Unauffällig gingen die drei in die Lobby des kleinen Hotels. Es waren nur noch wenige Polizisten Vorort, und die wenigen die noch anwesend waren schienen langsam ihre Sachen zusammen zu räumen. Es schien eher, als hätten die Bewohner nur darauf gewartet die Leichen zu finden.
Kaden stütze sich an der Rezeption ab und drückte wild auf der Klingel rum bis nach einigen Sekunden ein ziemlich genervter älterer Mann aus dem Hinterzimmer kam. Seine müden Augen rollten sich als er Kaden erblickte. Kurz hustete er durch seinen schwarzen Schnauzer der seinen Mund verdeckte, so dass die Asche seiner Zigarette zwischen seinen Lippen sich in seinem Bart verteilte.
„Du schon wieder? Was willst du?“, fragte der ältere Mann und hustete erneut.
Kaden hatte ihn bereits schon mal getroffen, als er mit Lika hier war, während Sezuna und Orion auf dem Friedhof gewesen waren.
Er hatte sich als der Exfreund einer der verschwundenen Frauen ausgegeben und den Besitzer haufenweise Sachen gefragt. Dank Reyes Informationen hatte er auch einige detaillierte Informationen über die Opfer erfahren und konnte somit perfekt in seine Rolle schlüpfen.
„Die Leiche“, begann Kaden, der sich entschied einfach direkt drauf los zu fragen. „War sie weiblich?“, wollte er wissen, denn er versuchte noch immer den Freund zu spielen, der wissen wollte, ob es sich bei der Leiche vielleicht um seine Freundin handeln könnte.
Der Besitzer schien sofort zu verstehen, worauf er hinaus wollte.
„Ja, das war sie, es handelt sich aber nicht um Cynthia. Es war Frau Moor. Unsere neue Köchin. Sie ist schon sehr alt und wahrscheinlich an einem Herzinfarkt gestorben“, erklärte der ältere Mann nicht sonderlich gut gelaunt. Dennoch versuchte er Kaden zu vermitteln, dass es sich nicht um seine Freundin handelte und dieser wieder verschwinden sollte.
Dennoch verlor er nicht seine besorgte Maske und begann sogar schneller zu atmen, um seine Verzweiflung zu unterstreichen.
„Ein Herzinfarkt? Und die Vermissten? Irgendwelche Spuren? Wo war sie als sie den Anfall hatte?“, polterte es aufgebracht aus ihm heraus und er hielt sich dramatisch an Orions Schulter fest, als würde er gleich zusammenbrechen. Dieser presste die Lippen aufeinander und versuchte das Bedürfnis zu Überdrücken erneut Kadens Arm zu verdrehen.
Seufzend öffnete der Mann eine Dose Cola und nahm einen Schluck, bis er sich wieder die Zigarette zwischen den Schnurrbart schob.
„Hör zu Kleiner. Ich hab hier ein Hotel zu leiten und hab heute bereits genügend Fragen beantworten müssen. Also mach was du willst aber lass mich in Ruhe“, grummelte der Mann nur und setze sich auf einen Stuhl hinter dem Tresen.
„Sei nett zu den Gästen!“, rief eine schrille weibliche Stimme aus dem Hinterzimmer die Kaden als seine Frau identifizierte.
Genervt deutete der Mann der Gruppe weiter zu laufen, bevor es noch zu einem Ehestreit kommen würde.
Sezuna, die in der Zwischenzeit durch die Flure des Hotels gewandert war, stand vor einer Bilderwand und bewunderte diese.
Dabei betrachtete sie ein Bild mit zwei Mädchen genauer.
Es war eine schwarz-weiß Fotografie mit beachtlichen Alter. Sie war hinter Glas in einen Rahmen eingeschlossen und vorsichtig griff Sezuna danach.
Wie sie erwartet hatte, fand sie einen kleinen Text zu dem Bild auf der Rückseite.
Das war früher üblich gewesen und der Rahmen deutete auch auf ein gewisses Alter hin.
Allerdings interessierte sie etwas anderes mehr.
Bei den Mädchen handelte es sich um zwei Kinder, die in den letzten Tagen der Hexenverbrennung hier auf einem Scheiterhaufen hingerichtet wurden. Aber das war nichts Neues. Bei allen Bildern an der Wand handelte es sich um Frauen, die hingerichtet wurden waren.
