"Wie genau hast du dir das vorgestellt, Dipper? Wir können uns nicht trennen! Wir sind die Geheimnis-Zwillinge!", rief Mabel aufgebracht und lief in ihrem gemeinsamen Zimmer auf und ab. "Mabel, aber du möchtest doch...", fing Dipper an, doch seine Schwester unterbrach ihn sofort. "Was ich möchte ist egal, Dipdop! Was du möchtest, ist egal! Was wir möchten, das zählt. War das nicht immer so? Wir gegen den Rest der Welt?", fragte Mabel und sah ihn mit ihren riesigen Augen an. Dipper hasste es, wenn sie dies tat. Dann konnte er ihr niemals einen Wunsch abschlagen. "Mabel, es wären doch nur drei Jahre. Und es wäre ja nicht so, das wir uns gar nicht mehr sehen könnten.", versuchte Dipper seine Schwester zu beruhigen. "Nein! Du hättest keine Zeit mehr für mich, weil du dann ständig mit deinen Nerdfreunden abhängen würdest!", Tränen stiegen ihr in die Augen. Am liebsten hätte Dipper angefangen auf etwas herum zu kauen, aber er versuchte nun seit Jahren dieser furchtbaren Angewohnheit nicht mehr nach zu kommen. "Mabel, du wirst für immer meine Nummer Eins bleiben. Das verspreche ich dir. Komm schon Mabel, Geheimnis-Zwillingsversprechen.", Dipper streckte die Hand nach seinem Zwilling aus. Doch diese drehte ihm den Rücken zu und begann zu schluchzen. "Mabel, das ist wirklich unfair...", murmelte Dipper. "Unfair ist, das du mich alleine lässt.", schniefte sie. "Ich... Mabel, ich würde dich niemals alleine lassen. Wie könnte ich dich auch alleine lassen?", fragte Dipper und stand von seinem Bett auf. Vorsichtig ging er hinüber zu Mabels Seite des Zimmer. "Mabel, du wolltest doch schon immer an diese komische Designer-Schule. Und jetzt ist deine Chance! Mum und Dad haben es dir ermöglicht. Du kannst Mode für Schweine machen, wie du es schon immer wolltest." "Aber nicht mit dir...", schluchzte Mabel. Dipper setzte seine Cap ab und kratzte sich am Hinterkopf. "Mabel... Irgendwann... Ach Mann, Mabel, mach es mir doch nicht noch schwerer als dieser Abschied schon ist.", flüsterte er und starrte seinen Zwilling an. Diese drehte sich wieder zu ihm um. Ihr leichtes Make-Up, welches sie gar nicht nötig hatte, wie Dipper fand, war verschmiert und sie sah aus, wie ein kleiner Panda. Mabels lange, braune Haare waren zu einem lockeren Dutt zusammen gebunden, einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht und ließen sie noch trauriger wirken, als sie es sowieso schon war. Dipper unterdrückte ein Stöhnen. Mabel kaute auf ihrer Lippe herum. Man sah ihr an, das sie nicht weiter wusste. "Pass auf Mabel, ich verspreche dir etwas. Wir werden jedes Wochenende, wirklich jedes Wochenende Skypen. Und ich schreibe dir jeden Abend einen genauen Bericht was am Tag passiert ist. Und in den Ferien wechseln wir uns ab. Mal kommst du zu mir und mal komme ich zu dir.", versuchte Dipper einen Kompromiss zu finden. "Jeden Tag?", Mabel wischte sich mit ihrem blinkenden Pullover über die Nase. "Jeden Tag.", versprach Dipper lächelnd. "Aber das gleiche gilt auch für dich. Jeden Tag und jedes Wochenende wird geskyped.", fügte er schnell hinzu.
