(Flash)
"Was hast du gemacht?" ich wandte den Blick nicht ab von den sich Herzenden, ich überlegte ob ich es weiter verantworten konnte, sie in Gefahr zu bringen.
"Nichts weiter, nur Lampenöl über den Arm geschüttet. Hier ist dein Ring, Chase, ich hatte ihn sorgsam aufbewahrt." Ach ja, der Arm, eine Narbe zog sich am jeweils linken Arm der Verschlungenen entlang.
Da klopfte es an der Tür. Ich schrak auf.
"Ich geh schon. Geh schon..." murmelte Dan nicht ohne noch einmal mitleidigen Blickes zu den Beiden zu blinzeln.
Die Tür knarrte. "Guten Abend. Kann ich etwas für sie tun?"
"Darf ich reinkommen? Ich möchte einen Freund besuchen." Ich erkannte die raue Stimme sofort.
"Béilo! Immer rein in die gute Stube! Lass ihn bitte rein, Dan. Er ist ein Freund." Ich war froh endlich mal wieder etwas von ihm zu hören. Die letzten zwei Tage waren bis auf die Sorge um Chase, Funny und Kevin so ereignislos verlaufen, dass es einem langweilig werden konnte.
"Hmmm“, schnüffelte er. „Riecht gut, was ist das?" waren seine Worte der Begrüßung, als er über die Wohnzimmertürschwelle trat. Er hatte noch immer seinen Mantel an und die Kapuze über.
"Pfefferminztee. Willst du auch welchen?"
"Nein danke, Flash, ich wollt nur mal vorbeischauen und fragen ob alles in Ordnung ist."
"Ach komm schon, ruh dich auch mal aus!" Ich hielt ihm die Hand hin, er griff zu und setzte sich dann auf dem Boden vor uns hin.
"Na gut. Nach dem Die mich ja so richtig auf Trapp hielten." Sein Daumen schwenkte in Richtung Funny und Kevin, die Beide eingeschlafen waren. Chase tat zwar so, als würde er schlafen, aber Béilo wusste genauso wie ich, dass er wach war.
"Wenn ich dann auch mal erfahren dürfte, wer Sie sind?" Burner hatte seinen Platz wieder eingenommen.
"Ist das so wichtig?" winkte der Snift ab.
"Béilo! Du musst ihm verzeihen, Dan. Er hat eine Art Menschenphobie..." feixte ich.
"Kann ich was dafür, dass Menschen was an meinem Aussehen nicht passt?!", fauchte er beleidigt.
"Ruhig bleiben, Béilo. Es war doch nur ein Scherz. Nein, es ist nur so, dass er ein waschechter Snift ist. Da hat man es nicht leicht."
Ich konnte Béilos Augen nicht sehen, aber ich wusste, dass sie mich anfunkelten. Seine Muskeln zuckten und er machte sich bereit zum Angriff.
"Ein Snift." Der Dok drückte die Worte durch seine Lippen nach außen, als wollten sie nicht hervorkommen. Kevin machte plötzlich die Augen auf und setzte sich aufrecht hin.
"Ich hätte nie geglaubt, das ich noch mal einen zu Gesicht bekomme. Kevin! Weißt du was das bedeutet!? Ihre Suche wird nicht erfolglos bleiben. Vielleicht werden sie sie finden..."
Kevin starrte Béilo lange an, bevor er aufsprang und umher hüpfend zu Singen anfing:
"Jajaja! Er wird sie finden. Sie wird sich freuen, sehr freuen. Sie sucht doch schon so lange!"
Béilo nahm die Kapuze ab, Neugierde funkelte aus seinen Schlitzaugen. Er beugte sich sogar ein Stück nach vorn, stützte sich auf seine Pfoten ab.
"Wen meint ihr? Einen anderen Snift? Gibt es noch einen Snift? Habt ihr ihn gesehen? Ihr müsst mir alles erzählen! Das wäre die erste Spur seit zehn Jahren und der erste Beweis, dass es noch welche außer mir gibt."
"Ja wir haben sie gesehen. Sie war hier auf der Durchreise, genauso wie du. Sie war verletzt, ein Dämon des Waldes hatte sie angegriffen. Ein paar Leute haben sie gefunden und zu mir gebracht."
"Hatten sie keine Angst vor ihr?"
"Nein, die Leute meinten, sie sei ein junges Mädchen, dass von einem Dämon verletzt worden und daraufhin selbst zu einer Art Dämon geworden war."
Béilo rümpfte die Schnauze.
"Ich hatte schon einmal ein Bild von einem Snift gesehen, das mir ein wandernder Gaukler gezeigt hatte, deshalb wusste ich, was sie war, wer sie war. Außer mir weiß nur Kevin davon, dass sie ein Snift war. Den Leuten im Dorf sagte ich sie sei an den Verletzungen gestorben, während sie weiter zog um nach ihrer Familie zu suchen..."
