Nervös kratze sich Orion im Nacken. Er musste immer noch an Sezunas Geste denken als sie seinen Hals betrachtet hatte. Natürlich war es ihm aufgefallen nur wusste er nicht genau wie er darauf reagieren sollte erst recht weil Lika direkt neben ihm saß.
Doch dass Kaden sie plötzlich mit sich gerissen hatte, nachdem er sie zuvor nicht eines Blickes gewürdigt hatte, machte ihm doch mehr zu schaffen als er wollte.
Er wusste eigentlich nichts über Vampire und er wusste auch nicht, wie nah die beiden vor einem Blutbad standen.
Vielleicht sollten sie ihnen lieber nachgehen?
Er wollte das Thema gerade ansprechen, als er jemanden flüsternd hörte und seine Ohren spitzte.
„In dem Geisterhotel soll letzte Nacht jemand angegriffen wurden sein. Die Polizei untersucht das Gebäude gerade“, erklärte eine ältere Frau ihrer Freundin, während sie einen Cappuccino tranken.
Fast schon unbewusst verspannte er sich.
„Ja ich bin heute Morgen daran vorbei gefahren, alles voll mit Streifenwägen. Ich glaube ich hab sogar gesehen wie sie einen schwarzen Plastikplane über einer Trage rausbrachten und wir wissen ja alles was das bedeutet“, entlegenere die andere Frau, als würden sie sich über etwas allgegenwärtiges unterhalten.
Vorsichtig schielte er zu Lika.
„Hast du es auch gehört?“, flüsterte er und versuchte weiter Gesprächsfetzen aufzuschnappen.
Doch diese unterhielten sich nur noch über den neuen Friseur der in irgendeiner Straße aufgemacht hatte.
Lika nickte mit den Kopf und zog ihr Tablet hervor, was zu ihrer Ausrüstung gehörte.
Mit einigen gezielten Handgriffen rief sie einen Bericht darüber auf.
Eigentlich hatte sie noch nicht erwartet, etwas zu finden, da dieser Vorfall noch nicht sonderlich alt war, aber die Presse dieses Landes schien sehr schnell.
„Es könnte sein, dass wir doch nicht so erfolgreich waren, wie wir angenommen hatten“, murmelte sie nachdenklich und legte das Tablet zwischen sich und Orion.
„Schieße!“, fluchte der Werwolf leise und ballte die Hände zu Fäusten. Sein Temperament zu zügeln war eine schwierigere Aufgabe als er gedacht hatte, da er am liebsten auf irgendwas draufgeschlagen hätte.
Er dachte einige Sekunde angestrengt nach und überflog den Bericht auf dem Bildschirm.
„Ruf Sezuna und Kaden an. Wir gehen heute Abend hin, sobald die Polizei sich zurückgezogen hat“, sagte er in einer Lautstärke, dass nur Lika es hören konnte.
Sie hätten wissen sollen, dass es zu einfach war. Verdächtig einfach.
Lika nickte. „Aber das machen wir draußen“, sagte sie, räumte ihr Tablet wieder weg und erhob sich, um für sie zu zahlen.
Nur wenige Minuten standen sie später draußen und Lika wartete darauf, dass Sezuna an ihr Handy ging.
Es dauerte ungewöhnlich lange und schließlich ging auch die Mailbox ran. Was Lika dazu brachte zu seufzen. Vielleicht war Sezuna schon eingeschlafen. Obwohl sie wohl noch nicht einmal zuhause sein sollte. Obwohl sie als Vampirin sehr schnell war, glaubte Lika nicht, dass die Rothaarige diese Fähigkeit in der Öffentlichkeit nutzte. Dazu kam sie ihr immer zu bedacht vor.
Orion der die Arme verschränkt vor der Brust trug, schien im Gedanken bereits einen Plan zu organisieren wie sie unbemerkt an den Polizisten ins Zimmer kommen könnten, sollten sich diese bis zum Abend nicht zurückgezogen haben.