Letztendlich hatte Mabel zugestimmt. Erleichterung machte sich in Dipper breit. Natürlich, es war auch furchtbar schwer für ihn Mabel zu verlassen. Aber sie würden bald 18 werden und bald war es Zeit für sie, das Nest zu verlassen, wie sein Großonkel Stan immer sagte. Auch ihre Eltern waren dieser Meinung. Sie konnten nicht für den Rest ihres Lebens nur Zeit miteinander verbringen. Sie mussten hinaus in die weite Welt und neue Leute kennen lernen. Sich weiterbilden. Ihr Leben leben. Aber es war einfacher gesagt als getan. Vor allem, wenn man so wie Dipper und Mabel, ihr komplettes Leben miteinander verbracht hatte. Ihre Eltern verstanden diese Beziehung nicht. Mabel war Dippers bester Freund, genau wie Dipper Mabels bester Freund war. Sie hatten gemeinsam ihre größten Abendteuer erlebt. Großonkel Stan und Großonkel Ford sollten sie doch am besten verstehen und nicht jedes Mal versuchen, die beiden Geschwister auseinander zu bringen.
Seufzend packte Dipper die letzten Reste seiner Kleidung in den Koffer, dann zog er den Reisverschluss zu. "Du fährst jetzt schon...?", hörte er seine Schwester hinter sich. Dipper drehte sich um und sah Mabel im Türrahmen stehen. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt. "Am Samstag. Stan und Ford warten dann auf mich.", erklärte Dipper. "Okay...", flüsterte Mabel und wieder konnte Dipper Tränen in ihren Augenwinkeln sehen. "Hey, nicht weinen. Wir haben uns doch etwas versprochen, oder nicht?", lächelte er aufmunternd. "Richtig.", nickte sie und schon waren die Tränen wieder verschwunden. "Siehst du. Und jetzt, wie wäre es, wenn ich dich auf ein Eis einlade?", grinste Dipper. "So viele Kugeln wie ich möchte?", hauchte Mabel ehrfürchtig. Dipper bereute diese Antwort bereits, aber nickte dennoch. Sofort machte Mabel Freudenspringe.
Kopfschüttelnd folgte er ihr hinaus, zu seinem Wagen. Zum 17. Geburtstag hatte ihr Dad ihnen beiden den Führerschein finanziert. Weil, man konnte ja nie wissen wann man mal einen Wagen brauchte, um seine Worte zu zitieren. Allerdings hatte Mabel dieses Geschenk abgelehnt, weil es reichte ja, wenn einer der beiden Auto fahren konnte. Und da die beiden fest davon ausgegangen waren, das sie sich niemals trennen würden, war es beschlossene Sache. So hatte Dipper seinen Führerschein gemacht und Mabel hatte ihr Geld für lustig bedruckte Stoffe ausgegeben.
"Ganz ehrlich, ich bin schon ganz aufgeregt.", Mabel hüpfte förmlich in ihrem Sitz herum. "Mabel, bleib ruhig sitzen, ansonsten lenkst du mich ab und dann fahren wir in einen Baum.", maulte Dipper und konzentrierte sich auf die Straße, welche heute wieder einmal außerordentlich stark befahren war. Es war schönes Wetter, viele der Einwohner fuhren ins örtliche Freibad oder den See von Piedmont um in der Sonne zu liegen oder sich abzukühlen. Dipper fürchtete sich vor der Schlange an der Eisdiele, welche er eingeplant hatte. "Aber Dipping Sauce! Ich kann endlich Mode für Waddles machen!", rief Mabel aufgeregt und kramte aus ihrer Hosentasche eine Packung Lutschbonbons heraus. Dipper vermochte nur zu raten, wie lange die Dinger schon da drinnen waren. Diesen Sommer hatte Mabel diese Hose auf jeden Fall noch nicht getragen, so viel war sicher. Sie warf sich eines der Bonbons in den Mund und fing dann an, die Melodie ihres Lieblingsliedes zu summen. "Mach das Lied doch einfach an.", brummte Dipper. "Du klingst schon wie Grunkle Stan.", lachte Mabel und schaltete das Radio an. Dann wechselte sie auf den CD-Player und schon dröhnte 'Disco Girl' von BABBA aus den Boxen. Seufzend schüttelte Dipper den Kopf, blieb aber stumm. Mabel tanzte wie verrückt zur Musik. Nun gut, viel Bewegungsfreiheit hatte sie nicht, aber irgendwie schaffte sie es dennoch, exotische Bewegungen zu vollführen. Dipper konnte nur hoffen, das seine Schwester sich keine Knochen brach oder andere Verletzungen zu zog. Oder noch schlimmer, seinen Wagen zerstörte.