"Wissen sie wie sie hieß?" Béilo schluckte schwer. Er platzte beinahe vor Freude und hatte schon Tränen in den Augen.
"Sie sagte uns nur sie hieße Bärenkralle. Das sei die Bedeutung ihres Namens. und sie gehöre dem Stamm der Aikitsch an."
"Augensammler? Das waren entfernte Verwandte meines Stammes! Bärenklaue heißt in meiner Sprache Káilanba. Hat sie gesagt wo sie hin möchte?"
"Nein. Leider nicht." Kevin lies den Kopf hängen.
"Wie alt war sie denn?"
"Sie sagte 48 Sniftjahre." stutzte Dan.
"Also 16 Menschenjahre. Und wie lange ist das her?"
"3 Jahre, wenn ich mich nicht irre", überlegte der Dok.
"3 Jahre, 2 Monate, 7 Tage, 16 Stunden und 35 Minuten", schoss es aus Kevin heraus.
"Sie ist in westlicher Richtung verschwunden gerade, als die Sonne aufging."
"Das ist zwar unser Weg, aber wenn du ab jetzt lieber alleine weitersuchen möchtest, habe ich dafür vollstes Verständnis. Wir können aus guten Gründen nicht schneller, als du allein, das weißt du." brach ich die lange Schweigepause, die eingetreten war.
Der Snift schüttelte den Kopf.
"Vielleicht hab ich mich nicht immer so verhalten, aber ich schätzte die lange Einsamkeit zuvor nicht, die mich überall hin begleitet hatte. Ob ich nun auf eigene Faust suche oder bei euch mitkomme ist egal. Mir wärs lieber, wenn ihr mich nicht wegschickt." Er lächelte, so entspannt hatte ich ihn noch nie gesehen. Endlich wusste er, dass seine Suche nicht umsonst sein würde. Und ich?
"Dok? Wie sieht es aus? Habe ich Starterlaubnis für morgen früh?"
"Dein Bein ist zwar noch nicht ganz ausgeheilt, aber deine Stimme hört sich halbwegs gesund an und deine Lungenentzündung ist dank moderner Medizin auch schon abgeklungen. Wenn du mir versprichst vorsichtig zu sein und dich zu schonen, ja, dann kannst du morgen los."
"Sehr gut, dann ab ins Bett, wir müssen mit den Hühnern aufstehen!"
*
(Béilo)
Mitten in der Nacht wachte ich auf. Es zog mich nach draußen, an die frische Luft. Leise öffnete ich die Tür und schlich mich hinaus. Aus den eng gegenüberliegenden Hauswänden standen hier und da kleine Brocken heraus, an denen ich mich nach oben hangelte. Vom letzten Brocken bis zum Dach waren es nur einige Meter, die ich gekonnt mit einem Sprung überwand. Von dort oben konnte man den Sternenhimmel sehen. Während ich versuchte in ihm die Geschichte meiner Vorfahren zu lesen, summte ich ein Lied, dessen Text mir schon vor langer Zeit entfallen war.
"Das ist ein sehr schönes Lied. Worum handelt es sich?"
"Miauoo!" Hätte ich mich nicht im letzten Moment festgekrallt, läge ich wohl schon zwischen den Häusern am Boden. "Hast du noch ein Hirn? Du kannst mich doch nicht so erschrecken, Kevin!"
Ich kletterte vom Randstein des Dachs auf die große Dachterrasse auf der der kleine Junge stand und sich köstlich über mich amüsierte.
"Haha. Hm. Und du? Was guckst du nachts in die Sterne?"
"Hat dir das Káilanba nie erzählt? Wir Snift glauben, dass die Geschichte unseres Volkes in den Sternen geschrieben steht. Aber ich habe verlernt sie zu lesen", fügte ich traurig hinzu.
Kevin sah zum Himmel hoch. "Siehst du den ganz hellen Stern da? Daneben, da ist doch noch einer und dazwischen sind viele Kleine und einer sieht irgendwie komisch aus."
"Ach, das meinst du, dieser kleine Haufen Sterne da." Nach einigen Suchen fiel auch mir das seltsame Bild auf.
"Ich stell mir immer vor, einer von den Zwei großen wäre Bärenklaue und der Andere ein anderer Snift, den sie endlich gefunden hatte. Und die Kleinen wären ihre Kinder. Und der Komische, das..."
"...das wärst du..."
"Hm...das is so doof. Ich hatte sie wirklich gern. Sie war wie eine neue Mama." Schniefend rieb er sich die Augen. Ich wusste nicht was ich machen sollte, also legte ich ihm einfach den Arm um die Schulter und versuchte ihn aufzumuntern:
"Sie hat dich bestimmt auch sehr lieb, aber du musst auch sie verstehen. Für sie ist es so, als wäre sie ganz alleine auf der Welt. Sie wollte nur jemanden sehen, der so aussieht wie sie selbst."