Unter Umständen wäre es eine klügere Idee sich vorerst zurück zu ziehen, doch die Niederlage, dass jemand wegen ihm vermutlich sein Leben lassen musste, nagte zu schwer an ihm.
Er wollte keine Zeit verlieren.
Er hob den Blick zu der Blauhaarigen.
„Und?“
„Ich versuche es nochmal. Sie geht nicht ran“, erklärte Lika und hielt sich das Handy schon wieder an ihr Ohr.
Dieses Mal dauerte es zwar auch lange, aber schließlich hörte sie Sezunas Stimme, die ein wenig schmatzte.
„Was ist los?“, wollte sie wissen und klang träge.
„Wir brauchen dich und Kaden. Die Sache mit dem Hotel ist noch nicht geklärt“, erklärte Lika langsam und hörte Sezunas seufzen. Wahrscheinlich blickte sie geradezu Kaden, denn es raschelte kurz und sie konnte Kaden im Hintergrund hören.
Dieser schien jedoch weniger auf Likas Worte einzugehen sondern lachte nur während er mit Sezuna in Erinnerungen schwelgte. Was ging da vor sich?
Auch wenn Sezuna kurz kichern musste, von Kadens Bemerkung die wohl als Insider galt.
Sie räusperte sich schnell und versuchte wieder die seriöse Agentin zu sein die sie eigentlich war.
„Jetzt reiß dich zusammen! Wir haben eine Aufgabe!“
Kurz war es still am Ende der Leitung, bis Sezunas Stimme erklang: „Wir sind in einer halben Stunde wieder am Cafe. Bis dahin wirst du dich gedulden müssen“, erklärte sie und dann legte sie einfach auf.
Lika, die sehr verwirrt war, legte ebenfalls auf und blickte schulterzuckend zu Orion. „In einer halben Stunde.“
Orion runzelte nachdenklich die Stirn. Zum einen fragte er sich was genau bei Sezuna und Kaden ablief, doch diesen Gedanken verdrängte er schnell wieder. Und zum anderen fragte er sich ob Lika denn klar war das die beiden vermutlich gerade irgendjemanden abgeschlachtet hatten.
Sie schien jedenfalls nichts davon wirklich eine Bedeutung zu schenken.
Orion hingegen machte sich Sorgen.
Hatten die Vampire wirklich jemanden getötet, oder stimmten die Gerüchte nicht, dass ein Vampir tötete, wenn er trank?
Orion konnte es nicht sagen und er wollte es auch nicht wissen, wenn er ehrlich war. Nur schien es so, als würde er es noch erfahren.
Etwa eine Stunde später, tauchten dann auch endlich Sezuna und Kaden wieder auf.
Kaden schien viel wacher zu sein, als vor einer Stunde und auch Sezuna schien bester Laune.
Keinen von beiden war anzusehen, dass sie womöglich gerade jemanden abgeschlachtet hatten.
Dennoch war es Orion aufgefallen, dass sie beide frische Kleidung trugen und noch dazu frisch dufteten als wären sie gerade aus der Dusche gekommen. Lika zuliebe sprach er das Thema erstmal nicht an, erst wenn sich dazu eine Gelegenheit bieten würde.
Sie hatten ohnehin wichtigeres im Sinne.
„Also“, begann Sezuna und ihre goldenen Augen leuchteten in einer ungeahnten Intensität, als sie diese auf Orion richtete. „Warum genau habt ihr uns unterbrochen?“, fragte sie und es war sehr schwer, einen Unterton aus ihrer Stimme heraus zu hören. War sie sauer? Schwer zu sagen.
„Wir haben jemanden Flüstern hören, dass es in dem Geisterhotel einen Mord gegeben hat“, erklärte Lika, die sich ein wenig unwohl zu fühlen schien.
Orion wandte den Blick von den Vampiren ab und krempelte langsam seine Ärmel hoch, um etwas zu tun zu haben.
