„Ich hab mit dem Gedanken gespielt bei jemand anderem Obdach zu suchen, aber ich will ja nicht, dass du eifersüchtig wirst.“ Er ging an der rothaarigen Frau vorbei, um nach seinem Koffer zu greifen.
„Ich würde doch nie unsere gemeinsame Schließfachzeit vergessen“, setzte er fort, als er wieder an ihr vorbei, zur Tür schlenderte. Sezuna wusste genau, dass er auf den Tag anspielte, an dem sie ihn, an ihrem Abschluss, in einen der Spinde gezogen hatte.
Eine ihrer liebsten Erinnerungen, auch wenn sie jedes Mal rot wurde, wenn sie daran dachte.
„Als würde ich eifersüchtig werden“, damit strich sich Sezuna in einer arrogant wirkenden Geste das Haar hinter die Schultern. „Ich habe etwas viel besseres verdient, als dich. Da ist es mir egal, welche Betten du so wärmst.“
Kaden grinste breit und sah ihr direkt in die goldenen Augen.
„Wer sagt denn, dass ich dein Bett wärmen will. Das waren deine Worte.“ Nach einigen Sekunden erlosch sein Grinsen langsam und er senke die Lieder.
Ein wenig verloren suchte er nach etwas, was er ansehen konnte, ohne Sezunas Blick zu begegnen. „Der Hund sagte, wir treffen uns später zum Frühstück, um alles zu besprechen. Nimm am besten die Bücher mit und... und sammle deine Infos zusammen.“
Nervös kratzte er sich noch einmal am Kopf, als er ihr kühl zunickte und darauf die Tür hinter sich schloss.
Sezuna blieb zurück und legte den Kopf nachdenklich schief. Hatte sie das gerade richtig gedeutet?
Nein, wohl eher nicht.
Seufzend sammelte sie ihre Sachen zusammen und packte sie in einen kleinen Rucksack, den sie sich über die Schulter warf.
Wo würden sie Frühstücken? In dem Gebäude, das von der Uni dazu vorgesehen war, oder bei jemanden in der Küche?
Das war eine gute Frage und Sezuna überlegte sich, dass sie am besten Orion danach fragen sollte.
Nachdenklich verließ sie den Flur, als sie Kaden gegenüber ihres Zimmers, neben dem von Lika, entdeckte, der wild an seinem Koffer rumwühlte.
Verbissen versuchte sie ihre Gefühle zu kontrollieren, um ihre Schadenfreude nicht zu zeigen.
Vermutlich suchte er gerade nach seinem Zimmerschlüssel, den Sezuna noch in ihrer Rocktasche aufbewahrt hatte.
Knurrend warf er den halben Inhalt seines Koffers raus. Doch es kam kein Schlüssel zum Vorschein.
Mit hinter ihrem Rücken verschränkten Händen stellte sie sich vor ihn.
„Suchst du was?“, fragte sie so teilnahmslos wie möglich. Der blöde Idiot würde seinen Schlüssel nicht mehr so schnell wieder sehen, nach seinem Verhalten von gerade Abend.
Der Angesprochene hielt kurz inne und schielte dann flüchtig hoch zu Sezuna.
„Nein... ich... sortiere nur“, antwortete er zögernd und wühlte weiter.
Was für eine schlechte Lüge, dachte Sezuna. Er war schon immer jemand, der leicht Sachen verlor... oder vergaß.
Und weil das schon immer so gewesen war, stahl sich ein Grinsen auf Sezunas Lippen.
„Und? Was hast du verloren, oder vergessen?“, fragte sie neugierig. Er hatte ihr immerhin die Vorlage dafür gegeben, daher musste sie sich kaum einen Kopf machen, dass er bemerkte, dass sie den Schlüssel hatte.
Gedankenlesen konnte er immerhin noch nicht.
Mit einem frustrierten Seufzen stopfte er seine Kleidung wieder in den Koffer und klappte in zu, um mit dem Zeigefinger wild rum zu tippen.
„Nichts. Alles gut. Ehm, gehst du schon los?“ Kaden richtete sich auf und schien schnell das Thema wechseln zu wollen. Die Tatsache, dass er Sachen verlor, war für ihn schon so normal, dass er Sezuna nicht mal verdächtigte ihn geklaut zu haben. Dennoch war es ihm wohl mehr als unangenehm bereits nach dem ersten Tag den Schlüssel verloren zu haben, weshalb er es auch nicht preisgab.
„Ich dachte, ich frag bei Orion, wo wir uns heute treffen wollen. Ich denke nicht, dass die Unimensa sehr geeignet dafür sein wird“, erklärte Sezuna mit einem Lächeln. Sie wusste, wie sehr es Kaden zuwider war, dass sie sich mit dem Werwolf traf. Doch im Grunde war ihr das reichlich egal.
