezeigt."
Felix überlegte angestrengt und nickte dann langsam, bevor seine Augen sich weiteten, so dass sie beinahe aus ihren Höhlen fielen. "WAAAAAAAAAAAAAAS? Du bist WAAASS?!", schrie er und deutete mit zitterndem Finger auf sie, "Oh nein oh nein, ich will keine Spoiler!!"
Keemas Unterlippe begann schlagartig zu zittern und ihre großen Augen füllten sich mit Tränen: "Ich bin keine Spoiler. Ich bin Keema! Warum bist du böse auf mich?"
"Wer schreit denn hier so rum?", mischte sich eine männliche Stimme ein. Ein Mann mit zerzaustem rotbraunen Haar und strahlend blauen Augen trat aus der Türöffnung. Eine Tür gab es an dieser Stelle nicht. Er trug eine Arbeitsschürze aus robustem Material und pflückte Keema liebevoll vom Boden, als er merkte, dass dieser Tränen über die hochroten Wangen liefen.
"Ach du meine Güte", murmelte er und drückte den kleinen Engel tröstend an sich, "Ich bin zu alt für diesen Scheiß... Alles ist gut, mein Liebes. Alles ist gut." Dann fiel sein Blick auf den Auslöser für Keemas Tränen und er streckte eine Hand aus: "Zephyr. Du musst Felix sein? Entschuldige bitte, dass Keema so reagiert. Sie ist noch ein kleines Mädchen und so anders als meine eigenen beiden Töchter... Die sind ja schon erwachsen." Er drückte Felix Hand fest und schüttelte diese.
Felix klappte den Mund auf und zu, bevor er ein richtiges Wort herausbrachte: "Zephyr? Wie DER Zephyr aus Kathys Erzählung?"
"Ja, der Zephyr. Vater von drei unbändigen Kindern und wohnhaft meistens in Ägypten. Stets zu Diensten.", er schenkte ihm ein breites Grinsen und winkte ihm zu folgen. Keema schniefte noch auf seinem Arm und drückte ihr Kinn an seine breite Schulter.
Hinter der Türöffnung lag die Werkstatt eines Schmiedes. Ein Feuer brannte und er war gerade dabei gewesen, Gold zu schmelzen, um ein Schmuckstück anzufertigen, in das Granulate eingesetzt würden, die bereits vorbereitet auf einem Tisch lagen. Er zog einen Stuhl hervor, wischte grob den Dreck darauf hinunter und bot Felix an sich zu setzen.
"Verzeih die Unordnung. Ich sollte hier wirklich mal wieder etwas Ordnung schaffen, aber das Leben als dreifacher Vater ist auch nicht leichter geworden, seit sie älter sind. Sie stellen noch immer viel Unsinn an. Besonders meinen Mädchen verdanke ich so manches graue Haare", erklärte er und setzte Keema ab, "Komm mein Schatz, geh los und such deine Mami."
"In Kathys Geschichte sind deine Kinder doch noch gar nicht erwachsen?", Felix war zunehmend verwirrter. Wie war es möglich, dass ein Feuer in ihrem Kopf brannte und was für eine Aufgabe hatte Zephyr hier oder lebte er einfach nur so vor sich hin?
"Nicht in der Vergangenheit, aber in der Gegenwart schon. Weißt du Felix, wir sind alle schon fertig. Na gut, mehr oder weniger", wandte Zephyr ein, "Manche von uns haben sich noch für keinen Weg entschieden, andere stecken noch in den Kinderschuhen wie die kleine Keema und wieder andere laufen ewig weiter. Manche sind verwirrend, andere hüpfen umher und haben Gedächtnislücken, aber das macht nichts. Hier ist alles möglich. Meine Geschichte geht nicht weiter, da ich momentan den Moment viel zu sehr genieße und sie überredet habe, mich erst mal hier ein wenig häuslicher niederzulassen, denn obwohl ich schon Vater bin und viele Jahre alt, bin ich doch erst vor einem Jahr erst hier aufgetaucht."
Felix lauschte seinen Worten und sein Kopf begann zu schwirren. Das alles klang sehr kompliziert, aber irgendwie logisch. Kathy hatte Zephyrs Geschichte erst vor einem Jahr beschlossen und da war es doch nur normal, wenn dieser sich erst Zeit nahm, es sich richtig gemütlich zu machen, bevor er ihr alles preisgab.
"Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, ist es egal, zu welchem Zeitpunkt, also welchem Jahr, ihr entstanden seid, ihr seid alle so alt, wie es gerade brauchbar ist?", fragte er, um seine Theorie abzusichern.
Zephyr nickte und machte sich daran das Feuer zu löschen. "Genau", erklärte er, "Meine eine Tochter ist beispielsweise in eurer menschlichen Zeitrechnung die Älteste von uns allen, aber ihre Geschichte wird niemals fertig gestellt werden und momentan ist sie entweder ein Teenager oder eben noch ein kleines Mädchen für Kathy."
"Ist sie auch hier unterwegs?", Felix rutschte neugierig auf dem Stuhl ein Stück nach vorne.
"Natürlich. Lass mich noch hier sauber machen, nicht, dass hier etwas zu brennen beginnt, was nicht brennen soll. Dann zeige ich dir die Archive. Die Räume werden dir sicher gefallen."