„Im Gegensatz zu den Vermissten wurde nun eine Leiche gefunden. Es könnte natürlich auch sein das es einfach ein Psychopath war, der sich aus Zufall dorthin verirrt hat, ist jedoch eher unwahrscheinlich“, komischerweise musste sich der Werwolf eingestehen, das ihn die Tatsache weniger störte das Sezuna Blut getrunken hatte, sondern eher das sie es mit Kaden getan hatte.
Er konnte sich gut vorstellen, dass Blut bei Vampiren dieselbe Wirkung hatte wie bei Werwölfen der Mond.
Und er wusste nur zu gut, wie er sich verhielt, wenn er zu viel Energie tankte.
Er vernahm ein unterdrücktes Lachen zu seiner Rechten und schielte zu Kaden der nach einigen Sekunden bereits aufgab das Lachen zurückzuhalten.
Dabei verschwieg der Vampir lieber, dass er sich über die Eifersucht die Orion unterbewusst spürte lustig machte.
„Das ist echt traurig Mann“, meinte er immer noch lachend und klopfte dem Vampir mit der Hand auf Schulter.
Gereizt griff Orion nach seiner Hand und verdrehte seinen Arm um ihm zu symbolisieren das er ihn nicht anfassen sollte. Doch Kaden lachte nur weiter.
Lika wirkte völlig irritiert und so blickte sie auch zu Kaden und Orion, ehe sie sich fragend an Sezuna wandte.
Diese hatte die Augen zusammengekniffen und musterte die beiden Männer. Irgendwas war komisch an der ganzen Sache. Und sie meinte nicht die Art von komisch, bei der man am Ende lachend am Boden lag.
„Wir sollten uns das näher ansehen. Vielleicht war es wirklich nur ein Psychopath, der die ganze Sache ausgenutzt hat“, bemerkte sie und hoffte, dass Kaden sich langsam wieder fing. Es lagen schon genug Blicke auf ihnen.
Orion ließ Kaden Arm los sobald Sezuna begann zu reden, und Kadens lachen verwandelte sich in ein Grinsen mit kurzzeitigem Schulterbeben.
„Ich kann mit Lika gehen, wenn ihr wollt“, schlug Kaden vor und legte einen Arm um die kleine Werwölfin. „Ich kann sie Gassi führen“, fügte er noch hinzu und zwinkerte Orion kurz zu. Dieser blickte ihn bloß ausdruckslos entgegen und schlug seine Hand von Likas Schulter.
„Kommt nicht in Frage. Du, ich und Sezuna, werden zum Hotel gehen und nach dem Rechten sehen. Lika du gehst nach Hause und recherchierst weiter. Wir müssen irgendwas übersehen haben“, erklärte der Werwolf der sich bereits Gedanken gemacht hatte. Er warf Lika einen fragenden Blick zu ob sie einverstanden war.
Er war davon überzeugt, dass diese nicht gerade gerne an einem Tatort zu Gange wäre.
Lika nickte und Sezuna warf Kaden einen fragenden Blick zu, ehe sie die Stirn runzelte.
Was sollte das denn jetzt? Warum hatte Kaden Orion zu gezwinkert? Warum wollte dieser sie mit Orion alleine lassen? Was hatte sie übersehen?
Mit einer Handbewegung verabschiedete Lika sich, denn sie fand die Situation nicht sonderlich angenehm.
„Kaden reiß dich zusammen. Du bist immer so... anstrengend, wenn du zu viel getrunken hast“, bemerkte Sezuna mürrisch, aber eigentlich war auch sie voller Energie und wollte diese irgendwie loswerden. Sie hatten beide ein wenig über die Stränge geschlagen.
Beinahe schon hyperaktive lief Kaden vor den beiden rückwärts und joggte langsam auf der Stelle.
„Sag doch sowas nicht! Genau das mochtest du doch an mir“, lachte er selbstgefällig und begann wieder zu lachen als er den Blick zu Orion richtete.
„Wie kommst du auf die Idee, dass ich überhaupt etwas an dir mochte“, stellte Sezuna die Frage, auf die sie keine Antwort wollte. Dann lief sie mit Orion Kaden hinterher. Sie würden sich noch einmal am Hotel umschauen.