Schließlich war es Sezuna, die das unangenehme Schweigen brach.
„Wie war euer erster Unitag?“, fragte sie und blickte dabei bewusst Orion und Lika an.
Wenn Kaden sie ignorierte, konnte sie das auch!
„Er war ok... denke ich“, gab Orion zurück und blickte abwechselnd zu Sezuna und Kaden. „Wir sollten vielleicht darüber nachdenken wo wir als nächstes ansetzen wollen, jetzt nach der... Hotelsache.“
Wieder hob Kaden seine rechte Hand, deren Ellenbogen auf dem Tisch abgestürzt war, an sein Gesicht und rieb sich über die Stirn.
„Wie wär‘s wenn wir die Sache lieber langsam angehen würden und ein paar Kontakte knüpfen? Die werden später noch mehr als hilfreich sein“, entgegnete er überraschender Weise in einem ernsteren Tonfall.
Lika musterte ihn kurz. Sie war zwar fasziniert von der Welt der Menschen, konnte aber Orion auch verstehen. Dieser wollte den Auftrag so schnell wie möglich beenden. Das konnte sie ihm ansehen.
Und Lika ging es ähnlich.
„Kaden hat recht. Wir werden lange hier sein. Ich denke nicht, dass der Rest so einfach wird, wie die letzte Sache“, erklärte sie und beobachtete, wie Alexa in den Raum kam.
Sezuna fiel sofort eine wunderschöne Kette auf, die nur halb aus dem Ausschnitt von Alexas Oberteil schaute. Doch als sich die junge Frau an einen anderen Tisch setzte und die Gruppe gar nicht bemerkt zu haben schien, wandte sich Sezuna wieder ihren Tischpartnern zu.
Seufzend lehnte sich Orion ein Stück zurück und rieb sich die Nasenwurzel. Eine Geste die Lika bereits zu gut kannte, besonders wenn er in der Gegenwart seines Vaters war. Er hatte Einwände, doch hielt sich dennoch zurück.
Er ließ die Hand wieder sinken und schweifte mit seinen grünen Augen zu der Blauhaarigen.
„Was denkst du?“, fragte er und versuchte Lika ein Gefühl von Normalität zu bieten.
Für ihn war es genauso schwer wie für sie, da sie beide jahrelang nur zusammengearbeitet hatten, doch nun gab es zwei weitere an die sie sich anpassen mussten.
„I... Ich weiß nicht. Es ist vielleicht nicht schlecht sich hier ein möglichst normales Leben aufzubauen. Wir wissen nicht, wie lange wir bleiben werden“, bemerkte sie ein wenig unsicher und trank einen Schluck Schokolade.
„Lika hat Recht. Wir arbeiten zwar, doch das heißt nicht, dass wir nicht auch leben dürfen“, fügte Sezuna hinzu und leerte ihren Kaffee, ehe sie dem Kellner zu verstehen gab, dass sie gern noch etwas hätte. Ihr stand der Sinn nach einem Eis.
„Wir müssen auch schauen, dass wir irgendwie an einen Job ran kommen. Das Geld, was wir mit hatten, geht auch langsam zur Neige. Dafür sind auch Kontakte wichtig“, erklärte die Rothaarige weiter, die das Ganze versuchte möglichst rational zu sehen.
„Unfassbar, dass der Staat uns nicht mal finanzieren will...“, murrte Kaden bei dem Gedanken auf der Erde arbeiten zu müssen.
Auch wenn er wusste, dass hier so gut wie keine Magie herrschte, so schien es ihm dennoch absurd solch minderwertige Arbeit zu verrichten, wenn er doch eigentlich besseres zu tun hätte.
Im Gedanken versunken, merkte er gar nicht wie sich sein Blick unbewusst auf Likas Pulsschlagader gerichtet hatte. Seine Ohren schienen sich in dem gleichmäßigen Geräusch ihrer pulsierenden Adern zu verlieren.
„Ich kann schon verstehen, dass das zu auffällig werden würde. Wir müssen eben so normal wie möglich sein“, bemerkte Sezuna und blickte zur Orion. Nur schien sie ein ähnliches Problem zu haben, wie Kaden. Denn da sie den Blick von unten nach oben schweifen ließ, kam sie nicht weiter, als zu Orions Halsschlagader.
Unweigerlich leckte sie sich einmal mit der Zunge über die Lippen und senkte ein Stück die Augenlider.
Als wäre Kaden so eben aus einem Albtraum erwacht, kniff dieser die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, um wieder zu Bewusstsein zu kommen.
„Ich... bin müde. Ich geh mich hinlegen“, vollkommen zerstreut erhob er sich von seinem Stuhl und hatte das Gefühl jeden Herzschlag im Raum wahrzunehmen.
