„So, Kitties, das ist ab heute euer neues zu Hause! Wie gefällt es euch?” ich stellte die Beiden Boxen auf dem Boden ab und öffnete zuerst die Türe zu Carusos Box, dann die von Simba. Während Simba beinahe aus seinem Käfig schoss und zuerst einmal die gesamte Wohnung beschnüffelte, brauchte Caruso etwas und legte sich dann zuallererst auf die Couch, wo er dem jüngeren Kater ganz bequem dabei zusah, wie er seinen Geruch in der Wohnung verteilte. „Gut, und jetzt wird es Zeit für euch, diese hässlichen Namen abzulegen und sich schöne zu geben. Caruso, du heißt ab heute John Wayne aka J.W. und du Simba heißt Jeffrey beziehungsweise Jeff. Gefällt euch das? Ja, das gefällt euch!” ich setzte mich zu J.W. auf die Couch und begann, ihn hinter den Ohren zu kraulen. Im Tierheim hatten sie mir gesagt, dass er das am liebsten mochte. Es dauerte auch nicht lange, die kam Jeffrey auch zu uns und ich hatte nur noch eine Hand für jeden.
„Ja, genau so habe ich mir das Leben mit euch vorgestellt. Ein entspannter Dreier auf meiner Couch, ist doch der beste Weg einen Samstagabend zu verbringe!” ich lachte über meinen eigenen Witz und die beiden schnurrten zustimmend. Das war genau der Grund, warum ich Katzen so sehr liebte. Sie waren einfach wundervoll.
„Hey, großer Bruder! Oh…” mehr sagte meine Schwester gar nicht, nachdem ich ihren Anruf per Face Time angenommen hatte und sie die Beiden Kater auf meinem Schoß sitzen sah.
„Hey Elvira. Sag Hallo zu John Wayne und Jeffrey!” stellte ich ihr die Beiden vor und sie begann sofort zu lachen.
„Gott, wir wissen beide das ich Katzen, die so unheimlich geile Namen tragen, niemals hassen könnte! Hey ihr süßen! Passt ihr auch gut auf meinen Bruder auf?” redete sie mit den Beiden.
„Ja klar tun sie das. Wenn ich sterbe, werden sie anfangen mich zu essen. Ist das nicht toll?” scherzte ich und meine Schwester schüttelte nur den Kopf.
„Du hast sie ja wohl nicht mehr alle! Warum redest du über sowas? Ich meine, hast du davor denn nicht Angst?”.
„Wieso sollte ich denn bitte Angst davor haben? Wenn ich tot bin ist es mir egal ob mir die Würmer oder meine Katzen fressen.” ich zuckte mit den Schultern.
„Oh Gott, mir ist so verdammt schlecht, wenn ich nur daran denke! Ugh, du bist so ein schlechter Mensch, das gibt es gar nicht!” sie spukte den Löffel Joghurt, den sie sich gerade in den Mund geschoben hatte, in ein Taschentuch und ich musste einfach schadenfreudig grinsen.
„Tja, und du wirst für immer meine kleine Schwester bleiben, Verwandtschaft kann man sich eben nicht aussuchen!” ärgerte ich sie.
„Zumindest die, mit der ich reden.” damit beendete sie den Videoanruf.
„Die spinnt doch, oder?” fragte ich Jeff und dieser miaute zustimmend. „Ja, du bist ein viel besserer Gesprächspartner als die blöde Kuh!” ich hob ich sanft von mir runter und stand auf, um mir noch etwas zu essen aus der Küche zu holen. Irgendwie mochte ich meine Beiden Mitbewohner schon jetzt ziemlich. Auch wenn J.W. sich schon in den Katzenbaum verkrochen hatte, und dort schlief. Ich sah das als Zeichen, das es ihm bei mir gefiel. Aber es war ja auch eine schöne Wohnung, sonst hätte ich sie ganz sicher nicht ausgesucht!