Er war ein recht netter Kerl, wenn auch ein wenig langweilig.
„Okay“, entgegnete Kaden kurz angebunden und öffnete wieder seinen Koffer, um sich ein langärmliges, graues Shirt rauszusuchen. „Dann... solltest du das tun.“ Mit einer selbstverständlichen Bewegung zog er sich sein T-Shirt über den Kopf und warf es in seinen offenen Koffer, um nach dem grauen zu greifen. Anscheinend schien es ihn reichlich wenig zu stören sich mitten im Flur eines Wohnheimes umzuziehen.
Sezuna schüttelte den Kopf. „Wirklich nicht dein Ernst“, beschwerte sie sich und schloss ihre Tür, vor der sie immerhin immer noch standen, wieder auf.
„Los rein, du kannst mein Bad benutzen, wenn du zu faul bist dein Zimmer zu suchen. Hauptsache du machst hier kein Striptease im Flur“, erklärte sie und fügte dann leise und schnell hinzu: „Denk dran, wir wollen nicht auffallen.“
Mit einem Augenrollen trat er seinen Koffer in ihr Zimmer und ging diesem genervt hinterher, während er sich noch im Gehen das Shirt über den Kopf zog.
„Als würde das irgendjemanden interessieren“, murmelte er im Wohnzimmer und knöpfte seine Hose auf, um sie von seinen Füßen zu treten.
„Hast du schon was zusammensetzen können?“, fragte er gähnend und schien selbst während des Umziehens, kurz vorm Einschlafen zu sein.
Sezuna war nun dabei ihre Augen zu verdrehen. „Sei nicht so laut, sonst weckst du meine Mitbewohnerin. Die geht das ja nun wirklich nichts an“, tadelte die Rothaarige leise.
„Aber ja, wir haben ein paar interessante Dinge gefunden. Aber du weißt wie gern ich solche Sachen doppelt erzähle, also wirst du warten müssen, bis auch der Rest bei uns ist“, erklärte sie und drehte sich von Kaden ein Stück weg.
Sie wollte hinschauen, aber auch nicht. Das Ganze war ihr überaus peinlich, wenn sie ehrlich war.
Wieder begann er in seinem unordentlichen Koffer rumzukramen, um sich eine Hose raus zu fischen.
„Wird da jemals rot?“, fragte er in einem melodischen Ton und lachte leise. Schnell packte er noch etwas in seine Hosentasche und ging an Sezuna vorbei, in die Küche, um den Kühlschrank zu öffnen.
Die Rothaarige wurde schlagartig rot um die Nase, drehte sich ihm aber nicht zu und machte stattdessen ein paar Atemübungen, damit sie wieder eine normale Farbe annahm, bevor er sie sehen konnte. Auf Grund ihres dunklen Teints, sah man es ihr nicht so schnell an, wenn sie rot wurde.
„Dort ist nichts drin, ich bin noch nicht zum Einkaufen gekommen“, erklärte sie ein wenig leiser.
Mit einem genervten Stöhnen stieß er die Kühlschranktür wieder zu und ging im Wohnzimmer umher, um alles Mögliche anzufassen und durch zu stöbern.
„Hast du schon etwas über diese Havok erfahren?“, fragte er, während er einen Stapel Papiere durchblätterte, auf denen nur unleserliche Notizen standen. „Schließlich ist sie deine Mitbewohnerin. Du solltest sie kennen.“ Er legte die Blätter wieder zurück auf ihren Platz, als ihm Sezunas Gefühlslage auffiel. „Untervögelt?“
Für diese dämliche Frage, packte Sezuna das erst beste, dass sie zwischen die Finger bekam und warf es nach dem Blonden.
Dieser fing den Blumentopf, mit dem Stiefmütterchen auf, als handle es sich nicht um ein gefährliches Wurfgeschoss.
Dann betrachtete er ihn nachdenklich, aber eigentlich spürte er nach Sezunas Gefühlen.
Diese war wütend, aber darunter lag ein Gefühl, das ihm ein Grinsen auf die Lippen zauberte.
Das typische Gefühl, dass sie immer hatte, wenn er mit irgendwas verdammt richtig lag, sie es aber nicht zugeben wollte.
„Ist ja auch nicht mein Problem. Vielleicht kann der Köter dir ja helfen“, mit diesen Worten stellte er den kleinen Topf auf den Couchtisch und griff nach seinem Koffer, um aus der Tür zu gehen.
