Ich stolpere aus dem dichten Wald heraus. Meine Knochen schmerzen und ich fühle mich total ausgelaugt. Als ich der Lichtkegel auf eine Lichtung vor mir fällt, erhöhe ich jedoch trotz deiner Erschöpfung noch ein letztes Mal mein Tempo.
Vielleicht würden sich manche jetzt fragen, wieso ich so erschöpft bin, da man den Mond ja nur in der Nacht sehen kann, weshalb ich eigentlich Zeit gehabt haben sollte, mich am Tag auszuruhen, doch so einfach ist das leider nicht.
Die Städte, die ich auf meinem Weg durchquert habe, laden nämlich nicht sonderlich zum Entspannen ein. Das liegt nicht an den Städten selbst, sondern an einigen Leuten, die dort leben. Ich sage einfach mal, dass es so ist, dass man lieber aufpassen sollte, wie man sich in der Gegenwart von Verdächtigen befindet. Es gibt viele Leute, die stehlen, um überleben zu können. Leider sind darunter oft auch Kinder, die nichts dafür können, dass sie sich in so einer misslichen Lage befinden.
Als ich aus dem Wald auf dich Lichtung trete, erstarre ich vor Überraschung. Vor mir stürzt ein kleiner Wasserfall in die Tiefe. Am Fuß des Wasserfalles, trifft die lebenswichtige Flüssigkeit auf die dunklen Steine und spritzt in weißer Gischt in alle Richtungen davon.
Das blaue Licht trifft genau auf den Teich in den das Wasser des Falles hinein fließt. Irgendwas kommt mir an diesem Bild bekannt vor.
Ich schließe die Augen, sodass ich mich nicht nur auf meine Augen, sondern auch auf meine anderen Sinne verlassen kann. Meine Eltern haben mir immer gesagt, dass ich mich nicht nur auf meine Augen, sondern auch auf meine anderen Sinne verlassen soll.
Das Erste, was ich wahrnehme ist das Geräusch des auf die Steine klatschenden Wassers. Als nächstes höre ich das leise Zirpen einiger Grillen, die sich wohl einige Meter entfernt befinden müssen.
Als nächstes steigt mir der saftige Geruch des feuchten Grases unter meinen Schuhen in die Nase und sofort erscheint das Bild eines warmen Sommertages, den man mit der ganzen Familie verbringt, in den Kopf. Die Kinder spielen Fangen, während die Eltern ein Stück entfernt auf einigen Baumstämmen sitzen und sich angeregt unterhalten.
Der Wind pustet sanft gegen mein Gesicht und wirbelt meine Haare durcheinander. Auch einige Wassertropfen treffen auf meine Haut und ziehen innerhalb von Sekunden in meine Haut ein. Mir ist zuvor noch nie aufgefallen, dass das so schnell geht. Oder hat das auch mit meinen Kräften zu tun?
Die Flüssigkeit gibt mir langsam die gewohnte Kraft zurück und wirkt wie Balsam für meinen Körper und meine Seele.
Als ich meine Augen wieder öffne, weiß ich plötzlich ganz genau, wieso dieser Ort mir so schrecklich bekannt vorkommt. Es ist der Platz, den ich als zweites in meiner Vision gesehen habe. Ich hätte nicht erwartet, dass es diesen Ort wirklich gibt.
Schnell lege ich meinen Mantel ab, um beim Schwimmen nicht unnötig behindert zu werden. Auch meine Schuhe streife ich ab und lasse sie neben den Mantel ins Gras fallen.
Die Aufregung zerreißt mich fast. Wenn das hier mit meiner Vision identisch ist, finde ich vielleicht auch den blauen Stein im Inneren der Wasserblume. Ich erinnere mich, dass das kleine Splitterstück an meiner Kette ein Teil des Kristalls sein muss. Wenn ich also den Kristall finde, müsste er doch genau wie meine Kette, als ich sie zum ersten Mal umgelegt habe, leuchten, oder?
Ich steige in die Flut hinein und laufe langsam weiter bis alles, abgesehen von meinem Kopf, unter der Wasseroberfläche verschwunden ist. Mit einem weiteren Schritt bin ich unter der Oberfläche und beginne zu tauchen.
Immer weiter tauche ich zum Grund. Es fühlt sich so an als wäre ich schwerelos. Meine Bewegungen sind langsam und entspannt. Erst versuche ich die Luft anzuhalten, doch dann fällt mir wieder ein, dass ich ja unter Wasser atmen kann. Sofort lasse ich die Luft wieder auf meinen Lungenflügeln entweichen. Meine Atmung und meine Bewegungen sind nun ganz im Einklang.
Als ich jedoch am Grund angekommen bin, packt mich die Verzweiflung. Dort sind keine Wasserblumen wie in der Vision. Wo sind sie? Ich versuche am Boden zu bleiben und keine Panik zu bekommen. Deshalb tauche ich weiter und suche. Vielleicht finde ich ja noch irgendwo etwas.
Nach wenigen weiteren Bewegungen, spüre ich den Wasserfall, der über mir in die Tiefe stürzt.
Nachdem ich ihn hinter mich gebracht habe, sehe ich plötzlich doch etwas hinter einem Felsen aufleuchten. Schnell schwimme ich weiter und sehe tatsächlich etwas Unglaubliches. Ich halte mich am Felsen fest und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Vor mir sprießen zahlreiche Wasserpflanzen aus dem schlammigen Boden heraus. Die Freude übermannt mich. Wieso überkommen mich meinen Gefühle heute so wechselhaft?
Die Blumen sind noch schöner als in meiner Vision die Blütenblätter leuchten, während das Innere eher glitzert.
Eine von ihnen ist größer als die Anderen, weshalb ich ihr näher komme. Ihre Mitte ist so gebaut wie eine besondere Fassung, damit etwas darin festgehalten werden kann. Wie beispielsweise ein Korn, ein Samen oder sogar in Kristall und mit großer Sicherheit auch ein Blauer, doch wo ist er? Wo ist der Wasserkristall?
War etwa jemand anderes vor mir hier und hat ihn sich geschnappt oder gab es niemals einen? Hat Hilley mich angelogen? War meine Vision fehlerhaft?
Ich muss unbedingt zurück zu den Anderen und ihnen sagen, dass er weg ist. Hilley wird sicher wissen, was das es damit auf sich hat.