Sie hatten den ganzen Tag miteinander verbracht. Es war ein warmer, sonnengeliebter Junitag, die Mehlschwalben flogen in schnellen Kreisen um die Häuser des Dorfes. Anna und Manuel hatten sich die ganze Zeit viel zu erzählen, lachten aus vollster Seele und schlenderten an dem kleinen kühlplätschernden Bach entlang. Nach all den Stunden der Aktivität war in ihnen der Samen der Erschöpfung gekeimt und der Zeitpunkt des Abschieds nahte. Kein Abschied für immer, aber ein Adieu für einen Tag, eine Woche oder vielleicht einige Monate. Wortlos schritten sie zur Bushaltestelle, die Sonnenstrahlen des Abends tanzten um sie herum und manche Pollenflocke streifte ihre Gesichter. Doch das interessierte beide nicht. Es war Zeit sich Lebewohl zu sagen und auf ein Wiedersehen zu warten. Lang umarmten sie sich, seine und ihre Atmung gerieten in Einklang miteinander. Als sie sich aus seinen starken Armen löste und sich zum Bus hin drehte, ergriff er ihre Hand. Langsam zog er sie zu sich. Das Licht der Abendsonne fiel ihm ins Gesicht. Seine tannengrünen Augen funkelten wie Smaragde und seine Wangen hatten ein erregtes rot eingenommen. Ihr Herz schlug schneller und sie zitterte, trotz der über dreißig Grad, am ganzen Leib. Sein Herz tat es ihrem gleich, fast fürchtete er es würde zerspringen oder aufhören zu schlagen, ehe der Moment vollkommen war. Ihre Gesichter kamen sich näher. Seine Lippen bewegten sich auf ihre leicht geöffneten Lippen zu. Mit sanftem Nachdruck zog er sie an ihrer Taille zu sich. Ihre Lippen berührten sich. Die Zeit stand still. Jeder Zeiger dieser Welt hörte auf zu schlagen und allmählich verloren sie das Gefühl für den Raum um sich. Es waren nur Sekunden voller Leidenschaft. Doch fühlten sie sich an wie Stunden voller Glück und Magie. Es war der einmalige Augenblick, den es nur ein Mal im Leben eines Menschen gibt: Der erste Kuss.
Beide wollten sich diesen Moment für immer in ihrem Gedächtnis und Herzen bewahren. Sie lösten sich und verloren sich in den Augen des anderen. Wortlos drehte sie sich um und stieg in ihren Bus. Er blieb an der Bushaltestelle stehen. Als der Bus zu fahren begann, verfolgte sein Blick das große Gefährt. Ein Lächeln hatte sich auf seine Lippen gelegt. Jenes Lächeln was auch auf ihren Lippen lag, als sich der Bus immer weiter von ihm entfernte, bis er als kleiner Punkt in der Landschaft verschwand. Tausende Gedanken schossen und flogen durch ihren roten Kopf, doch auf keinen einzigen konnte sie sich konzentrieren. Nur auf den einen, dass Gefühl als ihre Lippen sich berührten.