Das Hotel, von dem die Rede war, lag recht zentral in der Stadt, war aber relativ heruntergekommen.
Sie warben mit günstigen Zimmern. Wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, um durch die Gerüchte überhaupt noch Geld einzunehmen.
Sezuna betrachtete das Gebäude.
Es wurde kaum gepflegt und einige der Fenster deuteten darauf hin, dass diese Zimmer wohl nicht mehr benutzt wurden.
Sezuna brauchte nicht lange, bis sie das Gebäude mit ähnlichen verglichen hatte und die ungefähren Zimmernummern, der nicht benutzten Zimmer schätzen konnte.
Hier waren sie richtig.
Kaden trat neben sie und teste anscheinend schon die Stabilität der minimalen Vorsprünge an den Wänden.
„Weißt du welche Zimmer es sind?“, fragte der Vampir und hing sich bereits testweise an einen kleinen Vorsprung, der leicht ab bröselte.
„Du hast doch nicht etwa vor da hoch zu klettern, oder?“, fragte Sezuna skeptisch und wusste bereits jetzt schon, dass das keine gute Idee war.
„Hast du etwa vor für dieses Zimmer zu bezahlen? Ich jedenfalls nicht. Zimmernummer bitte“, wiederholte Kaden erneut und sprang wieder von der Wand ab.
„Das ist das da oben. Ich denke es ist die 66“, erklärte Sezuna und zeigte auf eines der Fenster, das recht dreckig war.
Sie blickte sich um, um zu schauen, dass sie auch nicht beobachtet wurden. Aber es war schon recht spät und es schien in dieser Gegend niemand mehr auf der Straße zu sein. Wahrscheinlich wegen dieser Spukhauslegende.
Als Sezuna ihren Blick wieder nach oben hob, sah sie Kaden bereits auf der Fensterbank sitzen und auf sie nieder blicken.
„Los Kätzchen, die Geister rufen dich!“, lachte Kaden und schwang ein Bein nach dem anderen ins Innere des Zimmers.
Sezuna hasste es, dass er sie immer mit ihrer Angst vor Geistern aufziehen musste. Es war doch vollkommen normal, dass man vor etwas Angst hatte. Wenigstens zappelte sie nicht rum, wie ein kleines Mädchen, wenn sie nur einen Lurch sah, so wie Kaden. Sie hatte wirklich noch nie jemanden gesehen, der ein solches Theater um Reptilien machte.
Nach einem kurzen Zögern drehte sie ihre Haare im Nacken zusammen und kletterte mit schnellen, katzengleichen Bewegungen hinterher, in das verlassene, dunkle Zimmer. Kaum hatte sie den Raum betreten, als Kaden aus einer Ecke geschnellt kam und nach ihrem Bein griff. Nach einem kurzen Aufschrei setzte sie dazu an ihm gegen den Kopf zu treten, was dieser jedoch rechtzeitig mit der anderen Hand abwehrte.
Er schien diese Reaktion bereits erwartet zu haben.
Zufrieden mit sich lächelte er, als er Sezunas schweren Atem und ihre Gefühle ertastete.
„Dafür wirst du büßen“, knurrte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen und funkelte den Vampir böse an.
Verdammt sollte er sein, dass er jedes Mal ihre Angst vor Geistern ausnutzte!
„Uhh, jetzt hab ich aber Angst! Die 1,50 große Vampirin droht mir!“ Spielerisch hielt er sich ängstlich die Arme vors Gesicht, um sich zu schützen.
Er lachte wieder und drehte sich in den dunklen Raum, in dem nicht viel stand, außer ein Bett, ein alter Kleiderschrank, eine weitere Tür, die wohl in ein kleines Badezimmer führte und eine Menge Staub.
Sezuna schnaubte. „Ich bin 1.65, das sind ganze 15 Zentimeter mehr!“, beschwerte sich Sezuna nicht sonderlich gut gelaunt, ließ aber ebenfalls ihren Blick durch das Zimmer gleiten.
Sie nahm dasselbe wahr, wie Kaden, allerdings zog sie daraus Schlussfolgerungen.
Das Zimmer war mit Staub bedeckt, was hieß, es war lange nicht mehr benutzt worden. Außerdem wirkte das Bett unordentlich. So, als wäre es nicht noch einmal gemacht worden, bevor das Zimmer verschlossen wurde.
Zusätzlich gab es noch ein paar Stückchen von weiß-rotem Absperrband. Getrocknetes Blut an einen der Schrankbeine, konnte sie auch sehen. Hier war jemand gestorben.
„Wow, tut mir Leid ich habe dich wirklich unterschätzt. Du bist schon ein großes Mädchen“, tätschelte Kaden ihren Kopf, worauf Sezuna ihm nur einen drohenden Blick zuwarf.
Gelangweilt von dem unspektakulären Zimmer schlenderte Kaden in Richtung Badezimmer und gab der angelehnten Tür einen kleinen Schubs.
„Sezuna... sieh dir das an.“ Seine Stimme schien nun ernster zu sein und wirkte tatsächlich so, als hätte er was Bedeutendes entdeckt. Neugierig ging die Rothaarige zu ihm rüber, um nachzusehen was genau er meinte. Das Zimmer war noch dunkler, da es keine Fenster besaß, doch es war nichts besonders auffälliges zu erkennen, außer einem Spiegel der einen großen Sprung hatte.
Vorsichtig trat sie an den Spiegel und ließ ihre Finger über den Riss wandern.
