Die Seiten der Zeitung flattern im Wind und das Papier raschelt unter meiner Berührung. Ich ziehe meinen Mantel enger um mich und meine Kapuze tiefer ins Gesicht. Der Wind ist heute echt kalt und ich möchte nicht, dass er mir die Kapuze vom Kopf bläst. Ich blättere schnell weiter und lese den Artikel auf der nächsten Seite.
Darauf ist ein Bild von einem jungen Mädchen mit dunkelbraunen Haaren und ozeanblauen Augen zu sehen. Sie sieht weder richtig glücklich noch richtig traurig aus. Sie blickt einfach neutral in die Kamera, doch ihr Lächeln wirkt aufgesetzt. Sie trägt ein hellblaues Top und eine weiße Shorts. Im Hintergrund ist ein kleines Wäldchen zu erkennen. Das Mädchen selbst steht steif auf der Wiese. Aus diesen Komponenten lässt sich erschließen, dass das Foto irgendwann im Sommer aufgenommen wurde. Es scheint als wäre sie gezwungen worden das Foto zu machen.
Mein Blick wandert weiter zum dick gedruckten Titel des Artikels unter dem Bild und lese ihn in Gedanken:"Mädchen aus Waisenhaus verschwunden!" 'Wow, wie Nichts sagend' ist der erste Gedanke, der mir kommt. Sie haben den Namen...des Mädchens...erwähnt. Jeder normale Bewohner würde den Artikel einfach überspringen. Es scheint als wollten sie das Mädchen gar nicht wirklich finden.
"Hallo gute Frau", sagt plötzlich jemand vor mir. Ich hebe den Kopf und schirme meine Augen der Hand von der Sonne ab, um den Sprecher erkennen zu können. Es ist eine Frau in eleganter Kleidung. Ihr Haar hat sich vornehm nach oben gesteckt. In den Händen hält sie einen kleinen Weidenkorb. Ich brauche die Münzen darin gar nicht zu sehen, um zu wissen, was sie von mir will. Sofort wir mein Blick kalt und gefühllos:"Was sollten sie?" Sie blinzelt kurz, verwundert über meinen Tonfall:"Ich wollte sie um eine kleine Spende für die..." Ich lasse sie gar nicht aussprechen:"Nein! Können sie jetzt bitte verschwinden? Sie stehen mir im Licht." Der Frau fällt die Kinnlade herunter, doch sie verschwindet nicht:"Was sind das denn für Manieren mein Kind. So verhält sich doch keine Lady." "Da bin ich ja froh, dass ich gar nicht erst versuche eine Lady zu sein. Könnten sie jetzt bitte die Biege machen? Ich will echt nicht für ihren Vollidiotenverein spenden!" Sie verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich streng an. Ich verdrehe die Augen. Ich hasse ihres Gleichen und da bin ich nicht die Einzige. Sie sind auf fast dem ganzen Planeten verfasste Weggefährten und so gut wie Jeder ist froh sie los zu sein, nachdem sie einem über den Weg gelaufen sind. "Vollidiotenverein? Da muss ich mich wohl verhört haben", gibt sie zurück. Wieso gibt sie es nicht einfach auf und geht? "Nein, ihre Ohren funktionieren bestens und jetzt verziehen sie sich", ich nehme einen Stein, der neben mir auf dem Boden liegt, hebe ihn auf und werfe ihn fest auf sie. Sie schreit erschrocken auf und stöckelt auf ihren hohen Schuhen weg. Eigentlich tue ich sowas nicht und ich weiß auch, dass man sowas nicht tut, doch anders wird man diese verdammten Wisper einfach nicht los.
Sie nerven Jeden egal, ob er nun beschäftigt aussieht oder nicht. Sie sammeln Spenden, um sie dann für Opfergaben an die Elementarier zu verschwenden. Die Wisper sind eine Gruppe von Seraphinen, die als Einzige noch an die alten Legenden unseres Planeten glauben. Sie sind fest davon überzeugt, dass die Legenden stimmen und dass sie die nächsten Auserwählten der 'großen Welterschaffer' sind, wenn sie spenden für diese Sammeln und Dinge opfern.