Nachdem Dipper einen Parkplatz gefunden hatte, welcher nicht in der Mittagssonne lag, sprang Mabel aus dem Wagen, noch ehe Dipper den Wagen ausgeschaltet hatte und rannte davon. Seufzend sah Dipper ihr hinterher und ließ seinen Kopf auf das Lenkrad fallen. Ein lautes Hupen ertönte und erschreckte eine Familie, welche gerade an seinem Wagen vorbeigingen. Dipper machte sich so klein es ihm möglich war. Dann schaltete er den Wagen aus und stieg ebenfalls aus. Von Mabel war keine Spur zu sehen. "Manchmal...", murmelte er, steckte die Schlüssel ein und schulterte seine Tasche.
Er lief über den Parkplatz, bis er Mabel entdeckte. Sie stand bei einem kleinen Verkaufsstand und besah sich die Blumen, welche der alte Mann ausstellte. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte breit. Dann winkte sie ihm zu. Lächelnd ging er zu ihr. "Dipper, welche Blumen soll ich nehmen? Die weißen oder die blauen?", fragte sie, als er bei ihr angekommen war. "Die Weißen.", zuckte er mit den Schultern. "Du hast nicht mal hingesehen. Das haben sie auch gesehen oder?", fragte Mabel den Mann aufgeregt. Dipper verdrehte die Augen, dann besah er sich die Blumen. "Die Weißen. Und ich habe hingesehen. Jetzt hör auf den armen Mann zu belästigen, nimm die Blumen und lass uns Eis essen gehen." "Dipper du bist langweilig. Was sagen sie, welche sollte ich nehmen?", fragte Mabel und lächelte den alten Mann an. Dieser legte den Kopf schief. "Wie ihr Freund schon sagte, nehmen sie die Weißen.", lächelte er. Dipper und Mabel starrten ihn mit offenen Mündern an. "Das.... Das ist nicht...", stotterte Mabel. "Wir... Oh Himmel! Das ist meine Schwester!", zischte Dipper. Der alte Mann lachte nur, dann reichte er Mabel die Blumen. "Ich schenke sie ihnen, junge Frau. Als Entschuldigung." Mabel nahm die Blumen entgegen. "Vielen Dank.", lächelte sie.
Endlich hatten sie es in die Innenstadt geschafft. So lange hatten sie für den Weg noch nie gebraucht. So viele Menschen konnten bei diesem Wetter doch nicht unterwegs sein. Dipper wollte am liebsten auf irgendetwas herumkauen. Er mochte diese großen Menschenmengen nicht. Sie machten ihn nervös. Das letzte Mal als er einer großen Menschenmenge gegenüber stand, waren sie alle zu einem riesigen Steinthron gestapelt gewesen. Nervös zuckte Dippers Auge, bei dem Gedanken an die Fearamid und deren Besitzer. "Alles gut?", fragte Mabel besorgt. "Ich hab nur gerade an den Sommer gedacht, als wir 12 waren.", murmelte Dipper. "Hey, Brobro! Keine Panik. Denk nicht mehr dran. Bill ist Geschichte.", munterte sie ihn auf. Dipper nickte. Einfacher gesagt als getan. Bill Cipher hatte seinen Körper übernommen und nicht ihren. Bill Cipher hatte ihn beinahe getötet und nicht sie. "Schau mal, die Eisdiele ist ganz leer! Lass uns schnell hin, ehe sie voll wird!", rief Mabel aufgeregt und zog ihn hinter sich her. Stolpernd folgte Dipper ihr und die dunklen Erinnerungen an ihre Kindheit waren vergessen.