Es waren zwar die einzigen Kinder, doch das Amulett, was eine der beiden Mädchen trug, interessierte Sezuna mehr.
Wenn sie davon ausgingen, dass diese Mädchen verbrannt wurden, dann war ihr Hab und Gut veräußert wurden.
Das Amulett sah aus, wie dieses Amulett, in dem persönliche Dinge aufbewahrt wurden. Wie Haarsträhnen, oder Zähne. Wenn es wirklich ein solches Amulett war und die Kinder die Geister waren, die hier spukten, mussten sie das Amulett finden und das letzte bisschen der Mädchen ebenfalls verbrennen, damit dieser Ort Ruhe fand.
Es war ein Grashalm, aber zumindest so etwas wie eine Spur.
Ein weiteres Detail, das ihr ganz offensichtlich ins Auge fiel, war das sich die beiden Mädchen bis ins Detail glichen. Vermutlich eineiige Zwillinge.
Plötzlich spürte sie ein schmerzhaftes pochen hinter ihrer Schläfe, das sie jedoch nicht wirklich zuordnen konnte. Irgendwas war hier. Sie sah sich einige Male um und analysierte dabei ihre Umgebung auf andere Merkmale die vielleicht hilfreich sein könnten, als gerade Kaden und Orion im Flur auf sie zukämen.
„Hast du was gefunden?“, fragte Orion und wirkte hoffnungsvoll.
„Ich bin mir noch nicht sicher“, gestand Sezuna und suchte mit ihren Augen weiter die Umgebung ab. Doch lediglich ein Luftzug war zu spüren und sonst nichts.
Allerdings bewegte der Luftzug auch nichts.
Was Sezuna nachdenklich die Stirn runzeln ließ. „Allerdings gibt es hier auch nichts Hilfreiches mehr. Wir sollten gehen“, verkündete sie und spürte, wie etwas versuchte in ihr Gedächtnis zu dringen.
Sie konnte noch nicht sagen, was genau es war, aber das würde sich geben, wenn sie Zeit hatte in Ruhe darüber nach zu denken.
Hier war nicht der beste Ort dafür.
Orion nickte und setze zum Gehen an.
„Ist vermutlich auch besser so. Wenn wir noch länger bleiben werden wir wegen Kaden noch rausgeworfen“, merkte er an und stieß die Tür auf, um das Haus zu verlassen.
„Hey! Wir haben was wir brauchen, also stell nicht meine Methoden in Frage“, entgegnete dieser nur selbstgefällig und folgte den anderen auf dem Weg zurück zur Universität.
„Wir haben den Namen der Toten und sollten schauen, ob wir diesbezüglich etwas heraus finden“, murmelte Sezuna, die bereits dabei war Lika eine SMS zu tippen, damit diese nach der gestorbenen Frau suchen konnte.
„Der Besitzer meinte sie sei schon recht alt. Vielleicht doch nur Zufall?“, dachte Orion laut nach und hoffte das es wirklich nur ein Missverständnis war.
„Wollen wir wetten?“, höhnte Kaden.
Er war sich mehr als sicher, dass sowas kein Zufall sein konnte. Die Nacht die er mit Sezuna in dem Hotel verbracht hatte, machte ihn womöglich ein wenig paranoid. Doch Vorsicht war besser als Nachsicht.
Sezunas Schnauben unterbrach die beiden. „Das war kein Zufall. Selbst in dem Alter sollte es keine Herzinfarkte so einfach geben. Sie muss sich vor etwas sehr erschreckt haben. Eventuell vor einem Geist. Darum soll Lika auch nachschauen. Wenn die Frau eine Vorerkrankung hatte, oder etwas, was Herzinfarkt begünstigt, dann bin ich gewillt an einen Zufallen zu glauben“, erklärte Sezuna, doch auch an ihrer Stimme war zu hören, dass sie nicht wirklich daran glaubte.
„Das wäre wohl die beste Lösung nehme ich an“, gab Orion zu, der einsehen musste, dass er versuchte sich selbst etwas vorzumachen.
„Vermutlich wäre es das Beste, wenn wir eine Nacht drüber schlafen und sehen was wir noch finden können“, ergänzte der Werwolf und beobachtete die sich langsam verabschiedende Sonne.
