Julias Stimmung schwankte zwischen großer Vorfreude und großer Aufregung. Natürlich hatte sie ihre Schwangerschaft nicht für sich behalten können, Eivor wusste ebenfalls Bescheid, aber heute würde endlich auch Steppi eingeweiht werden. Sie hatte so viele Sätze im Kopf, wie sie Steppi am Besten von der Neuigkeit erzählen wollte, dass sie gar nicht wusste, wie sie es am Besten sagen sollte. Die Uhr verriet, dass er jeden Moment die Tür hereinkommen könnte und Julia lief im Wohnzimmer auf und ab, um sich die Zeit zu vertreiben. Nach noch zwei Schwangerschaftstests zur Sicherheit war es für sie nun mittlerweile Fakt und sie konnte es kaum erwarten, gleich Steppi davon zu berichten. In Gedanken legte sie sich schon die ersten Sätze zurecht und wog ab, mit welchen Sätzen sie am ehesten Erfolg haben würde.
Die Haustür klickte und Julia blieb stehen und wandte sich dann dem Hausgang mit einem breiten Lächeln zu. Nachdem die Tür wieder ins Schloss gefallen war, dauerte es noch einen Moment bis Steppi hereinkam. Er ließ die Sporttasche geräuschvoll fallen, dann hatte er auch schon seine Freundin in den Armen.
Julia entschädigte jede Niederlage bei dem Turnier. Die Wiedersehensfreude war einfach viel zu groß, um noch viel Enttäuschung zu verspüren. Gierig sog Steppi den Duft ihrer Haare ein und entspannte sich davon fast augenblicklich.
„Ich habe dich sehr vermisst, ich habe nicht gedacht dass es wird so schlimm, so lange ohne dich“, raunte er leise und drückte sie dabei noch ein wenig fester an sich.
„Ich habe dich auch sehr vermisst. Wie geht es dir?“.
„Ich habe Hunger“, antwortete Steppi wahrheitsgemäß und entlockte Julia damit ein Lachen.
„Gut, dann bist du noch ganz der Alte. Ich möchte dir noch was Wichtiges sagen, willst du das vor oder nach dem Essen hören?“.
„Ist es etwas schlimmes?“.
„Nein, eigentlich etwas sehr schönes. Aber wir haben bestimmt beide nicht damit gerechnet.“
Steppi neigte den Kopf zur Seite und betrachtete seine Freundin. Welche schöne Neuigkeit konnte sie ihm verschwiegen haben? Er hatte vermutet, dass ihre ausgesprochen gute Laune und ihr breites Lächeln vom Wiedersehen herrührten, aber welche Nachricht konnte sie denn noch dazu positiv beeinflussen? Hatte es vielleicht was mit dem Studium zu tun? Die Neugier siegte schließlich.
„Erzähl jetzt, ich bin zu neugierig“, verlangte Steppi und hauchte dann einen Kuss auf ihre Stirn.
Julia atmete noch einmal tief ein, bevor sie zum Sprechen ansetzte. In ihrer guten Laune hatte sie bisher verdrängt, dass Steppi vielleicht gar nicht begeistert war von dem Kind. Aber jetzt drang es wieder langsam in ihr Bewusstsein. Das ließ ihre Nervosität beinahe ins Unermeßliche steigen. Alle Sätze, die sich vorher in ihrem Kopf gebildet hatten, waren auf einmal wie weggefegt.
”Steppi… ich weiß, dass das nicht geplant war, aber ich bin… naja, ich bin schwanger, seit gut drei Wochen”, brachte sie mehr stotternd als sprechend heraus.
Steppi öffnete den Mund vor erstaunen und schloss ihn langsam wieder. Die Worte kamen erst langsam in sein Bewusstsein. Julia war schwanger. Er wurde Vater. Aber wie? Er konnte sich nichts vorstellen, wie es hätte passieren können. Sie hatten verhütet, wie also sollte sie schwanger sein?
”Ich... verstehe nicht. Wie?”, flüsterte er mit belegter Stimme. Sie hatten doch immer verhütet?! Es konnte einfach nicht sein. Und wenn doch, war es wirklich purer Zufall?
Julia war von Steppis Reaktion verletzt, obwohl sie tief in sich drin wusste, dass sie berechtigt war. Sie griff nach seinen Händen, suchte dort irgendwie Halt, bevor sie ihm antwortete.
”Ich weiß es nicht, wirklich. Ich war genau so überrascht wie du. Ich habe ziemlich komische Essgewohnheiten entwickelt und Liv hat mich darauf angesprochen und verlangt, dass ich einen Schwangerschaftstest mache. Jetzt habe ich drei Stück gemacht und alle waren positiv...”.
Steppi stöhnte leise auf. Er hatte mit vielem gerechnet, aber damit? Nie im Leben. Seine Gedanken rasten wild von der jetzigen Situation zu einem Gespräch von vor wenigen Wochen. Nutzte sie ihn wirklich nur aus? Schob sie ihm ein Kind unter? Eigentlich hätte er es ihr nie im Leben zugetraut, dessen war er sich immer noch sicher. Aber dass sie ausgerechnet jetzt schwanger war, so kurz nach dem Gespräch, konnte das wirklich Zufall sein?
Steppi studierte Julias Mienenspiel, ihr standen Tränen in den Augen. Sie wirkte überhaupt nicht berechnend genug, um ihn so zu veräppeln. Er hatte sich viel zu sehr von negativen Gedanken leiten lassen, sie konnte ihm einfach kein Kind unterschieben, so war Julia nicht.
Er umarmte Julia fest und streichelte ihr über die Haare. Ein wenig schämte er sich dafür, dass überhaupt Zweifel an ihm nagten. Julia hatte ihm keinen Grund gegeben und vermutlich war er einfach nur paranoid.