Für Leute, die sich nicht so gut mit der Kultur Secrarity auskennen, muss diese ganze Elementarier-Seraphinen-Wisper-Dings ziemlich merkwürdig und verwirrend sein. Ich würde es so jemandem so erklären:' Laut den Legenden unserer Vorfahren ist unsere Zivilisation vor mehren tausenden von Jahren entstanden, weil die Elementarier Kinder mit den Menschen gezeugt haben. Die Gemeinde der Menschen wollte, aber solche Kinder nicht in ihre Gesellschaft aufnehmen, weshalb die Elementarier einen neuen Planeten für ihre Kinder erschaffen haben, damit sie dort behütet und sicher leben können. Da ihre Kinder halb Mensch und halb Elementarier waren, gaben sie ihrer Gemeinschaft den Namen Seraphinen. Den Planeten nannten sie Secrarity. Er wurde nach dem Vorbild der Erde erschaffen, weshalb es viele Dinge gibt, die hier wie auf der Erde sind. Im Gegensatz zu den Menschen achten wir jedoch mehr auf die Natur und unseren Planeten, damit wir nicht in die gleichen Schwierigkeiten geraten wie die Menschen. Dadurch ist unsere Technologie jedoch auch ein wenig unterentwickelter und wir legen mehr Wert auf ein einfaches Leben. Mittlerweile sind die Einzigen, die an diese Legenden glauben aber nur noch die Wisper. Im Großen und Ganzen sind sie auch einfach nur Seraphinen, denen wir einen anderen Namen gegeben haben, damit wir nicht eingestehen müssen, dass sie zur selben Art gehören wie wir. Das wissen wohl auch die Wisper, weshalb sie den Namen auch nicht wirklich akzeptieren. Sie verabscheuen uns und wir verabscheuen sie. So läuft das halt auf diesem Planeten. Es wundert mich aber echt, dass noch kein Krieg zwischen uns ausgebrochen ist. Wahrscheinlich weil die Wisper Angst haben einen "Auserwählten" umzubringen. Die Sache mit den "Auserwählten" ist nebenbei gesagt genau so lächerlich wie der Rest der Legenden. Es gibt nämlich noch eine Legende, die besagt, dass die Elementarier ihre Kräfte immer an die Neugeborenen der nächsten Generation weiter geben, damit die Kräfte nicht verloren gehen. Damit die Kinder weiterhin das Gleichgewicht auf dem Planeten waren können. Die Elementarier hatten nämlich die Kräfte, die wichtig sind, um unseren Planeten zusammen zu halten. '
Genau so würde ich es erklären. Kein normaler Bewohner dieses Planeten glaubt an die alten Legenden. Sie sind einfach viel zu skurril. Allein die Vorstellung, dass Kinder die Macht haben sollen den Planeten zu beherrschen ist lächerlich.
Selbst wenn es solche Kinder geben würde, wären sie sicher abgehoben und würden sich einen Dreck um die Seraphinen scheren. Und wann wir soll ein Kind dann dafür ausgesucht werden. Vielleicht wenn es ein besonderes Muttermal am Fuß hat oder wenn das Kind als Kleinkind schon eine perfekte Sonne malen konnte?
Das ist so albern. Ich erhebe mich von den kalten Pflastersteinen auf denen ich gesessen habe. Mein Po tut schon weh so lange habe ich gesessen. Ich muss mir unbedingt die Beide vertreten. Langsam hebe ich die Zeitung auf und lauf durch die Gasse.
Die Zeitung werfe ich einem kleinen etwa zehn Jahre alten Jungen zu, der mich fragend ansieht. Ach stimmt ja, zehn-jährige Lesen keine Zeitung. Ich ziehe einen Beutel auf meiner Manteltasche und spiele damit herum. Die Wisper am Ende der Gasse starrt gierig darauf. Ich muss lachen. Das ist so armselig.
Ich lasse meinen Blick durch die Gasse wandern. Es schmiegen sich Häuser aus dunklem Stein eng aneinander und verleihen der Gasse ein leichtes Gruselflair. Auch der Boden ist aus dunklem Stein. Vielleicht ja sogar aus dem Gleichen. An den Hauswänden, an denen keine spielenden Kinder oder armen Frauen und Männer sitzen, stehen, ebenfalls aus dunklem Material gemachte, schmale Verkaufsstände an denen Nahrungsmittel und Andenken verkauft werden.
Ich bin irgendwie gerne hier. Hier fühle ich mich wenigstens nicht so fehl am Platz wie in den anderen Gegenden der Stadt. Leider habe ich hier nie gewohnt. Ich lasse meinen Blick über die Stände und die Menschen wandern. Mir fällt ein kleiner Junge auf, der gerade einen Apfel von einem Verkaufstisch nimmt und in seine Manteltasche steckt. Ich sollte etwas dazu sagen, tue es aber nicht. Ich habe keine Ahnung von seinem Leben und will es ehrlich gesagt auch nicht. Es könnte ja sein, dass er zuhause nicht genug zu essen bekommt oder dass er schon in seinem Alter die Familie ernähren muss. Ich habe keine Ahnung, also lasse ich ihn einfach machen und gehe weiter. Schließlich habe ich ein Ziel.