Es war, als würde ich von mir selbst reden. Da sah er mir in die Augen.
"Musst du auch weg? Du könntest doch hier bleiben!" flehte der Kleine mich an.
"Aber mir geht es doch genauso wie Káilanba... verstehst du das denn nicht?" Seine Augen, gerade noch mit Tränen überflutet, hellten sich auf und blitzten mich an:
"Aber wenn du sie gefunden hast, kommt ihr mich mal besuchen, ja?
"Hahaha, ganz bestimmt, Kevin, ganz bestimmt!" Lachend verwuschelte ich seine blonden Haare. Da klammerte sich Kevin an mir fest, genauso wie Gothank, wenn er mal wieder zu faul zum Laufen war.
"Wenn“, schniefte er. „...wenn du sie gefunden hast, sag ihr liebe Grüße von ihrem Kevin."
Ich nahm ihn huckepack und brachte ihn ins Bett.
"Auf jeden Fall!", flüsterte ich noch, während er schon einschlief.
Nachdem ich noch ein letztes Mal schmunzelnd den kleinen Haufen Sterne am Horizont betrachtet hatte, legte auch ich mich zur Ruhe um noch die letzten Stunden vor der Abreise zu schlafen.
*
(Flash)
Am nächsten Morgen um 6 Uhr packten wir das Nötigste zusammen: leichtes Gepäck, dass zumeist aus Nahrung bestand; die Schwerter, die der Dok freundlicherweise für uns gepflegt hatte und unsere frisch gewaschenen Umhänge. Dan und Chase holten die Pferde aus den Mietboxen und bezahlten den Lohn für Verpflegung und Standplatz gleich vor Ort.
Nach dem kräftigen Frühstück um halb 7 Uhr verabschiedeten uns auf der Straße von unserem neuen Freund.
"Hier Flash," Dok reichte mir einen großen Lederbeutel. " Heilkräuter und Lampenöl. Béilo, denk ich, kennt die Kräuter und ihren Gebrauch. Und ein paar belegte Brote und Getränke sind auch dabei, damit ihr nicht gleich alle Vorräte verbrauchen müsst und ein wenig Wegzehrung zur Hand habt.
Sei dir unserer Glückwünsche und unserer Gebete bewusst, wenn du in Schwierigkeiten geraten solltest. Und komm uns mal besuchen."
"Danke, dir auch viel Glück. Und wenn ich Cenishenta gefunden habe, komme ich wieder und erzähl euch wie es war." Mit festem Händedruck machte ich ein Versprechen daraus.
"Béilo, ich wünsch dir alles Glück der Welt, dass du deine Familie und auch Káilanba findest. Kaim cuella, eiret tai." (Bring sie zurück, bitte.)
"Hcem cxirs oty, koim cualla." (wörtl.: Alles hat seinen Sinn, ich bringe sie zurück. bedeutet hier: Wenn es so sein soll, werd ich sie finden.)
Es war bereits das zweite mal, dass ich diese Sprache hörte. Es muss wohl sniftisch sein, dachte ich.
Ein Wiehern ließ mir das Herz in den Umhang rutschen.
"Falum!" tonlos sprach ich den Namen meines geliebten Kornhoffners aus. Er stand direkt hinter mir und sein heißes Schnaufen lies meine Nackenhaare zu Berge stehen. Ich lachte, drehte mich um und klopfte ihn von oben bis unten ab, dass es nur so staubte, tätschelte ihn und musterte ihn aufs Genaueste. Falum stupste mich ein wenig in die Seite, das war seine ganze Begrüßung, meinte ich jedenfalls.
"Er will wissen, wie es um dein Bein bestellt ist." deutete Béilo die Reaktion meines Pferdes.
"Jedenfalls gut genug um zu reiten!" Ich hatte mich so gefreut, dass ich Lamor und Askrim mit ihren Reitern gar nicht richtig bemerkte..
"Auf Wiedersehen, Doktor Daniel Burner! Vielen Dank, dass sie das Unglück wieder ins Glück gewendet haben!", bedankte sich Chase und drückte Dan die Hand.
Funny fügte hinzu: "Wir kommen bei der Rückreise sicher noch mal vorbei. Danke auch, wegen meinem Arm...", lächelte sie.
"Nicht doch, nicht doch, Kinder...hahaha" Dan drückte jeden noch einmal lachend. "Bis zu unserem nächsten Wiedersehen. Seid vorsichtig, achtet auf DIE wenn es dunkel wird! Sie sind noch lange hinter den Stadttoren präsent! Bring sie gut durch diese wirre Stadt, mein Junge." rief er uns noch hinterher bevor wir mit Kevin davon ritten.