Wiederholt schluckte er, als er merkte wie sich Speichel in seinem Mund sammelte.
Er fragte nicht mal nach Likas Zimmerschlüssel, da diese davon ausging er würde ein Nickerchen in ihrer Wohnung machen.
Stattdessen blieb er einige Sekunden vor seinem Stuhl stehen, um sie mental für seinen Weg zu wappnen.
Orion der Sezuna besorgt musterte, hielt sich gerade noch zurück sich zu ihr nach vorne zu lehnen.
„Alles ok?“, so beiläufig wie möglich richtete er sich ein Stück auf, um seine Arme auf dem Tisch abzulegen.
Bei dieser Bewegung zuckte Sezuna und erhob sich ebenfalls. Ihr Eis war bereits geleert, doch es hatte den Hunger nicht gestillt.
„Ich werde mich auch hinlegen gehen“, erklärte sie und spürte, wie ihr Mund trocken wurde.
Verdammt. Sie hatte Hunger und Kaden war dies ebenfalls anzusehen. Daher war es besser, wenn sie nicht in Kadens Nähe war, denn dieser würde ihre Gefühle auch aufnehmen und dadurch würde er vielleicht die Kontrolle verlieren.
Aber wo bekam sie jetzt auf die schnelles Blut her? Sie konnte doch nicht einfach irgendjemanden in eine dunkle Gasse zerren!
Verdammt waren sie schlecht vorbereitet.
Nach einem tiefen Atemzug verließ der Vampir das kleine Café, ohne wirklich zu wissen wohin er ging. Unbewusst sah er hinter sich und merkte erst jetzt, dass er Sezuna mit sich gezogen hatte.
Er ging bereits davon aus, dass sie seinen Hunger bemerkt haben musste, schließlich kannte sie ihn lange genug, um die Zeichen deuten zu können.
Er blieb stehen und löste seinen Griff um ihr Handgelenk.
„Kennst du vielleicht jemanden?“, fragte er schon hoffnungsvoll während sich die Sicht vor seinen Augen verschwamm.
„Nein“, erklärte sie ein wenig heißer. „Aber ich habe da vielleicht eine Idee“, fügte sie hinzu.
Ganz in der Nähe war eine Blutspende. Dort würden sie vielleicht an ein paar Blutbeutel kommen. Doch das hieß auch, dass sie sich zusammenreißen mussten, weil dort sehr viel Blutgeruch in der Luft lag. Ob das so eine gute Idee war, konnte sie im Moment noch nicht sagen.
Kaden dagegen der noch nicht mal ihre Idee gehört hatte begann zu strahlen.
„Sehr gut! Ok was brauchen wir? Fesseln? Knebel? Chloroform? Ich find ja es verdirbt ein wenig den Geschmack aber ich bin am verhungern“, er schien bereits begeistert einen Plan zu schmieden, während sich Sezuna nicht mal sicher war, ob die Idee überhaupt so eine gute Idee war.
„Fuu“, machte sie ein wenig verärgert. Bei Kadens Aufzählung wurde ihr Hunger nur noch schlimmer.
Wie gern hätte sie sich jetzt einfach jemanden von der Straße geschnappt!
Zuhause musste sie einfach nur fragen und die Menschen im Dorf ließen sie trinken. Immerhin bekamen sie dafür auch etwas zurück.
Die Flüssigkeiten, die sie bei einem Biss absonderten, töteten Krankheitserreger. Zumindest in Maßen.
So sorgten die Vampire für eine gesunde Bevölkerung und die Menschen waren froh, wenn sie einen kostenlosen Gesundheitscheck bekamen.
Es war eben eine Symbiose in der sie lebten. Auch wenn das nicht alle Vampire so handhabten. Immerhin waren Vampire auf Grund ihrer Art immer ein wenig düsterer veranlagt, wie Kaden gerade deutlich gezeigt hatte.
„Wir gehen bei einer Blutspende vorbei schauen“, erklärte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Dort lässt sich bestimmt der ein, oder andere Blutbeutel entwenden.“
Kaden biss sich kurz auf die Lippe um nicht zu sehr seine Vorfreude preiszugeben.
„Keine Ahnung was das ist, aber ich will es. Wann gehen wir?“, fragte er und schien beinahe schon vor Ungeduld zu zappeln.
Das war schlimm, aber Sezuna wusste, dass ihr eigener Blutdurst auch schuld daran war. Kaden war wahrscheinlich nicht klar, wie sehr sie ebenfalls Hunger hatte.
„Jetzt“, sagte sie und ließ los. Sie wusste, dass Kaden ihr folgen würde. Sie hoffte nur, es würde nicht zu einem Blutrausch kommen. Eventuell sollte sie Kaden irgendwo abhängen und ihm was mitbringen.