Ich streiche über das roséfarbene Veloursleder und denke an eine der letzten Nächte zurück, in denen ich Megan sah.
Oft hatte man mich gefragt, ob sich Megan in der Zeit vor ihrem Verschwinden anders verhalten hätte.
Das kann ich allerdings nicht behaupten. Wie immer war sie der quirrlige, zynische Nerd gewesen, den ich gewohnt war und liebte.
Was mir aber aufgefallen war, war, dass sie sich mehr eingepackt hatte als früher. Langärmelige Oberteile und Schals, die bei ihr normalerweise in die hinterste Ecke unter ihrem Bett verbannt waren, standen plötzlich an der Tagesordnung.
Sie sagte immer, ihr wäre eben kalt, "keine Ahnung wieso". Auf die Frage hin, weshalb sie trotzdem die Fenster speerangelweit offen ließ, erwiderte sie nur "frische Luft ist eben gesund, Sherlock."
Zu dieser Zeit fühlte ich mich allerdings selbst etwas seltsam, weshalb ich weniger Aufmerksamkeit auf Megan richtete.
Kaum eine Nacht verging ohne wirre Träume, an die ich mich im Wachzustand zwar kaum noch erinnerte, deren rätselhafte Atmosphäre allerdings den restlichen Tag an mir haften blieb.
Auch mein Körper schien verrückt zu spielen: Oft wurde mir plötzlich ganz schwindelig, manchmal bekam ich sogar Wadenkrämpfe, wurde von kalten Schauern überrannt oder ein zufälliges Körperteil von mir wurde taub und begann, zu kribbeln. Etwas schien auch mit meinen Augen nicht zu stimmen. Oft befanden sich kleine Flecken in meinem Gesichtsfeld. Es ließ mich manchmal aufschrecken, da ich zuerst dachte, etwas käme aus meinem Augenwinkel auf mich zu. Direkt nach solchen Momenten fiel mir oft das Atmen seltsam schwer.
Manchmal wachte ich nachts einfach so auf, schweißgebadet, verweint, oder wie in jener Nacht sogar schreiend.
Ohne mir viel Zeit zu lassen, um zu mir zu kommen, richtete ich mich auf, stürzte aus meinem Zimmer heraus und ins Badezimmer hinein und erreichte die Toilette gerade noch rechtzeitig, bevor mich die Übelkeit überkam und ich mich aus vollen Leibeskräften übergab.
Einige Minuten lang zog sich diese Tortur so dahin, dann fühlte ich mich langsam besser. Ich verweilte noch eine Zeit lang auf dem kalten Badezimmerboden und putzte mir dann schließlich die Zähne.
Jetzt ging es mir wieder besser, aber in Anbetracht dessen, wie schlecht mir vor einer Sekunde noch gewesen war, überlegte ich mir, ob ich Megan vielleicht wecken sollte. Die Uhr im Bad zeigte an, dass es 3 Uhr morgens war, aber Megan machte gerne Mal durch, und selbst wenn nicht - mein Schreien oder das lautstarke Kotzen hatte sie womöglich längst geweckt.
Ich verließ das Badezimmer und betrat den Gang, der unsere Zimmer miteinander verband. Megans Zimmertüre hatte ein kleines, rundes Fenster mit undurchsichtigem Glas - so konnte ich immer sehen, ob sie noch wach war.
Erleichtert sah ich das flackernde Licht von Kerzen. Kerzen waren ziemlich ungewöhnlich für Megan, aber das beschäftigte mich in diesem Moment kaum.
Ich vergaß, zu Klopfen, und öffnete die Türe. Das Bild, das ich daraufhin sah, hat sich bis heute in mein Gedächtnis gebrannt.