Trotzdem musste ich ganz kurz raus. Es gab hier nämlich keinen Balkon für einen einzelnen, dafür in jedem Stockwerk einen kleinen Raucherbalkon, auf den man sich stellen konnte, und es ging ja auch der Innenhof. Irgendwie hatte ich nie gedacht, ich würde einmal Nachbarn haben. Aber die waren ganz ok, das meiste davon auch Studenten, viele Studentenwohngemeinschaften. Manche von denen waren schon neidisch auf mich, weil ich mir eine Wohnung ganz alleine leisten konnte, die noch dazu eine der größten war. Eigentlich war hier auch noch ein weiteres Zimmer geplant gewesen, aber weil man Vater diese Wohnung praktisch gekauft hatte, damit er sie später bei seinen Wochenenden hier auch noch nutzen konnte, erübrigte sich das und so war das Wohnzimmer viel größer als in den anderen Wohnungen.
„Wie auch immer, als ich nach draußen gehen wollte, um mir eine Zigarette anzuzünden, fiel mir wieder das Gras ein, welches ich in meinem Schreibtisch aufbewahrt hatte. Doch irgendetwas hatte mich bis heute daran gehindert, es zu rauchen. Irgendwie machte es mir ziemlich Angst, wie es so bedrohlich dort lag und nur darauf wartete, in Papier gerollt und geraucht zu werden. Konnte ich das überhaupt? Ich hatte mir auf Youtube einen Haufen an Videos angeschaut, wie man eine Zigarette richtig zusammenbaute, aber ging das mit einem Joint auch so? Man, das war verwirrend und komisch und irgendwie schämte ich mich dafür, es nicht zu wissen. Ungefähr seit ich vierzehn war, rauchte ich selbst hin und wieder, ich würde es nicht als Sucht beschreiben, aber ich hatte tatsächlich in meinem ganzen Leben noch nie eine Zigarette selbst drehen müssen.
Was wenn ich es versaute? Das durfte ich nicht, ich konnte nicht einfach fünfundzwanzig Euro vertun. Wie viel benutzte man dabei eigentlich? Konnte man sowas auf guteFrage.net stellen, oder wurde man dann gesperrt? Oh man, das war gar nicht so einfach wie ich es mir im ersten Moment vorgestellt hatte. „Was mach ich nur mit dir, du hilfloser kleiner Junge?” sagte ich mehr zu mir selbst als zu meiner Katze, welche mich nur fragend anschaute. „Nicht du Jeff, ich rede nur mit mir selbst, du bist ein ganz hübscher, braver Kater! So ein lieber, ja so ein braver!” ich nahm ihn auf den Arm und drückte ihn fest an mich, bevor ich ihn wieder runterließ.
„Ich werde jetzt nach draußen gehen, mir einen Joint drehen, und dann komme ich zurück und bin glücklich. Ob ich ihn rauche entscheide ich dann draußen, was hältst du davon, mein Kleiner?” fragend schaute ich nach unten, diesmal kam kein Miauen zurück, aber ein ganz leichtes Kopfnicken meines Katers interpretierte ich als ein Ja. Er musste sich ja auskennen, immerhin war er eine Katze, und die wussten praktisch alles. Wenn er reden könnte, hätte er mir sicher geholfen, den Joint zu drehen. „Du bleibst hier, ja? Papa will nicht, das du Ärger bekommst, wenn er auffliegt!” tadelte ich mein Tierchen und machte mich dann auf den Weg nach unten, wo man im Durchgang zwischen zwei verbundenen Hausteilen nicht nur die Briefkästen ausleerte und sein Haus betrat, sondern auch rauchen konnte. Dort gab es sogar einen kleinen Tisch, an welchen ich mich setzte um mein Zeug zu drehen. Ich bekam es nicht hin und nach gefühlten drei Stunden saß ich frustriert da und wollte schon wieder nach oben gehen, da kam eine junge Frau direkt von der anderen Seite des Hauses auf mich zu.