”Entschuldigung. Es war zu viel. Es ist alles ok”, murmelte er.
Erleichtert schlang Julia ihre Arme um Steppi und kuschelte sich an seine Brust. Sein Zögern hatte ihr Angst eingejagt, Angst davor, dass er sie ablehnen könnte. Es hatte schon fast lange genug gedauert, um Julia davon zu überzeugen, einfach wegzulaufen. Glücklicherweise hatte sich Steppi noch rechtzeitig entschieden, sein unverwandter Blick in ihre Augen hätte sie nicht viel länger ertragen können.
”Du warst schon bei ein Arzt?”, fragte Steppi dann.
”Nein, das wollte ich die nächsten Tage machen. Ich dachte, vielleicht möchtest du mit, deshalb wollte ich auf dich warten. Möchtest du?”.
”Ja, ich möchte, natürlich.”
Julia lächelte und küsste Steppi auf sein Kinn, höher kam sie so eng an ihn gepresst nicht. Wenn Steppi wirklich mit zum Arzt wollte, hatte Julia keine Zweifel mehr, dass er ihr zur Seite stand.
Steppi wiederum küsste sie auf die Stirn.
”Bist du mir böse wegen mein Reaktion eben?”.
”Nein, gar nicht, ist alles vergessen. Ich freue mich, dass es jetzt endlich erzählt ist. Es war schrecklich, dir das am Telefon nicht zu sagen. Ich bin froh, dass ich wenigstens Eivor und Liv hatte, denen ich es erzählen konnte. Lass uns aber jetzt über etwas anderes reden. Du hast bestimmt Hunger, oder? Wie wäre es, wenn ich anfange zu kochen und du packst kurz aus, dann kannst du mir ja helfen?”.
Steppi nickte. ”Essen ist gut. Zum Glück ich habe noch einen Tag frei so ich kann ihn genießen. Ich komme dir gleich helfen. Wenn du willst du kannst auch auf mich warten so wir können gemeinsam beginnen zu kochen.”
Nach einem weiteren Kuss ging Steppi zurück in den Hausgang, schulterte seine Sporttasche auf dem Weg dorthin und durchwühlte seine Jackentaschen nach wichtigen Sachen. Sein Handy steckte er in die Hosentasche, dann trug er seine Sporttasche ins Schlafzimmer. Auspacken war nicht schwer, die meiste Wäsche gehörte ohnehin in die Maschine. Nachdem Steppi aus den Seitentaschen noch ein paar Kleinigkeiten gepackt hatte, trug er die Wäsche ins Bad und startete eine Maschine. Gerade als er sich wieder umdrehte um Julia jetzt zu helfen, vibrierte sein Handy.
Steppi fischte es aus der Hosentasche und erkante dann, dass er eine Messengernachricht von einer unbekannten Nummer erhalten hatte. Er gab nicht vielen Leuten seine Nummer, deshalb wunderte er sich darüber, dass die Nummer nicht eingespeichert war.
Hej Steppi, wie geht es dir? Ich habe von Aron deine Nummer bekommen, ich hoffe es ist okay. Ich habe mitgefiebert beim Turnier, ihr habt wirklich gut abgeschnitten? Gibt es sonst was Neues? Wie geht es deiner Freundin? Liebt sie dich noch?
Steppi musste nicht überlegen, wer die unbekannte Nummer war. Liljas Absichten waren noch zu deutlich vor seinen Augen. Warum Aron ihr seine Nummer geben hatte, musste er ihn bei Gelegenheit fragen. Aron wusste von Julia und hätte es sich eigentlich ausrechnen können, dass es nicht gut war, dass Lilja seine Nummer hatte. Aber das würde noch warten müssen, denn sie würden sich jetzt erst einmal nicht mehr sehen.
Zwei Stimmen fochten allerdings trotzdem in seinem Kopf um die Oberhand. Die eine mahnte ihn, Lilja nicht zu viel zu vertrauen, schließlich wollte sie ihn unbedingt haben. Die andere Stimme flüsterte ihm, dass Lilja vielleicht recht hatte und Julia ihn nur ausnutzte mit ihrer Schwangerschaft. Frustriert darüber, dass er überhaupt eine Sekunde an Julia zweifelte, schüttelte Steppi den Kopf. Er steckte das Handy weg und ging ins Schlafzimmer, um seine Sporttasche wegzuräumen. Sein Handy legte er auf den Nachttisch und er brachte möglichst schnell Abstand zwischen sich und Lilja, indem er zurück in die Küche ging.
Dort schnitt Julia schon Gemüse klein, sie hatte also nicht auf ihn gewartet. Sie schaute auf, als er zu ihr kam und dann lächelte sie.
”Bist du schon fertig?”.
Steppi nickte und küsste Julia sanft an der Schläfe.
”Sag, was ich dir kann helfen. Wenn du bist schwanger ich möchte nicht, dass du musst schwere Sachen machen.”
Auf Julias Gesicht schlich sich ein leichtes Lächeln. Eigentlich mochte sie es nicht, wie ein rohes Ei behandelt zu werden, aber sie wusste, dass Steppi sich nur um sie sorgte.
”Kannst du bitte den Tisch decken und dann Reis aus dem Keller holen und kochen? Dann muss ich mich nur noch um das Gemüse kümmern.”
Steppi nickte und machte sich schon auf den Weg in den Keller, während Julia weiter Gemüse schnippelte. Sie beide waren der Überzeugung, dass sie das irgendwie schon schaukeln würden. Auch wenn an Steppi leise, aber stetig Zweifel nagten.