Dipper wusste, dass er die Entscheidung bereuen sollte, Mabel so viele Kugeln Eis zu versprechen, wie sie wollte. Sein Geldbeutel dankte ihm bestimmt nicht, nach dieser um ganze zehn Dollar leerer war. Nachdem Mabel stolz mit ihren sechs Kugeln Eis aus der Eisdiele marschierte, folgte Dipper ihr, mit seinen zwei Kugeln hinaus. Traurig streichelte er über den leerer wirkenden Geldbeutel. "Lass uns noch ein wenig Schaufensterbummel betreiben.", grinste Mabel ihn an. "Wieso?", fragte Dipper. "Nur so. Wieso muss bei dir eigentlich immer alles einen Grund haben?", zog sie ihn auf. Dipper verdrehte die Augen. Nicht alles hatte einen Grund bei ihm. Manchmal tat er auch Dinge, weil er Lust darauf hatte und nicht weil er einen Grund dafür hatte.
Wieder zerrte sie ihn hinter sich her, als wäre er ein Hund. "Mabel, ich kann alleine laufen. Und außerdem schmilzt dein Eis gerade.", Dipper riss seinen Arm aus ihrem Griff los. "Was? Oh je!", maulte Mabel und fing an den Papierbecher sauber zu lecken. "Mabel!", schimpfte Dipper. Wieso konnte seine Schwester sich nicht einmal in der Öffentlichkeit benehmen? Mit Hochrotem Kopf ging er weiter. "Warte auf mich!", rief sie ihm nach, doch Dipper ging einfach weiter.
"Das wäre doch etwas für dich oder nicht?", fragte Mabel und zupfte an seinem Shirt. Dipper blickte auf und erkannte sofort was Mabel meinte. Es war eine Weste, auf dessen Rücken ein riesiger Baum abgedruckt war. "Nein. Im Leben nicht. Mir reicht mein Cap.", sagte er und richtete dieses. "Aber Dipdop! Das ist dein Markenzeichen.", rief Mabel empört. "Na und? Ich trage es doch schon auf dem Kopf. Das sollte reichen.", sagte Dipper mit verschränkten Armen. Mabel sah ihn wieder mit diesen riesigen, traurigen Augen an. "Ahh.... Mabel du machst mich fertig. Ich werde sie mir nicht kaufen.", Dipper blieb standhaft. "Aber wenn ich sie dir kaufe, kannst du nicht nein sagen. Hier halt das, ich bin sofort wieder da.", rief Mabel, ehe sie in das Geschäft flitzte. Seufzend sah Dipper ihr hinterher.
Eine halbe Stunde verging, ehe seine Schwester wieder kam. Das schlimmste daran war allerdings, dass sie nicht nur eine Tüte in der Hand hielt, sondern vier. "Will ich es wissen?", fragte er vorsichtig. "Nein.", grinste seine Schwester breit. "In Ordnung.", murmelte er und beäugte ein letztes Mal die Tüten. "Also, neben der Weste habe ich noch zwei Hosen, drei Shirts und zwei Sweatshirts gekauft. Du hast eindeutig zu wenig Klamotten. Wie willst du denn mit nur einem Koffer, drei Jahre auskommen?", fragte Mabel grinsend. "Du hast... Mabel du... manchmal frage ich mich wirklich wie es sein kann, dass du nicht ständig pleite bist.", sagte Dipper. "Aber danke." "Nicht dafür, kleiner Bruder.", grinste Mabel. Dipper verdrehte die Augen. Als sie 12 waren, war Mabel größer als er. Aber das hatte sich geändert, als sie 16 wurden. Nun war Dipper größer als Mabel. Doch das hielt seine Schwester nicht davon ab, ihn immer noch so zu nennen.