„Hey, ich hab gesehen, du könntest Hilfe brauchen?” bot sie an und lächelte dabei freundlich. Aber ich hatte mein Gras schon versteckt, was wenn sie eine Polizistin war, oder mich bei der Polizei verpfeifen wollte? Das könnte böse enden, mein Vater würde mich nicht nur enterben, sondern wahrscheinlich gleich umbringen! Das konnte ich nicht zulassen „Hör auf, dein Gras zu verstecken, ich will dir doch nur helfen.” sie nahm sich meine Hand und ich gab ihr das Gras. „Hast du keinen Filter?” sie schüttelte den Kopf und holte einen aus ihrer Manteltasche. „Hast du etwa noch nie eine Zigarette selbst gemacht?” lachte sie mich aus und innerhalb von vielleicht zwanzig Sekunden hatte sie einen Joint gebaut. Wie schaffte man sowas? „Hier, dank mir später!” sie grinste und ich nahm das Tütchen hochrot wieder entgegen.
Eigentlich wollte ich sie noch fragen, ob sie mit mir rauchen wollte, aber als ich meinen Blick wieder hob, war sie schon wieder weggegangen. Hinterherrufen wollte ich ihr dann doch nicht, und so saß ich einfach nur da und starrte das, was ich in der Hand hielt, wie ein Verrückter an. Und ich starrte und ich starrte und ich starrte. Mindestens zwanzig Minuten saß ich einfach nur so da und schaute auf meine Hand, bevor ich sie endlich zu meinem Mund hob, mit dem Filter voran zwischen meine Lippen steckte und es endlich anzündete. Vorsichtig zog ich ein bisschen daran, bemerkte aber noch gar keine Veränderung. Außerdem ging es aus und ich musste alles erneut anzünden. Vielleicht hätte ich es doch mit Tabak mischen sollen? Ich zog einige weitere Male und zwar ziemlich schnell. Auch diesmal ging es mehrere Male aus und ich musste wieder mit dem Feuerzeug ran. Gott, war das dumm! Es vielleicht nicht die beste Idee gewesen, viele und schnelle Züge zu nehmen, denn ich musste husten, aber danach ging es wieder einigermaßen. Ein bisschen enttäuscht von der fehlenden Wirkung zog ich nochmal und drückte ihn anschließend im Aschenbecher aus, bevor ich mich auf den Weg nach oben machte.
Vielleicht hatte mir der Typ auch nur Scheiße verkauft und ich war darauf hereingefallen? Und selbst wenn, hätte die Frau es mir dann nicht gesagt? Man, wie gemein war das denn? Oben holte ich meinen Schlüssel aus der Hosentasche und wollte meine Wohnung aufsperren, aber ich traf einfach das Schlüsselloch nicht. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Wie blöd war ich denn? Auch beim zweiten Anlauf schaffte ich es nicht, meine Tür aufzuschließen und diesmal musste ich sehr stark lachen.Gott, war das blöd von mir? Wie schaffte man es nicht, seine Wohnung aufzusperren? Ich musste mich hinsetzen, sonst wäre ich vermutlich noch umgefallen. Mit dem Lachen konnte ich trotzdem nicht wirklich aufhören, keine Ahnung wie lange ich eigentlich vor meiner Tür saß, bevor ich den dritten Anlauf startete. Dieses Mal schaffte ich es endlich, den Schlüssel ins Schlüsselloch zu stecken und meine Tür aufzuschließen, sodass ich meine Wohnung betreten konnte.
Kaum das ich wieder drinnen war, ließ ich mich an der Tür herabsinken. Vielleicht wirkte das Zeug doch besser, als ich im ersten Moment gedacht hatte? „Hey Jeffrey!” mein Kater begann, auf mir herumzuklettern und setzte sich schließlich auf meinen Schoß, vielleicht wollte er gestreichelt werden? Aber selbst, wenn ich das auch gewollt hätte, es ging nicht, mein Arm war einfach viel zu schwer, als das ich ihn anheben hätte können. Außerdem hatte ich besseres zu tun als ihn zu streicheln, die Flecken, welche er auf seinem Fell hatte, schienen sich nämlich zu verändern und ich konnte nur wie gebannt darauf starren. Es war so schön, wie die Farben ineinander verflossen, neue Muster bildeten und immer in Bewegung zu bleiben schienen. Langsam lehnte ich meinen Kopf zurück an die Tür und schaute an die Decke. Ich war plötzlich verdammt müde, ob ich es mit meiner Trägheit bis zur Couch schaffen würde?