Auch, wenn Kaden doch die Leichtigkeit vom vorherigen Abend genossen hatte, so war ihm mehr als bewusst, dass sie beide nicht mehr dieselben waren, wie damals.
Immer wieder musste er sich daran erinnern, dass sie beide sich geändert hatten, ebenso wie ihr Verhältnis. Er würde es sich noch einige Male ins Gedächtnis rufen müssen, auf Distanz zu bleiben.
Nur fiel ihm das genauso schwer, wie Sezuna und beide fühlten sich aktuell nicht sonderlich wohl.
Sezuna blickte Kaden nach, ehe sie einmal tief durchatmete und diesem folgte.
Immerhin musste sie noch bei Orion vorbei schauen.
Der Gedanke an den Werwolf ließ sie zögern. Kadens Bemerkung spukte ihr noch immer im Kopf herum und sie fragte sich wirklich, was das sollte. War er etwa am Ende eifersüchtig?
Obwohl das eher unwahrscheinlich war. Warum auch?
Sezuna schloss leise die Tür hinter sich und ging direkt zur Tür zu ihrer rechten. Der Werwolfgeruch war eindeutig in den beiden Zimmern vor und rechts von ihr vorhanden.
Kaden der einige Schritte hinter ihr stand, hatte die linke Hand am Koffer und die rechte in seiner Hosentasche, wo er fest das geflochtene Armband umklammert hielt, welches er zwar seit Jahren nicht mehr anhatte, doch immer bei sich trug. Er besaß dieses, aus Lederbändern geflochtene Band, schon seit Jahrhunderten. Seit Sezuna und er, es gemeinsam gebastelt hatte, als sie noch kleine Kinder waren.
Sie hatte genau dasselbe besessen, doch der Vampir hatte es nichtmehr an ihr gesehen, seit sie sich das letzte Mal vor über 15 Jahren gesehen hatten.
Etwas, was ihm direkt im Ratssaal aufgefallen war. Er spielte mit dem Gedanken es loszuwerden, doch er konnte sich noch nicht dazu durchringen.
Entschlossen nahm er sich vor es zu entsorgen, um endlich damit abschließen zu können.
Wenn sie es nicht mehr trug, dann wollte er es auch nicht mehr haben!
Es stimmte zwar nicht ganz, denn allein die Möglichkeit es los zu werden, schmerzte ihn sehr. Trotzdem musste es wohl sein.
Sezuna klopfte laut an Orions Tür und wartete geduldig, bis dieser sie öffnete.
„Guten Morgen“, lächelte sie freundlich und froh über die Anwesenheit eines anderen Mannes. So war sie wenigstens nicht mit Kaden allein.
Auch die Tür gegenüber von Sezunas Wohnung öffnete sich und Lika trat lautlos heraus. Die beiden Vampire drehten sich überrascht zu der Blauhaarigen um, um diese zu mustern.
„Ich hab euch im Flur gehört“, sagte sie und sah zu Orion auf, der hinter den beiden im Türrahmen stand und soeben raus trat.
Kaden, der sich dazu zwang wieder einen klaren Kopf zu fassen, trat seinen Koffer in die Wohnung der Werwölfin, worauf diese ihn etwas perplex ansah.
„Ich hol ihn später wieder ab keine Sorge“, beschwichtigte er diese mit einem Augenrollen. Sie schien wirklich mehr als nur introvertiert zu sein.
Auch, wenn Lika ihre Mitbewohnerin noch nicht kennengelernt hatte, da diese die letzte Nacht nicht nach Hause gekommen war, so sagten ihr die zahlreichen, weiblichen Kleidungsstücke doch, dass es sich um eine Frau handelte. Ebenso wie ihr Geruch, der sich von männlichen Menschen unterschied.
„Wollen wir uns in der Unimensa unterhalten, oder gehen wir bei einen von uns in die Wohnstube?“, fragte Sezuna nun nach und legte fragend den Kopf schief, während sie Orion musterte.
Dabei fiel dem Werwolf auf, dass es kurz zwischen ihren Haaren blitzte und kurz konnte er ein Schmuckstück an ihrem Ohr erkennen.
Irgendwie hatte er nicht angenommen, dass sie Ohrringe trug. Warum auch immer, denn eigentlich war solcher Schmuck bei Frauen recht beliebt. Selbst bei den Werwölfen. Auch, wenn er manchmal doch unpraktisch war.
„Ich wohne alleine. Jedenfalls sind die zwei anderen Schlafzimmer leer. Wir sollten lieber hier alles besprechen, um nicht gestört zu werden.“ Mit diesen Worten trat er zur Seite und gewahr den drei anderen somit Einlass in seine Wohnung.