Liebe Heimat, ’s geht zum Streite,
Und wir schlagen tapfer drein.
Meine Gleve will ich schwingen,
Mein Bolzen, der soll dringen,
Wenn es heißt: der Feind rückt an.
[…]
Nun ade, mein liebes Schätzchen,
Nun ade, so lebe wohl!
Meine erste bist du gewesen,
Meine letzte sollst du sein!
Wenn’s doch einmal Wahrheit wär!
Abschied zur Fahne, Altes deutsches Soldatenlied
Die Nüstern des Schlachtrosses waren weit gebläht, Luft schoss in seine Lunge und feuerte seine Muskeln weiter zur Arbeit an. Mit Eisen beschlagene Hufe wühlten sich im schnellen Galopp durch die matschige, zertrampelte Erde eines Ackers. Erdklumpen, Wasser, Matsch und Blut, welches sich in Pfützen gesammelt hatte, wurde zu allen Seiten verstreut und deckten die kämpfenden Landsknechte zu beiden Seiten des Pferdes ein. Der Reiter, in verstärktes Leder und stählerne Schienen gekleidet, holte mit dem langen, an der Spitze abgerundeten Einhänder aus. Ein, das Mark durchdringender, Schmerzensschrei lies das Ross scheuen, als der blanke Stahl des Söldners das Gesicht eines heranstürmenden Lanzenträgers aufspaltete. Blut schoss aus der offenen Wunde hervor und bespritzte das Lederwams des Reiters. Der Mann auf dem Rücken des Tieres hielt sich problemlos im Sattel, beruhigte es und holte erneut aus. Er schlug über Kreuz, von links oben nach rechts unten, und gab dem Lanzenträger, welcher die Hände über das blutüberströmte Gesicht gepresst hatte, den Rest, indem er ihm das Eisen ins Genick hieb.
Wieder wurde das Pferd angetrieben, weiter in die Schlacht hinein, tiefer in das Gewühl aus Menschen, Leichen und Lanzen. Auf den Reiter hielt eine Gruppe Hellebardisten zu, mit wütendem Gebrüll stürmten sie ihm entgegen. Gerade noch im letzten Moment konnte er das Pferd herumreisen, weg von der tödlichen Wand aus stählernen Spitzen. Er trieb das Tier weiter, an den Spießen eines kleinen Walles vorbei, welchen Schützen in den Farben von Bawarut verzweifelt gegen eine Schaar Axtkämpfer aus Ustrit oder Rogges verteidigten. Plötzlich wurde der wilde Ritt gebremst. Das Pferd wieherte nicht, es schrie. Wer ein Pferd schreien gehört hat, weis, wie die Hölle klingen muss.
Der Reiter wurde nach vorn abgeworfen und landete Schmerzhaft mit dem Gesicht auf dem Plattenpanzer eines gefallenen Waffenknechtes. Das Wappen des Gefallenen zierten zwei gekreuzte, goldene Löffel auf blauem Grund. Ein Mann der Freiherren von Heizata. Ein Feind. Ein Toter. Noch bevor der Soldat sich wieder aufrappeln konnte schlug etwas schmerzhaft in seinen linken Oberarm. Er schrie und griff reflexartig an den Arm. Sein Blick war getrübt von Schweiß, Blut und Tränen. Mit den Finger fühlte er einen Armbrustbolzen, ein massives, mieses Ding mit Wiederhaken, wie es die Männer von Ober-Bawarut verwendeten. Dieser Bolzen war von einem Verbündeten verschossen worden. Er schaffte es schließlich doch, sich auf die Knie zu erheben und wurde gewahr, dass sein Pferd auf der rechten Flanke mit Bolzen gespickt war. Es lag tot auf seiner linken Seite.
Wankend bewegte sich der Krieger, das Schwert gesenkt und mit seinem Rechten Panzerhandschuh umklammert auf eine kleine, vom Schlachtengetümmel übersehene Baumgruppe zu. Er lehnte sich, etwas versteckt, an einen Baumstamm und brach den Bolzenschafft knapp über der Haut auf beiden Seiten ab. Er riss sich ein Stück seines baumwollenen Unterwamses ab und band es um die Wunde. Erschöpft ließ er sich herabsinken und sah in den Himmel, durch die Wipfel der Tannen und Eichen. Kleine Wölkchen zogen dahin und erweckten den Anschein einer schwebenden Schafweide. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch die verschwitzend, langen Haare. Als der Mann zu seinem Wasserbeutel greifen wollte, hörte er es hinter sich ein lautes Knacken und Trampeln. Eine Gruppe von 3 Mann stürmte in das Wäldchen hinein. Blitzartig sprang er auf und biss sich vor Schmerz in die Unterlippe. Die Männer waren Schwertträger aus Rushus. Der Reiter seufzte: „Redawend, heut ist dein Tag nich‘. Heut is’ers nich‘.“ Er erhob das Schwert und stellte sich so, dass eine große Eiche seine linke Flanke deckte.
Die drei Soldaten dachten gar nicht daran, gegen ihn zu kämpfen, vollkommen überrascht von der plötzlichen Kampfbereitschaft des, wie aus dem Boden gewachsenen Riesen. Sie sahen sich gegenseitig an. „Flucht?“, fragte der eine. „Fersengold!“, bestätigte ein anderer. Sie ließen die Schwerter fallen, rissen sich mit geübter Bewegung die Wappen von den wollenen Wämsern und rannten an Redawend vorbei, als sei der Teufel hinter ihnen her. An sich eine völlig vernünftige Annahme.
Auch wenn er selber gern gerannt wäre, er konnte, durfte nicht. Er hatte seinem Herren einen Eid geschworen, nicht weniger als zehn Köpfe einzuschlagen. Redawend war erst bei acht. „Heut is wirklich nich‘ dein Tag nich‘ “, seufzte er. Langsamen Schrittes ging er wieder in Richtung der Schreie und des Krachens. Stahl auf Stahl.