Julia konnte sich nicht beherrschen, zum wiederholten Mal zählte sie jetzt die Steaks ab, die im Kühlschrank lagernd bereits darauf warteten, gegrillt zu werden. Zur Feier ihres Einzugs bei Steppi hatten sie heute Niklas und Liv, sowie Lexi, Eivor und die beiden Söhne zum Grillen eingeladen. Das Wetter versprach bisher, zu halten und trotzdem sah Julia schon vor ihrem inneren Auge alles mögliche schief gehen.
Steppi umarmte sie von hinten und legte seinen Kopf auf ihren. ”Wieso du bist schon wieder so nervös? Alles ist da und die Sonne scheint.”
Mit einem tiefen Seufzen wandte sich Julia um und barg das Gesicht an seiner Brust.
„Ich weiß, aber was ist, wenn es nicht reicht oder sie mögen mich einfach nicht? Was mache ich denn dann? Einfach wieder ausziehen?“.
„Du spinnst“, grinste Steppi und küsste Julia lange. „Niklas und Liv sie kennen dich und Lexi und Eivor werden dich mögen, das weiß ich. Du musst nicht so viel Angst haben, du musst dich entspannen. Außerdem du kannst nicht wieder ausziehen, dein Wohnung hast du gerade erst gekündigt so jemand anderes wohnt darin jetzt.“
„Du hast wohl recht. Ich bin trotzdem nervös.“
Um die Anspannung abzumildern, lief Julia in der Küche auf und ab, bis die Klingel das erste Mal ertönte.
Wie versteinert blieb sie stehen und wandte sich der Tür zu. Steppi, der ihr eine Weile zugesehen hatte und beschlossen hatte, nichts zu sagen, nahm jetzt ihre Hand.
„Komm, wir sagen zusammen Hallo.“
Julias Hände waren schweißnass, aber sie zwang sich zu einem verkrampften Lächeln. Die Anspannung war mittlerweile ins Unermessliche gestiegen. Mit kurzen, zögerlichen Schritten folgte sie Steppi an die Tür, die er dann öffnete.
Nicht nur Niklas und Liv begrüßten die beiden, sondern auch Lexi und Eivor standen dabei. Beide hätte Julia auf Anhieb ein bisschen älter geschätzt als sich und Steppi, und da fiel ihr ein, dass Steppi Eivor einmal als seine Ersatzmama bezeichnet hatte, sie musste wohl tatsächlich älter sein.
Nach einer kleinen Begrüßungsrunde sah sich Steppi suchend um.
„Wolltet ihr nicht die Jungs mitbringen?“, fragte er an Lexi gewandt, dieser nickte.
„Eigentlich schon aber sie haben Training so wir können vielleicht nicht sehr lange bleiben aber sie nerven die Erwachsenen heute nicht.“
„Julia, ich will sehen was du aus Steppis Wohnung gemacht hast“, meinte Liv und nahm ihre Freundin an der Hand, „du wohnst jetzt schon zwei Wochen hier. Kommst du mit, Eivor?“.
Sie nickte und schloss sich Liv und Julia an, die schon auf dem Weg in die Küche waren.
„Es sieht schon viel aufgeräumter aus. Wer hat denn die frischen Kräutertöpfe in die Küche gestellt?“.
„Du fragst noch? Steppi bestimmt nicht“, grinste Liv und Eivor grinste betreten zurück.
„Ja, stimmt.“
Der Rundgang durch das Haus war Julia peinlich, auch wenn Liv und Eivor das Haus permanent lobten. Als so schlimm hatte sie es beim Einzug gar nicht gefunden und eigentlich auch nicht viel geändert, ihrer Meinung nach taten die beiden anderen Frauen Steppi Unrecht. Da sie sich aber nicht zanken wollte, behielt sie ihre Meinung für sich.
Im Garten angekommen entdeckten sie die Männer bereits um den Grill herumstehen, von dem schon Dampf aufstieg, Steppi hatte ihn also bereits befeuert. Julia wies auf die frisch erworbene Gartengarnitur aus Metall. „Setzt euch. Was möchtet ihr trinken?“.
Beide verneinten, aber Liv zog Julia auf einen Stuhl und beugte sich, ihr gegenüber sitzend, zu ihr vor.
„Ich muss dir noch was erzählen, ganz dringend. Ich hoffe du freust dich. Niklas und ich haben beschlossen, die Pille abzusetzen, seit gestern.“
Julias Augen weiteten sich und ein breites Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht. Sie umarmte Liv ungelenk.
„Aber natürlich freue ich mich! Das ist ja toll. Und wenn irgendwas passiert sagst du mir Bescheid, okay? Heißt das dann, deine Abschlussarbeit ist...“.
„Abgegeben und es sieht gut aus“,ergänzte Liv mit ähnlich breitem Grinsen wie Julia.
„Wir wollten immer früh Eltern werden und jetzt habe ich einen Abschluss, also kann ich erst mal Pause machen, aber vielleicht finde ich auch eine Arbeit, mal sehen. Aber egal, jetzt erzähl mal, wie läuft es bei dir und Steppi? Streitet ihr euch viel?“.
„Nein, eigentlich gar nicht bisher, aber das geht jetzt gerade mal ungefähr zwei Wochen
gut, also noch nichts bewundernswertes. Er hilft mir eigentlich viel wenn er da ist und ansonsten geht das Semester ja in ungefähr vier Wochen wieder los, dann werden wir sehen, ob wir es tatsächlich gemeinsam schaffen. Mensch Liv, ich habe deine Neuigkeit noch gar nicht richtig verdaut. Wenn du was brauchst, sagst du mir sofort Bescheid, egal was es ist!“.