Nein, ich hatte es nicht auf die Couch geschafft. Aber das nächste Mal, wenn ich Gras rauchen würde, würde ich es gleich ihr oben machen, damit ich nicht mit dem Kopf zurückgelehnt einschlief. Mein Nacken hatte nämlich beschlossen sich für die unbequeme Schlafposition zu rächen und tat höllisch weh, als ich mich wieder aufrichten konnte. Aber an sich hatte ich den Rausch nicht zu schlecht gefunden. Damit konnte man sicher experimentieren, wenn man genug Gras hatte. Ich sollte mir auf jeden Fall mehr davon besorgen.
Schnell erinnerte ich mich wieder an die Telefonnummer das Typen, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte, weil ich ihn nicht als allzu wichtig empfunden hatte. Allerdings war er das, und so machte ich mich auf die Suche nach dem Zettel, aber nicht, bevor ich mir einen Tee aufgegossen hatte.
Es dauerte auch nicht lange, den Zettel in meiner Hose wiederzufinden, die ich eigentlich heute waschen wollte. Das war dann wohl das Schicksal, oder? Ich gab die Nummer in mein Handy ein, speicherte mit dem Namen ´Erik (Gras)´ und legte dann erstmal alles zur Seite. Wie schnell sollte ich mich bei ihm melden? Im Moment hätte ich eigentlich Zeit, um ein bisschen mehr ins Game zu kommen. Aber kam das nicht komisch rüber? Vielleicht sollte ich mir auch vorher eine Bong im Internet bestellen, immerhin hatte das pure rauchen nicht sonderlich gut funktioniert. Ja, das würde ich auf jeden Fall tun! Allerdings konnte ich ja schonmal Gras kaufen, es verlor ja seine Wirkung nicht, wie ich nachgelesen hatte.
Nach reichlicher Überlegung entschied ich mich dazu, ihm Mal zu schreiben, ob wir uns morgen nach der Uni in der Bibliothek treffen könnten, weil ich ihn etwas fragen wollte. Hoffentlich würde er auch kommen! Als nächstes ging ich ins Bad und schaute, ob meine Augen noch rot waren, was natürlich der Fall war. Na gut, dann ging es heute eben nicht mehr zum lernen in die Bibliothek und ich würde zu Hause bleiben und irgendwelche Serien schauen. Darauf hatte ich ehrlich gesagt auch viel mehr Bock. Oder ich könnte schauen, wo das Mädchen wohnte, vielleicht hatte die jemanden, der ihr sein Gras billiger verkaufte?
Aber nein, das lies ich vorerst lieber bleiben. Ich wollte meine Wohnung einfach nicht mehr verlassen, sondern mit meinen Katzen kuscheln, zumal es jetzt schon fast neun Uhr war. Außerdem verbot meine Erziehung es mir, nach acht Uhr andere anzurufen, zu ihnen zu fahren oder sie durch irgendeine andere Art und Weise zu stören, außer ich wurde ausdrücklich dazu aufgefordert. Manchmal wünschte ich mir, meine Mutter hätte jeden Menschen auf dieser Welt erzogen, wir würden uns alle weniger auf den Sack gehen!
Gerade wollte ich mich auf mein Bett werfen, da sah ich zum Glück noch die Katze liegen, sodass ich ihn nicht gleich zerquetschte. „J.W.! Du machst es dir jetzt schon in meinem Bett bequem? Ich dachte, ich könnte euch beide zumindest noch ein paar Nächte lang dazu zwingen, in eurem Katzenbaum zu nächtigen!” schimpfte ich ihn spielerisch, aber er hob noch nicht einmal den Kopf, als ich mich neben ihn legte und mich ein bisschen zudeckte, bevor ich den Fernseher anschaltete. Es dauerte gar nicht lange, Jesse und Walter hatten gerade erst ihre Anzüge angezogen, da kam auch Jeffrey zu uns und kuschelte sich zwischen J.W. und mir ein. „Ihr beiden seid die besten Kinder, die sich ein schwuler Vater nur wünschen kann!”.