"Wollen wir dann langsam zurück? Ich wollte noch einige Sachen einpacken.", sagte Dipper. "Schon? Es wurde doch gerade so lustig.", schmollte Mabel. "Komm schon Mabel, wir haben noch drei Tage, an denen können wir auch noch lustige Sachen machen.", schlug Dipper vor. "Und zwar?", fragte sie und strich sich eine der lockeren Strähnen aus dem Gesicht. "Wie wäre es mit... Wir könnten an den See an unsere gemeinsame, geheime Stelle gehen. Oder wir fahren morgen Nacht an den Aussichtspunkt. Es gibt einen Sternschnuppenschauer.", schlug Dipper vor. Sofort war Mabel begeistert.
Als sie zuhause ankamen, wurden sie gleich von ihren Eltern begrüßt. Es war ein seltenes Ereignis, das die komplette Pines-Familie mal an einem Tisch saß und meistens bedeutete das nie etwas gutes. "Hey Mum! Hey Dad!", begrüßte Mabel ihre Eltern. "Hallo Mabel. Wie wär euer Tag?", fragte ihre Mutter. "Lustig. Dipper hat mir sechs Kugeln Eis ausgegeben.", strahlte Mabel. "Mason, du sollst doch nicht immer so viel Geld ausgeben.", rügte sein Vater ihn. "Was? Aber... Es tut mir leid.", murmelte er und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen. Jedes Mal bekam er Ärger, wenn er Geld ausgab. Mabel nie. Manchmal war sich Dipper sicher, das seine Eltern Mabel deutlich mehr liebten als ihn. "Setzt euch, wir haben euch etwas wichtiges mitzuteilen.", sagte sein Vater und legte endlich die Zeitung beiseite. Das war auch ein Punkt, der Dipper störte. Sein Vater sah ihn nie an, wenn er mit ihm schimpfte. Als wäre Dipper und seine 'Schandtaten', nur eine Kleinigkeit, die zwar bestraft, aber nicht beachtet werden musste. Mit Mabel war es da anders. Sie wurde von ihren Eltern angesehen.
Langsam setzten sich die Zwillinge an den Tisch. Ihre Eltern blickten sie ernst an. "Wir werden Morgen früh abreisen. Einige Freunde haben uns eingeladen, unseren Urlaub bei ihnen zu verbringen. Deswegen werdet ihr ebenfalls Morgen früh abreisen. Deine Großonkel sind bereits informiert. Und deine Schule ebenfalls.", sagte sein Dad. "Was? Aber... Ich dachte Dipper verlässt mich erst am Samstag!", rief Mabel entrüstet. Dipper konnte seinen Ohren nicht trauen. Hatte er seinen Vater richtig verstanden? Er sollte sich früher als nötig war, von seiner Schwester trennen? "Kein 'Aber'. Ihr seid alt genug. Deswegen wäre es nun besser, wenn du deine Taschen packst, Mabel. Dann können wir morgen früh pünktlich um 6 Uhr los. Dein Flugzeug startet eine Stunde später. Und du wirst ja höchstwahrscheinlich mit dem Auto fahren, Mason?", fragte sein Vater. Dipper biss sich auf die Lippe und nickte nur stumm. Dann stand er auf, packte Mabel am Handgelenk und zerrte sie hinter sich her, hinauf zu ihrem Zimmer.
