Mein Leben begann mit meinem Tod, so komisch das auch klingen mag. Damit meine ich übrigens richtig Tod, und nicht irgendwie fast verreckt und dann verschwunden, nur damit das klar ist.
Ich bin wirklich gestorben, doch das passte mir erst mal sowas von überhaupt nicht. Was ja wohl logisch sein dürfte, aber mein Tod war dann doch etwas zu speziell.
Oder wie würdet ihr es finden, wenn ihr erst erschossen, dann verprügelt und dann auch noch erstochen werdet?
Fändet ihr sicher genauso lustig wie ich, aber zum Glück hab ich ja kaum was davon mitbekommen.
Schließlich haben mich diese Arschgeigen vorher noch anständig vergiftet, und dann hatte diese kleine Göre ja auch nichts Besseres zu tun, als mich in einen halben Vampir zu verwandeln.
Wenn dann bitte schön gleich in einen Ganzen.
Leider ist diese scheiß Göre dann auch noch verschwunden, und das meine suche nach ihr abenteuerlich war, ist noch annähernd untertrieben.
Darüber könnte man glatt ein Buch schreiben.
Deshalb mach ich das auch jetzt, und ich beginne einfach mal da, wo diese ganze Scheiße begonnen hat.
Beim täglichen Morgenanschiss meines alten Chefs, der rein zufällig auch noch mein Vater ist.
Ich bin übrigens Jiro, und mein Alter ist der Chef des größten Waffenlieferanten auf der ganzen Welt.
Normalerweise verabscheue ich den Dreckskerl ja, aber seine kräftige Statur hätt ich schon gerne geerbt.
Im Gegensatz zu diesem Zwei-Meter-Gorilla bin ich nur ein kleiner Hanswurst, von gerade mal 1,60.
Nur die schwarzen Haare und die perlgrauen Augen hab ich von ihm, doch das hat mir bisher reichlich wenig gebracht.
Oder wie würdet ihr das nennen, wenn euer Spitzname, in der Schule, Mr. Sandsack ist?
Mit der Statur meines Vaters hätte ich's ihm und diesen Typen zeigen können, aber so konnte ich nur den Kopf einziehen und beten, das ihm vielleicht vor Wut der Schädel platzt.
„Jiro, du bist eine Schande für die Familie. Ganz anders als dein Bruder“, pflegte er stets zu fluchen, während ich heimlich die Augen verdrehte.
Mir ging es nämlich immer wieder gehörig auf die Nerven, wenn ich auch nur ansatzweise mit meinem kleinen Bruder Zect verglichen wurde. Er wurde immer als das perfekte Kind angesehen, während ich nur ein missratener Fehler war.
Deshalb standen auch nur Bilder von ihm, auf dem Schreibtisch meines Vaters, doch dafür gab es noch einen weiteren Grund.
Ein Grund, dessen Bild in voller Lebensgröße, hinter dem Schreibtisch hang. Vor Jahren war nämlich unsere Mutter bei einem Autounfall gestorben, und dreimal dürft ihr raten, wer damals mit im Auto saß.
Ich natürlich, und laut meinem Vater war ich deshalb schuld an ihrem Tod, und nicht etwa der Drängler, dessen Vater zufällig ein Geschäftspartner meines alten Herrn war.
Natürlich schwamm mein lieber Bruder schön mit dem Strom, weshalb mich auch nie jemand im Krankenhaus besucht hat.
Na ja, mal ganz abgesehen von ihr.
Damals hab ich sie nämlich zum ersten Mal getroffen. Diese kleine Vampirin.
Es geschah drei Tage nach meiner Einlieferung, genau um Mitternacht.
Aus irgendeinem Grund bin ich, mitten in der Nacht aufgewacht. Es war Neumond, und so sollte es in meinem Zimmer eigentlich stockfinster sein.
Stattdessen erfüllte aber ein schwaches rotes Licht den gesamten Raum. Langsam richtete ich mich auf, und blickte dann genau in die Quelle des Lichts.
Es waren Augen, leuchtend rote Augen, die diese finstere Nacht in ein blutiges Licht tauchten.
Mit diesen Augen schaute sie mich an, und ein schauer der Ehrfurcht lief mir über den Rücken.
Dieses Mädchen mochte aussehen, als wäre sie erst zehn, doch ich spürte deutlich ihre Erfahrung, die sich wahrscheinlich über Jahrhunderte erstreckte. Gleichzeitig spürte ich aber noch etwas anderes, und das war ihr unglaublicher Blutdurst.
Ich konnte ihr Gesicht zwar nicht sehen, aber trotzdem wusste ich, dass sie bereit war mich zu töten.
Was meine Nervosität nicht gerade senkte, aber trotz allem war ich neugierig geworden.
„Wer bist du?“, fragte ich mit, zittriger Stimme, und wartete geduldig auf eine Antwort. Nicht das ich erwartete, eine zu bekommen. Eher würde die Kleine mich töten, aber wenigstens wollte ich vorher ihren Namen erfahren.
Ich weiß, das klingt komisch, aber damals hatte ich bereits mit meinem Leben abgeschlossen.
Logik kam für mich also nicht mehr wirklich in Frage.
Ich wartete also, und plötzlich weiteten sich ihre Augen vor Überraschung, und dann hörte ich sie.
Es war eine ganz leise und zarte Stimme, kaum zu verstehen, aber trotzdem verstand ich alles.
„Izora. Das ist mein Name.“ Zuerst wusste ich nicht, wie ich darauf reagieren sollte, denn schließlich hatte ich nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet.
Ich improvisierte also ein wenig, denn so langsam wurde meine Neugier immer stärker, und die war schon immer meine größte Schwäche gewesen.
Was mir aber nicht immer so ganz gutgetan hat, aber wenigstens damals war sie mir etwas nützlich.
Denn ansonsten hätte ich, das Gespräch wohl kaum weiterführen können.
„Izora also? Ein schöner Name.“
„Ist er nicht, und hast du eigentlich keine Angst?“
„Nö. Sollte ich die denn haben?“ Selbst, ohne ihr Gesicht zu sehen, konnte ich ihre Verwunderung spüren.
Aber wer kann ihr das schon verübeln. Schließlich halten mich selbst die meisten Menschen für seltsam, und auch ein wenig verrückt.
Genau dasselbe, muss auch sie gedacht haben, doch plötzlich seufzte sie.
„Verstehe, darum hast du keine Angst. Du bis ihm begegnet.“
„Wem begegnet“, fragte ich verwunderte, doch auf einmal vernahm ich etwas, dass mich stark an lachen erinnerte.
„Dem Tod, mein lieber, und jetzt schlaf. Er verliert nicht gerne seine Klienten, und wird dich mit Sicherheit nochmal aufsuchen.“ Nach diesen Worten bin ich wohl eingeschlafen, denn das nächste, woran ich mich erinnere, ist der Wecker.
An das Treffen mit Izora konnte ich mich danach allerdings nur noch vage erinnern, und habe irgendwann alles als Traum abgetan.
Bis zu jenem Tag.