„Klar, macht ihr nur. Ich geh heute Abend jedenfalls aus. Das hält ja keiner aus, dieses ständige Gerede von Professoren und verschwundene Frauen. Zeit für ein wenig Freizeit“, gab Kaden zurück und fing an um Sezuna und Orion herum zu joggen.
Sezuna überlegte sich kurz, ob sie auf Kaden aufpassen sollte, doch sie hatte bereits eine andere Verabredung.
„Ja ich auch. Ich bin verabredet. Also bis morgen“, damit lief Sezuna los und ließ die beiden Männer zurück.
„Sie ist verabredet?“, murmelte Orion abwesend und sah der Rothaarigen hinter die sich von ihnen getrennt hatte.
Vielleicht hatte sie jetzt schon jemanden in der Vorlesung kennengelernt.
Kaden schielte kurz zu dem Werwolf mit dem er nach wie vor auf dem Campus stehengeblieben war.
„Eifersüchtig?“, fragte der Vampir grinsend und blickte ebenfalls zu dem Rotschopf der immer kleiner wurde.
Stirnrunzelns blickte Orion zu Kaden, der ihm wohl gar nicht zugehört hatte.
„Was?“, fragte dieser kurz angebunden und beförderte sich wieder ins hier und jetzt.
„Ach nichts“, beschwichtigte ihn Kaden unschuldig. „Also wie wär‘s? Zwei Junggesellen, gehen was trinken?“, fragte Kaden motivierend, doch erntete bloß einen ausdruckslosen Blick von dem dunkelhaarigen Mann.
„Vergiss es“, entgegnete dieser nur kühl und setzte sich in Bewegung. Wie ein kleiner Junge der um ein Eis bettelte schloss Kaden zu ihm auf.
„Ach komm schon! Willst du die ganze Zeit in deinem Zimmer sitzen und dich fragen, wie Sezuna wohl nackt aussieht? Stattdessen könntest du andere Frauen nackt sehen... und das nicht mal in deiner Einbildung!“, versuchte Kaden ihm überzeugende Argumente zu liefern, damit dieser ihn begleitete und zog quengelnd an seinem Ärmel. Angewidert entzog sich Orion seinem Griff und lief stur weiter geradeaus.
„Du bist ekelhaft“, flüsterte Orion und betrat das Wohnheim.
„Aber kein Lügner!“, grinste ihn Kaden nur an und folgte ihm in seine Wohnung.
Währenddessen war Sezuna ebenfalls Richtung Wohnheim gegangen, allerdings schon in einem Zimmer verschwunden, als die Männer das Wohnheim betraten.
„Und fertig?“, wollte die Rothaarige gut gelaunt wissen.
„Ich weiß nicht“, murmelte Lika unschlüssig und spielte am Henkel ihrer Tasche.
Sezuna hatte sie irgendwie dazu überredet, dass die beiden heute Abend ausgingen.
Sie wollten nicht in eine Disco, denn da war es Sezuna zu laut. Und sie wollte Lika auch nicht verschrecken. Aber es gab hier in der Nähe tolle Tanzkneipen. Die waren nicht ganz so laut, aber man konnte einige Leute treffen.
Die Bar, in der sie schon einmal gewesen waren, bot sich auch an.
„Wir könnten uns auch hier beschäftigen. Meine Mitbewohnerin ist nicht da“, erwähnte Lika beiläufig, doch Sezuna sah ihr an, dass sie wohl mehr als nervös zu sein schien.
„Ach Quatsch“, wiegelte Sezuna ab. „Los geht's. Hab ruhig mal ein bisschen Spaß“, versuchte sie Lika zu locken und diese gab mit einem Seufzen nach.
Somit verließen die beiden Frauen Likas Wohnkomplex. Nur wenige Minuten nachdem Orion und Kaden im Zimmer verschwunden waren.
„Ich bin mir sicher, du machst eine gute Figur beim Tanzen. Du bewegst dich so anmutig“, erklärte Sezuna und hackte sich nun bei Lika unter.
Die Blauhaarige wurde ein wenig rot um die Nase. „Wirklich?“, fragte sie stammelnd, da sie das nicht wirklich glaubte.
Sezuna jedoch nickte. „Ich bin mir sicher, du wirst Spaß haben.“