Es dauerte eine Weile, bis Steppi und Julia einen Termin gefunden hatten, an dem der Arzt offen hatte und Steppi frei hatte. Bis der Termin allerdings war, dauerte es noch eine Weile. Inzwischen hatten sich die beiden an den Zustand der Schwangerschaft einigermaßen gewöhnt.
Julia hatte beschlossen, das laufende Semester noch fertig zu machen und dann ein Semester Urlaub zu beantragen, mit dem Semesterferien würde die Zeit reichen, um nach der Geburt noch ein paar Monate für sich zu haben.
Allerdings war Steppi mittlerweile so fürsorglich geworden, dass es für Julia manchmal sogar schon nervig wurde. Mittlerweile ging er wenigstens wieder zum Training, ohne dass Andy aus dem Haus ziehen musste, die ersten paar Tage war es anders gewesen.
Heute hatte Julia ihren unifreien Tag und sich dementsprechend viel vorgenommen. Sie war ein Frühaufsteher, deshalb war sie schon kurz nachdem Steppi aus dem Haus gegangen war putzmunter und machte ein paar Kleinigkeiten in der Küche.
Bevor sie allerdings dazu kam, noch mehr zu arbeiten, machte ihr die Morgenübelkeit einen Strich durch die Rechnung.
Die immer wieder kehrende Übelkeit fesselte Julia ans Sofa, von dem aus es nicht weit zur Toilette war. Dort lag sie in eine Decke eingeschlagen und hatte sich irgendwann dazu entschlossen, einfach ein Buch zu lesen, um sich die Zeit zu vertreiben.
Liv, Eivor und Therese hatten ihr eine Menge Schwangerschaftsliteratur überlassen. Von den vielen Tipps, die sich teilweise widersprachen, wurde Julia schwummerig. Hatte sie ein Kapiel fertig, hatte sie das Gefühl, ihr Kind niemals richtig erziehen zu können und schon jetzt alles falsch zu machen.
Als Steppi dann die Haustür öffnete, legte sie ihr Buch beinahe schon erleichtert zur Seite. Sie begrüßte ihn mit einem Lächeln und erhob sich vorsichtig von dem Sofa, um eventueller plötzlicher Übelkeit vorzubeugen. Steppi küsste sie zur Begrüßung auf den Scheitel.
”Wie geht es euch?”, fragte er.
”Heute war es okay. Eigentlich wollte ich viel mehr machen, aber dann war mir fast die ganze Zeit schlecht, also hab ich dieses Buch von Liv gelesen und mich abgelenkt...”.
Steppi warf einen Blick auf das Sofa, wo ein Buch aufgeschlagen auf den Seiten lag, vermutlich dort, wo Julia zu lesen aufgehört hatte.
”Was ist das für ein Buch von Liv?”.
”Schwangerschaftsratgeber natürlich, sie brauchen ihn ja bisher nicht, dann hat sie ihn mir so lange geliehen.”
Steppi brauchte einen Moment, um die Informationen in diesem Satz zu ordnen und zog dabei die Augenbrauen zusammen.
”Was… Moment. Liv hat Schwangerschaftsliteratur? Meinst du, dass sie…?”.
”Sie probieren es schon seit ungefähr vier Wochen”, grinste Julia, ”klingt wohl danach, als hättest du das nicht gewusst?”.
Von der Information geplättet setzte sich Steppi auf das Sofa und atmete einmal hörbar aus.
”Nein, Niklas hat nichts erzählt so ich habe gar nichts gewusst. Das ist ein Überraschung heute.”
Immer noch grinsend setzte sich Julia neben ihn und tätschelte ihm die Hand.
”Na dann weißt du es ja jetzt. Ich hoffe, die beiden packen es auch bald, dann können unsere Zwerge vielleicht zusammen groß werden. Aber jetzt ein anderes Thema, hast du Hunger?”.
”Immer”, gab Steppi ebenfalls grinsend zurück, ”so du kannst ein bisschen dich hinlegen und ich mache etwas zu essen, okay?”.
Julia zögerte erst kurz, dann widersprach sie Steppi aber doch. Der Wunsch, etwas essbares zu essen war zu groß.
”Das ist lieb von dir Schatz, aber ich kann dir auch helfen. Weißt du noch, dass dir gestern das Gemüse verbrannt ist?”.
Steppi senkte betreten den Kopf. Es war ihm peinlich gewesen, dass er gestern das Essen, das er das erste Mal ganz alleine gekocht hatte, versaut hatte. Das Gemüse war schwarz geworden und das Stück Fleisch glich eher einer Schuhsohle.
Julia nahm Steppis Hand und drückte sie beruhigend, sie hatte seinen traurigen Gesichtsausdruck richtig gedeutet.
”Ich freue mich, dass du mir helfen willst und es ist auch nicht schlimm, dass das gestern schief gegangen ist. Du musst einfach noch ein bisschen üben. Heute helfe ich dir einfach nochmal, vielleicht habe ich dich auch zu früh alleine gelassen und es war eigentlich mein Fehler, okay? Lass den Kopf nicht so hängen, das kriegen wir schon noch hin.”
Steppi, davon wieder ein wenig aufgemuntert, lächelte.
”Okay, du hast Recht. Aber ich möchte, dass ich hole das Essen aus dem Keller so du musst nicht tragen schwer.”