"Das können die doch nicht machen!", rief Mabel. "Siehst du doch. Sie können es.", sagte Dipper lustlos. Er wollte sich noch nicht von seiner Schwester verabschieden. Er wollte noch länger Zeit mit ihr verbringen. Das durften seine Eltern ihnen nicht antun. "Dipper! Wir können nicht zulassen, das sie uns früher trennen als nötig ist.", Mabel streckte die Arme von sich und starrte ihn an. "Mabel, was sollen wir tun? Sie sind unsere Eltern und wenn sie meinen, das sie uns frühzeitig auseinander reißen müssen, dann tuen sie das. Und jetzt beschwer dich nicht, pack lieber deine Sachen.", sagte Dipper. Mabel starrte ihn entsetzt an. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Du bist... Du bist echt das allerletzte Dipper!", schluchzte sie und warf sich auf ihr Bett, nur um dann in ihr Kissen zu weinen. "Mabel. Es tut mir leid. Ich finde diese Entscheidung auch nicht toll. Ich wollte morgen mit dir an den See fahren und Abend Sternschnuppen beobachten. Ich möchte so viel Zeit mit dir verbringen. Aber du kennst unsere Eltern. Sie werden nicht von ihrer Meinung abweichen.", erklärte Dipper. "Das ist doch unfair...", Mabel hatte Schluckauf bekommen. Und wieder sah sie aus, wie ein Panda. "Natürlich ist das unfair.", stimmte er ihr zu. "Ich wünschte wirklich unsere gemeinsame Zeit würde niemals zu Ende gehen.", flüsterte Mabel und drückte ihr rosafarbenes Kissen gegen ihre Brust. "Pass auf was du dir wünscht...", murmelte Dipper. Mabel starrte ihn an. "Es... Oh Gott Dipper, es tut mir furchtbar leid!", rief sie, warf das Kissen von sich und stolperte über ihre Kuscheltiere zu ihm. Sie schlang ihr Arme um ihn und drückte Dipper an sich. "Schon gut. Mabel, schon gut.", lächelte Dipper.
In dieser Nacht träumte Dipper das erste Mal wieder furchtbar schlecht. Er war es gewohnt, schlecht zu träumen, natürlich, immerhin verfolgten ihn die Dinge, welche er in Gravity Falls erlebt hatte auch jetzt noch. 5 Jahre, 4 Therapeuten und unzählige schlaflose Nächte später und er fürchtete sich immer noch vor einem Traumdämonen, welchen sie vor 5 Jahren besiegt hatten. Dipper würde niemals von Bill Cipher loskommen. Immer noch, hielt dieses Monster ihn in seinen Klauen fest. Dipper würde niemals frei sein.
Dipper wachte gegen 4 Uhr auf. Schweißgebadet und keuchend. Er starrte in das dunkle Zimmer und vergrub seine Hände tief in seiner Decke. Wie gerne würde er endlich aufhören, diese furchtbaren Alpträume zu haben. Er wollte nicht mehr daran denken, was Bill ihm, seiner Familie und Gravity Falls angetan hatte. Schon gar nicht wollte er daran denken, was Bill getan hätte, wenn er das Kraftfeld hätte durchbrechen können und die komplette Welt in das totale Chaos gestürzt hätte. "Dipdop?", flüsterte Mabel in der Dunkelheit. "Hey...", murmelte Dipper und strich sich durchs Gesicht. "Ist alles gut?", fragte sie leise. "Ja... Ja, natürlich.", nickte er und wusste, das Mabel sein Nicken sowieso nicht sehen konnte. "Kann ich rüber kommen? Irgendwie... fühle ich mich einsam.", murmelte seine Schwester. "Klar...", antwortete Dipper und rückte näher an die Wand.
Keine Minute später senkte sich die Matratze und Mabel lag neben ihm. "Was ist, wenn mich die Leute an der Designer-Schule nicht mögen?", fragte Mabel. "Wie kann man dich nicht mögen?", fragte Dipper und drückte ihre Hand. "Immerhin, warst du immer der coolere Zwilling." "Dabei warst du der coolere Dipper. Du wusstest immer eine Lösung, egal für welches Problem.", sagte Mabel. "Das stimmt nicht. Viele Situationen konnte ich nur dank deiner Genialität lösen. Wie beispielsweise das Geheimnis um Quentin Trembley und den Betrüger Nathaniel Northwest.", sagte Dipper. Mabel kicherte neben ihm. "Ich hatte aus dem Papier einen Schiffshut gebastelt und damit haben wir die Karte gefunden." Dipper lächelte. "Siehst du? Ohne dich wäre ich aufgeschmissen gewesen. Oder als wir gegen Gideon gekämpft haben und beinahe in den Abgrund gestürzt wären, du uns aber auf magische Art und Weise mit deinem Enterhaken gerettet hast. Mabel, die Leute werden dich nicht mögen, die werden dich lieben und feiern. Du wirst überall Freunde finden.", sagte Dipper. Das war die Wahrheit. Mabel konnte schon immer besser Kontakte knüpfen als er. Er vergrub sich lieber unter Büchern. "Und du wirst überall Nerdfreunde finden.", lachte Mabel. "Auf jeden Fall.", nickte Dipper.