„Was soll damit sein?“, fragte sie, jedoch eher zu sich selbst, da sie spürte, dass irgendwas davon ausging, sie konnte nur noch nicht ganz deuten, was es war.
„Über dir“, flüsterte Kaden und sah an die Decke über Sezunas Kopf.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie nach oben schielte und eine riesige, schwarze Spinne entdeckte, die sich langsam zu ihr abseilte.
Spinnen! Das zweite Ding, vor dem sie Angst hatte. Doch zum Glück nicht so viel, wie vor Geistern.
Was sie nicht davon abhielt einen Schrei auszustoßen und auf Kaden zu zuspringen, um sich hinter ihm zu verstecken.
Wie gemein!
Kaden lachte, über die Reaktion, die ihm so bekannt war, dass er sich nicht an ihren panischen Gefühlen störte. Es war eine andere Art von Panik, die Sezuna ausstrahlte, wenn es um Spinnen ging. Bei dieser läuteten seine Alarmglocken nicht so stark.
Die Rothaarige atmete heftig. „Mistkerl“, brachte sie durch zusammengebissene Zähne hervor. Wieso ließ sie sich immer wieder von ihm ärgern!?
Kaden schien sich gar nicht mehr einkriegen zu können und wischte sich eine Lachträne aus dem linken Auge.
„Du hättest mal dein Gesicht sehen sollen!“ Immer noch am Lachen ging er ins Badezimmer, um die Spinne auf die Hand zu nehmen und sie zum Fenster zu tragen. Natürlich nicht ohne Sezuna noch einmal anzudeuten, er würde sie gleich auf sie schmeißen. Wütend zuckte sie zurück und nahm sich vor, dass er das dreifach zurückbekommen würde!
Nachdem er die Spinne rausgesetzt hatte, ging er zum Bett hinüber und schlug die Decke zurück, worauf sich eine Staubwolke im Zimmer verteilte.
Immer noch mit bebenden Schultern ließ er sich aufs Bett fallen und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf.
Ja... es war wirklich genau wie früher.
„Willst du wirklich in dem Bett liegen? Der ganze Staub“, brummte Sezuna. Sie hasste es, wenn es staubig war, da sah sie immer so schlecht und bekam so schnell Kopfschmerzen.
Generell kündigen sich bei ihr schon wieder Kopfschmerzen an. Irgendwas hatte sie gesehen, dass ihr Kopfzerbrechen bereitete, ohne dass sie genau sagen konnte, was es war.
Außerdem spürte sie eine seltsame Anwesenheit. Als wäre etwas, das sie nicht sehen konnte, im Zimmer.
Ihr Blick glitt umher und sie sah ihre Fußspuren auf den Staub.
Stirnrunzelnd ging sie näher und geistig erschienen Angaben der Schuhgröße vor ihren Augen.
Sie überblickte die Fußspuren und stellte fest, dass einige der Fußspuren zu klein für ihre Füße waren. Fast wie die eines Kindes.
Schlagartig wurde sie weiß im Gesicht und ihr Herz rutschte in die Hose. Wo kamen diese Fußspuren her?
Kaden seufzte, setzte sich aber nicht auf. Er musste ihre Gefühlslage gespürt haben.
„Was ist denn jetzt schon wieder? Lass mich raten, halluzinierst du wieder?“, gab Kaden mit einem zwischenzeitlichen Gähnen von sich.
Sezuna schluckte schwer und musste sich erst wieder fassen. Was zur Hölle war mit diesem Zimmer? Stimmten die Gerüchte vielleicht doch... nein! Es gab keine Geister... es gab sie einfach nicht!
Immer wieder redete sich die Vampirin diese Worte ein, doch sie konnte ihnen schwer Glauben schenken. Als sie nach einer Weile nicht antwortete richtete sich Kaden auf, um zu ihr rüber zu gehen.
Die Rothaarige hockte noch immer am Boden und betrachtete nachdenklich die Fußspuren im Staub.
Was für eine logische Erklärung gab es für solche Fußspuren?
Ihre Schultern entspannten sich ein wenig. Die Spuren waren nicht so tief, das hieß, dass sie älter waren. Es hatte sich schon eine neue Staubschicht darüber gebildet. Wahrscheinlich waren einfach Kinder hier gewesen. Vielleicht vor ein paar Tagen. Also nichts, weshalb sie sich Sorgen machen musste.
Verwirrt hob der Dunkelblonde eine Augenbraue, über den plötzlichen Umschwung von Sezunas Gefühlen.
„Kann es sein, dass du deine Tage hast? Du benimmst dich komisch“, fragte dieser und machte sich wieder auf dem Weg zum Bett, um sich an die Kante zu setzen.
Im selben Moment erfasste ihn eine Emotion von Furcht, doch sie kam nicht von Sezuna. Wiederholt drehte er sich um.
*Muss jemand aus den anderen Zimmern sein*, beschwichtigte er sein Gewissen, ohne sich weiter darüber Gedanken zu machen. Er wollte gar nicht anfangen sich fragen zu stellen wie: Wieso hatte jemand im Nachbarzimmer Angst?
Dann ertönte ein Frauenschrei und beide zuckten heftig zusammen.
Sofort stand Sezuna wieder und bereute es gleich, als sich alles um sie herum drehte. Dennoch war ihr Gehirn voll da und analysierte den Schrei.
Er war zu schrill und zu panisch für einen nur erschrockenen Schrei. Etwas hatte dieser Frau panische Angst gemacht. Aber was?
Fragend blickte sie zu Kaden. Er musste die Gefühle spüren, vielleicht hatte er etwas bemerkt.