Wütend und mit einem Tränen überströmtem Gesicht stoße ich die Tür zu meinem Zimmer auf. Mein Herz hämmert wild und droht auf meiner Brust heraus zu springen, mein Atem geht schnell und mein Puls rast. Es fühlt sich an als könnte ich das Rauschen meines Blutes in meinen Adern hören. Das ist ein merkwürdiges Gefühl, doch ich konzentriere mich weiterhin auf die Mission, die ich verfolge.
So schnell ich kann, sammele ich all meine Sachen vom Fußboden auf und stopfe sie in irgendeinen Sack in meinem Zimmer. Ich habe echt keine Lust darauf wieder von den Anderen aufgehalten zu werden.
Meine Entscheidung steht fest. Ich bin dafür nicht gut genug. Es ist einfach nicht meine Bestimmung die Rolle als Erbin zu übernehmen. Sie finden sicher jemand Anderen, der diese Aufgabe übernehmen kann. Sie können mir auch gerne die Kräfte wieder weg nehmen, da ich mich nicht dadurch definieren lasse.
Als ich alles Wichtig verstaut habe, nehme ich meinen Mantel aus dem Schrank und streife ihn über. Dann lege ich den Sack über meine Schulter, damit er nicht so schwer ist, und renne die Treppe hinunter.
Am Treppenabsatz angekommen, renne ich in den Flur und auf die Haustür zu, doch bevor ich hinaus schlüpfen kann, baut sich plötzlich Hilley vor mir bedrohlich auf. Wie macht sie das immer? Das wird langsam echt so lästig!
Sie wirkt genauso wütend wie ich. Mit ihrem Körper versperrt sie mir den Durchgang, sodass ich meine Kräfte verwenden müsste, um einen freien Durchgang zu habe und das kann ich ja anscheinend nicht besonders gut.
“Stehen geblieben, junge Dame“, ihre klingt bedrohlich und sorgt dafür, dass ich mich fast wie ein gehetztes Tier während einer Jagd führe. In meinem Bauch tut sich ein flaues Gefühl auf und droht mich zu verschlingen. Was soll ich nun tun?
Da ich keine Ahnung habe, was die beste Reaktion auf ihre Blockade ist, bitte ich ganz ruhig:“ Lass mich bitte vorbei, Hilley! Ich möchte gerne gehen.“ “Das wirst du nicht tun“, meine Ruhe scheint ihre Aufgebrachtheit nur noch weiter anzuheizen, was kein gutes Zeichen ist. Oh man, wie habe ich denn sonst mit Lehrern gesprochen, die ich vorher wütend gemacht habe?
Hilfesuchend blicke ich zu Aria und Ruby, die in wenigen Metern Abstand zu Hilley, auf der Veranda stehen und die Szene, die sich vor ihren Augen abspielt, gespannt mit verfolgen.
Als sie meinen Blick bemerken, sind ihre Reaktionen aber mehr als nur ernüchternd.
Ruby rümpft nur die Nase und wendet ihren Blick dann von mir ab. Sie hält die Arme streng vor ihrer Brust verschränkt und hat ihre langen blonden Haare über die einige Zentimeter hochgezogenen Schultern geworfen.
Welche andere Reaktion habe ich auch sonst von ihr erwartet? Vielleicht, dass sie Hilley bittet mich doch einfach in Ruhe zu lassen, weil es ja meine Entscheidung ist? Nein, das habe ich nicht wirklich von ihr erwartet.
Aber von Aria hatte ich auf jeden Fall etwas Anderes erwartet. Ich hätte erwartet, dass wir Freunde sind oder dass ich ihr wenigstens ein bisschen wichtig bin, obwohl wir uns noch nicht lange kennen, doch leider enttäuscht sie mich kläglich.
Zwar öffnet sie erst den Mund, um etwas zu sagen, doch dann lässt sie ihn wieder zu klappen und richtet ihren Blick zu Boden. Mit ihrem rechten Fuß scharrt sie nervös auf dem hellen Holz unter ihren Füßen, was so wunderbar nach Zitronen duftet, herum.
Na super, sie ist also auch nicht besser als die Zicke neben ihr. Wie man sich in Menschen täuschen kann!
Kopfschüttelnd wende ich meinen Blick wieder von den anderen Erbinnen ab und blicke zu der Frau, die sich wie eine unüberwindbar Hürde vor mir auf gebaut hat, zurück:“ Du kannst mich hier nicht festhalten, Hilley. Ich bin nicht dein Kind und du hast auch nicht die Macht über mich, also lass mich verdammt nochmal einfach vorbei!“ Die letzten Worte schreie ich regelrecht, als ich die Kontrolle verliere.
Geschockt starrt sie mich an, tritt jedoch immer noch nicht zur Seite. Ich packe meinen Sack und schiebe mich genervt an Hilley vorbei. Sie währt sich weder, noch hält sie mich auf, was mich doch sehr verwundert.
Als ich mich endlich an ihr vorbei quetscht habe, laufe ich auch an Ruby und Aria vorbei ohne sie eines Blickes zu würdigen. Nach ihrer tollen Unterstützung heute, schulde ich ihnen weder einen Blick noch irgendwas anderes.
Sobald ich meinen Fuß auf den harten kalten Boden stelle, beginnt es plötzlich zu regnen. Nicht im Ernst oder? Mein Leben hast mich echt!
Ich laufe durch den Regen davon. Es ist mir scheißegal, was die Anderen jetzt von mir denken. Schon oft habe ich Entscheidungen getroffen, dass sie immer richtig waren, kann ich nicht sagen, aber ich treffe sie und bereue mein Handeln nie. Selbst dann nicht, wenn sie fatalen Folgen haben. Ich stehe komplett hinter meinen Entscheidungen, was mich schon oft stark gemacht hat.
Meine Füße versinken im mittlerweile entstandenen Matsch, während ich weiterhin kontinuierlich auf Kurs bleibe.