Grinsend verdrehte Liv die Augen. „Das sagtest du schon, aber nochmal Danke für das Angebot, ich komme bestimmt drauf zurück. Ach und übrigens, was macht ihr denn an Weihnachten? Wir haben zwar meine Schwester da und Niklas‘ Bruder, aber wir feiern auch gerne noch mit zwei Leuten mehr, also wenn ihr mögt. Habt ihr Pläne?“.
„So richtig haben wir keine, aber es dauert ja auch noch ewig. Wie kommst du denn darauf, im September schon über Weihnachten zu reden?“.
„Ende September“, korrigierte Liv und Julia seufzte.
„Von mir aus, aber trotzdem. Jedenfalls hat Steppi mal vorgeschlagen, dass wir Weihnachten auf Island verbringen und Silvester auch, weil danach ja gleich Länderspiele sind und er sowieso hin muss und ich könnte ja die Familie kennenlernen. Aber gebucht haben wir noch gar nichts.“
„Na gut, das Argument mit der Familie kann ich wirklich nicht ablehnen, die geht vor.“
Eivor setzte sich zu ihnen, sie hatte sich bereits einen Teller mit Fleisch geholt und stellte ihn vor sich auf den Tisch.
„Julia, ich muss auch noch mit dir reden. Meine Söhne wollen dich unbedingt kennenlernen. Die beiden sehen Steppi ein bisschen als Onkel und als sie gehört haben, dass sie jetzt auch noch eine Tante haben, haben sie mich und Lexi ganz schön genervt. Wollt ihr denn nicht auch mal bei uns vorbeikommen?“.
Julia unterdrückte ein Seufzen, weil ihr bewusst war, dass es unhöflich gewirkt hätte. Eigentlich hasste sie es, von allen begutachtet und beurteilt zu werden und offenbar musste sie das nicht nur bei Steppis Familie, sondern bei vielen Kollegen durchstehen.
„Klar, wenn wir mal einen Termin finden, an dem die Jungs da sind und wir nicht arbeiten müssen, können wir das gerne machen, lasst uns da mit ihnen nochmal drüber reden.“
„Ah und die Weihnachtsfeier mit allen ist auch noch, an irgendeinem freien Wochenendtag im November“, warf Liv ein und nun musste sich Julia sehr beherrschen, nicht aufzuseufzen.
Es war eine Sache, so viele Leute nacheinander kennenlernen, aber alle auf einmal kennenzulernen erfüllte Julia mit Horror. Offenbar konnte sie ihre Gefühle zumindest nicht vor Liv verstecken, die kurz auflachte und ihr auf die Schulter klopfte.
„Das wird schon alles nicht so schlimm, du musst nicht so entsetzt schauen. Ein paar Leute kennst du ja und andere musst du gar nicht kennenlernen, ich mag da auch nicht alle, ist normal.“
„Genau, wir zwei reichen doch fürs Erste“, zwinkerte Eivor und beruhigte Julia damit wieder ein bisschen, sie lächelte.
„Danke ihr beiden. Ich gehe mir jetzt auch mal was holen, kommst du mit, Liv?“.
Sie verneinte kopfschüttelnd und Julia stand alleine von der Bank auf.
Am Grill stand immer noch Steppi, der mittlerweile alleine war.
„Wo ist Lexi?“, fragte Julia.
„Drinnen, Toilette. Wie geht es dir?“.
„Gut, ich glaube ich mag Eivor, ich finde sie jedenfalls nett. Mir graut es eher vor der Weihnachtsfeier, von der die beiden gerade erzählt haben. Alle auf einmal? Ich weiß ja nicht...“.
Steppi küsste seine Freundin auf die Schläfe und strich ihr mit einer Hand über die Wange.
„Das schaffst du auch. Ich weiß das es ist viel, aber vielleicht es ist einfacher wenn du schon ein par Leute kennst und Mads, Harald und Niklas kennst du ja auch noch.“
Julia nickte und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Steppi auf die Wange küssen zu können.
„Ja, ich weiß, das war jedenfalls eine gute Idee von dir. Ich hoffe, dass es wirklich leichter wird für mich, aber ich bin jetzt schon froh wenn das vorbei ist.“
Grinsend drückte er ihre Hand. „Das kann ich mir vorstellen. Aber ich bin sicher dass du wirst es toll machen. Und ich muss es auch noch machen, so bei deine Eltern, oder?“.
„Nein, lieber nicht. Wir haben schon ein paar Jahre sehr wenig Kontakt und ich kann mir lebhaft vorstellen, was sie sagen werden. Sowas wie ‚ihr zieht jetzt schon zusammen, das wird nie halten‘ oder ‚was willst du denn mit einem Profisportler, da bist du nur die blöde Spielerfrau‘ und all sowas. Darauf habe ich keine Lust. Ich will das Leben mit dir genießen.“
Steppi wusste nicht, ob er lächeln oder betroffen schauen sollte. Es freute ihn, dass Julia so hinter ihm zu stehen schien, aber das schlechte Verhältnis zwischen ihr und ihren Eltern machte ihn traurig. Er kannte solche Verhältnisse von Zuhause nicht. Allerdings war ihm klar, dass es ihm nicht zustand, irgendetwas daran zu ändern, also überging er die Bemerkungen einfach.
„Also, was möchtest du essen? Ich komme auch gleich und dann wir können richtig zusammen sitzen und reden.“
„Gib mir ein paar von den Würstchen“, forderte Julia. Sie war erleichtert, das Thema nicht vertiefen zu müssen, in dieser Beziehung hatten sie sich schon ganz gut eingespielt.
Nachdem Steppi die Würstchen herausgegeben hatte, füllte er noch seinen Teller, dann gab er beide Julia in die Hand.
„Ich mache noch den Grill aus, ich komme gleich.“
Lächelnd küsste Julia ihn. „Danke. Ich liebe dich.“