„Hast du eigentlich schon eine Idee, was du über die Weihnachtsferien machst? Ich meine, wenn du nicht zu deinen Eltern willst, was machst du dann?” schieb Luna mir über Discord. Wir hatten uns, zu mittlerweile unser beider Leiden, in eine der ersten Reihen gesetzt und unser Professor wurde immer ziemlich schnell ziemlich böse, wenn man in seiner Vorlesung unaufgefordert sprach. „Keine Ahnung. Vielleicht verzieh ich mich wieder nach England.” schrieb ich zurück. Das war auch die letzten drei Jahre, seit dem Abschluss meines Abiturs, die Gestaltung meiner Weihnachtstage gewesen. In meinem Job hatte ich im Winter eine relativ frei einteilbare Zeit gehabt, weil ich meinen Ausbildungsbetrieb sehr gut gewählt hatte und so im Winter zwar Arbeiten musste, aber bei weitem nicht so einen Druck hatte, da die Baufirma, bei der ich meine Ausbildung machte, zwar sehr viele Aufträge annahm, aber im Winter keine Bauarbeiten vornahm. Uns wurden Anfang Dezember Stapelweise Aufträge auf den Tisch gelegt, die spätestens Mitte März fertig sein musste. Und da wir uns die Zeit frei einteilen konnten, war es immer relativ entspannt gewesen. Eigentlich ein Traumjob für mich, aber Naja, meine Eltern wollten eben mehr. Konnte man nicht viel machen.
Um wieder auf die Weihnachtsferien zu kommen, ich floh dann immer nach England, zum Abitur hatte ich mir von meinem Vater eine dieser Strandhütten gewünscht, und sie auch bekommen. Meine Mutter hatte es damals super gefunden, dass ich meine Sprachkenntnisse mit regelmäßigen Besuchen im Ausland aufwerten wollte, aber eigentlich lag ich nur den ganzen Tag in meinem Bett und ging gegen Abend in irgendwelche Bars, um dort ein paar Bier zu trinken und ganz alleine wieder in meinen Bunker zurückzukehren. Eigentlich versuchte ich sogar, so wenig Kontakt mit Menschen wie möglich zu haben. Ich konnte im Team relativ gut arbeiten, aber eigentlich sollten mich alle anderen Vertreter meiner Art einfach in Ruhe mein Leben leben lassen und sich so weit wie nur möglich von mir fernhalten. Dann wäre ich glücklich.
„Ich finds voll cool, das du wieder wegfährst. Ich muss mit meiner Familie dieses Jahr wieder Weihnachtsgans essen, und dann lästern sie über den Teil der Familie, der nicht da ist, weil er nicht eingeladen wurde. Super nicht?” Luna war richtig angepisst darüber, dass sie zu ihrer Familie fahren würde.
„Ach was! Die Familie ist doch was tolles! Sie können dich immerhin immer runterziehen, wenn es dir gerade gut geht, das ist doch was, oder?” ärgerte ich sie.
„Wenigstens hat das Weihnachtsfest in meiner Familie noch eine Bedeutung, während in eurer jeder versucht, so gut wie nur möglich dem Elternhaus fern zu bleiben.” konterte sie.
„Ich weiß, aber das ist eben so, wenn man sich nicht ständig von seiner Tante fragen lassen will, wann man denn endlich heiratet und Kinder bekommt, oder man bekommt zum zehntausendsten Mal erzählt, das Jeremy Pascal gerade so gut im Studium abschneidet. Und bevor du was sagst, ja meine Tante hat ihren erstgeborenen Sohn Jeremy Pascal genannt, und ja, man sollte sie dafür auf eine einsame Insel verbannen!” als ich endlich geendet hatte, war ich vollkommen aus der Puste und Luna konnte sich vor Lachen kaum mehr auf den Beinen halten. „Du musst mich diesem Jeremy umbedingt Mal vorstellen, der Arme ist bestimmt noch Jungfrau!” lachte sie und ich rollte nur mit den Augen. Gleich würde sie es bestimmt selbst mitbekommen.