Julia seufzte. Steppis Fürsorge war schon länger etwas zu viel des Guten und langsam überspannte er den Bogen. ”Steppi, das ist wirklich lieb von dir, aber solange es nur ein Glas Gurken ist, kann ich das auch noch selbst, weißt du? Einen Sack Kartoffeln kannst du gerne alleine holen, aber ich bin noch nicht so weit, dass ich gar nichts mehr anfassen darf. Lass mir bitte noch ein bisschen Luft zum Atmen, wenn ich weiter bin wirst du mir immer noch genug abnehmen müssen. Bitte.”
”Ich dachte, dass es ist etwas gutes wenn ich dir helfe”, nuschelte Steppi betreten und Julia hatte schon wieder ein schlechtes Gewissen.
”Es ist auch etwas gutes. Aber ein wenig viel im Moment. Ich kann noch ziemlich viel alleine machen und das möchte ich auch noch, solange es irgendwie geht, okay? Ich freue mich, dass du mir helfen möchtest, aber den Großteil wirst du kurz vor und nach der Geburt machen dürfen, schätze ich.”
Steppis zerknirschter Gesichtsausdruck besserte sich davon nicht wirklich. Er war bisher der Meinung gewesen, alles perfekt zu machen wenn er Julia die Arbeit abnahm. Dass das offenbar nicht der Fall war, verunsicherte ihn erheblich. Genau das konnte Julia auch in seinem Gesicht ablesen.
”Steppi, es tut mir leid, okay? Ich wollte eigentlich nur, dass du weißt, dass du nicht alles für mich machen musst. Wir sind doch ein Team und nicht Arbeitssklave und Herrin, oder?”.
Der Vergleich zeigte Steppi endlich, was Julia gemeint hatte: Er hatte ihr so viel Arbeit abgenommen, dass sie gar nichts mehr zu tun hatte. Dass ihr da langweilig wurde, konnte er wenigstens nachvollziehen.
”So Steppi, was hältst du von Kartoffelsuppe mit Würstchen und dazu Brot zum Abendessen?”.
”Das klingt lecker”, stimmte er zu.
”Gut. Dann hol bitte die Kartoffeln aus dem Keller, der Sack ist mir nämlich tatsächlich viel zu schwer. Ich schaue mal, was ich in der Zeit oben schon machen kann.”
Julia küsste Steppi und gab ihm einen Stups in Richtung Keller. Steppi machte sich auf den Weg nach unten und währenddessen richtete Julia Kochtopf, Kartoffelschäler und Schüsseln in der Küche.
Steppis Laune war schon wieder erheblich gestiegen, als er sich am Kartoffelsack zu schaffen machte. Die Vorstellung, dass Julia ihn als gleichberechtigten Teampartner betrachtete, war vorher gar nicht richtig zu ihm durchgedrungen, aber je länger er darüber nachdachte, desto stolzer war er darüber. Damit hatte Julia die letzten Zweifel ausgeräumt, dass sie ihn doch nur ausnutzen wollte. Was wusste Lilja denn schon von ihrer Beziehung, aus ihr sprach vermutlich nur der Neid.
Gut gelaunt trug er den Kartoffelsack nach oben, stellte ihn in der Küche auf die Anrichte und küsste Julia, die gerade am Herd stand, auf die Wange.
”Du, hast du dir eigentlich schon ein Name überlegt für unser Kind? Wir müssen reden darüber finde ich, oder?”.
”Also, wir gehen jetzt erst mal zum Arzt”, grinste Julia, ”und dann wissen wir, wenn wir ganz viel Glück haben, vielleicht sogar schon, was es vermutlich wird. Wenn wir das wissen, können wir ja gerne über Namen diskutieren, aber findest du das vorher wirklich sinnvoll? Ich nicht so richtig.”
”Ich weiß nicht”, murmelte Steppi, ”ja, ich habe schon nachgedacht darüber, so ich wusste nicht, vielleicht ein Name für Junge und Mädchen, mehr kann es ja nicht werden. Ich wollte so gerne wissen wie du findest die Namen die ich gut finde.”
Julia seufzte hörbar. ”Na gut, dann erzähl mal, welche Namen du gut findest. Aber dabei können wir gerne schon Kartoffeln schälen, mh?”.
Sie drückte ihm Kartoffel und Schäler in die Hand und schnappte sich dann selbst ein zweites Paar, um ebenfalls mit dem Schälen zu beginnen.
Gehorsam schälte Steppi die erste Kartoffel.
”Also ich finde dass wenn es sind meine Kinder, sie können auch Namen von Island, so wie Svala oder Thor oder so etwas, das finde ich eigentlich schön”, erzählte er dabei.
Julia bemühte sich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck, auch wenn die Namen ihr überhaupt nicht gefielen.
”Also, naja, nordische Namen finde ich eigentlich gar nicht so schlecht und wenn du aus dem Norden kommst, können wir das gerne machen, aber müssen es die beiden Namen sein? Oder gehen auch andere nordische Namen?”.
Steppi versuchte, seine Enttäuschung darüber zu verbergen, dass Julia die Namen offenbar nicht wirklich gut fand.
”Wenn du mir kannst sagen welche Namen, dann wir könne reden, aber so ich weiß nicht, wieso die Namen sind schlimm?”.
”Sind sie gar nicht. Wie wäre es, wenn wir mal abwarten, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird und dann schauen wir mal, für welchen Namen wir uns dann entscheiden, einverstanden? Es sind nur noch ein paar Tage, bis wir es vermutlich erfahren, so lange wirst du es noch aushalten können.”
Weil Steppi keinen Streit beginnen wollte, stimmte er zu. Immerhin war es ja noch ein absolutes Nein zu den Namen, die er vorgeschlagen hatte. Außerdem freute er sich auf das gemeinsame Essen.