Eine halbe Stunde später, es war 5 Uhr am Morgen, riss sein Vater die Tür zu ihrem Zimmer auf. "Aufstehen ihr Schlafmützen. Wir fahren in einer halben Stunde. Bringt Mabels Sachen ins Auto, macht euch fertig und dann verschwinden wir.", brummte sein Vater und donnerte die Tür wieder zu. Seufzend standen Dipper und Mabel auf.
Nachdem alles verpackt war, sie sich fertig gemacht und gefrühstückt hatten, standen sie in dem nun leeren Raum und starrten sich an. Tränen schimmerten in ihrer beiden Augen. "Tja... das war es dann wohl?", fragte Dipper. "Das war es dann wohl.", nickte Mabel. Es herrschte diese merkwürdige Stille zwischen den beiden. Von unten hörten sie ihre Eltern durch das Haus laufen und irgendwelche wichtigen Sachen suchen. "Dipper... Ich..", fing Mabel an. "Sag es nicht. Es ist kein Abschied für immer. Denk an unser Versprechen. Jeden Tag einen Bericht und jedes Wochenende Skype. Und die Ferien verbringen wir ebenfalls gemeinsam.", grinste Dipper und hob seine Arme. "Und jetzt komm. Eine letzte peinliche Geschwisterumarmung." "Peinliche Geschwisterumarmung.", lachte Mabel und schlang ihre Arme um seinen Oberkörper.
Einige Minuten später standen sie im Vorgarten und starrten hinauf zu dem Fenster, hinter welchem sie vor nicht einmal Fünf Minuten noch gelebt hatten. "Ruf mich an, wenn du angekommen bist.", sagte Mabel. "Heiliges Ehrenwort.", sagte Dipper. "Grüß alle von mir.", lächelte Mabel und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht. "Mache ich auf jeden Fall.", nickte Dipper. "Gut. Und pass mir ja gut auf Waddles auf.", Mabel sah ihn böse an. "Natürlich passe ich gut auf Waddles auf.", lachte Dipper. "Komm jetzt Mabel!", rief seine Mutter. "Komme! Pass bitte auf dich auf. Und wenn irgendwas ist, egal was, dann ruf mich an! Für dich werde ich immer Zeit haben!", rief Mabel, ehe sie ihm den Rücken zudrehte und zum Wagen ihres Vaters lief. Dipper blieb einige Minuten länger stehen und sah dem davonfahrenden Wagen hinterher, ehe er sich selbst seinem Auto zudrehte und einstieg.
Im Radio lief nichts, also schaltete er auf den CD-Player um. Wieder lief BABBA. Lächelnd lauschte er dem Lied und sang aus voller Kehle mit. Nur Mabel wusste von seiner geheimen Leidenschaft für diese isländische 70er Jahre Band. Er würde es auch niemals zugeben, das er alle Lieder von BABBA kannte.
So kam es, das die komplette Fahrt bis nach Gravity Falls 'Disco Girl' in Dauerschleife lief. Als er das Willkommensschild von Gravity Falls hinter sich ließ, wechselte er auf eine weniger peinliche Band.
Erleichterung machte sich in ihm breit. Endlich war er wieder zurück. Zurück in seinem Zuhause. Zurück in Gravity Falls.