„Oh, das wollte ich damit nicht sagen, du bist nicht halb so sehr ein Versager, wie Jeremy Pascal!” beteuerte sie, aber ich war ihr schon wieder davongegangen. Ich war verdammt empfindlich wenn es um den Stand meiner sexuellen Erfahrungen ging und ich war auch der einzige, der darüber Witze machen dürfte, und das wusste sie.
„Mach dir nichts draus, ich bleibe bestimmt nicht mehr lange Jungfrau.” sagte ich mehr zu mir als zu ihr. Ja, das wollte ich irgendwie glauben. Es war auch Mal an der Zeit, dass mein Märchenprinz um die Ecke geritten kam und mich auf seiner Harley mit in den Sonnenuntergang nahm. Davon träumte ich Nachts. Ein starker Biker, mindestens sechs Jahre älter als ich, Tattoos auf beiden Armen, breite Schultern, große Statur und behangen wie ein Hengst. Wenn ich nicht aufpasste, würde ich bei der Vorstellung gleich wieder einen Ständer kriegen. Oder noch schlimmer! Wenn ich nicht aufpasste, würde ich auf mein T-Shirt sabbern und das war ja Mal die schlimmste Blamage aller Zeiten!
„Wo gehen wir eigentlich hin? Ich dachte wir hätten uns in dazu verabredet, in der Bibliothek zu lernen. Wo gehst du denn hin?” Luna folgte mir ein paar Meter weiter und blieb dann stehen. „Man Sam, du nervst mich, wenn du so still bist und mich nicht in deine Pläne mit einbeziehst!” schimpfte sie und verschränkte die Arme vor der Brust, um ihre Entrüstung auszudrücken. Einmal atmete ich tief durch, dann ging ich wieder einige Schritte zu ihr, und nahm ihre Hände.
„Hey, sei mir nicht böse, ich muss nur schnell ein bisschen Geld von der Bank abheben und ich komme gleich wieder, es tut mir leid das ich dich nicht über jeden Schritt den ich mache, informiere. Aber ich kann es einrichten wenn dir das lieber wäre.” schlug ich vor aber sie schüttelte den Kopf.
„Geh schon, ich bin nicht böse, ich fühle mich im Moment nur etwas unfair von dir behandelt. Du weißt das wir Freunde sind und man sich privat mit seinen Freunden trifft, vor allem mit denen, die so viel Zeit ihres Lebens damit verbringen, der zu passen.” sie atmete tief ein und aus und nahm ihre Hände dann weg. „Ich warte drinnen, aber wehe, du bist nicht in spätestens zehn Minuten da, dann gehe ich nach Hause und du kannst selber schauen, wo du bleibst.” drohte sie und ging dann in die Bibliothek.
Eigentlich hatte ich sie nie wirklich als Freundin gesehen. Eher als gute Bekannte. Und eigentlich mochte ich es nicht, Freunde zu haben, die enttäuschten mich sowieso nach kurzer Zeit, waren also relativ nutzlos. Vielleicht war es einmal an der Zeit, mich wieder ein bisschen mehr mit Menschen anzufreunden, immerhin war Luna ja nicht schlimm, und sie gab sich, wie sie gerade nochmal betont hatte, wirklich viel Mühe. Ja, ich würde sie zu mir einladen, wenn ich von der Bank zurückkam. Vielleicht konnte man ja noch mehr Gemeinsamkeiten finden, als das wir beide Menschen hassten und das selbe studierten.
Gerade wollte ich die Bibliothek betreten, da hielt Erik mich am Ärmel zurück. „Hey, sorry, ich hab echt nicht viel Zeit, was brauchst du?” er wirkte aufgewühlt und schien es wirklich eilig zu haben. „Gras. Ganz viel.” gab ich als Antwort und er überdrehte die Augen. „Das bringt mich nicht wirklich weiter.” beschwerte er sich über meine Antwort. „Hör zu, ich bring dir zehn Gramm vorbei, gib mir dann achtzig Euro, Ok?” schlug er vor. „Hundert. Bis morgen.” ich schüttelte seine Hand und ließ ihn dann einfach draußen stehen, er machte auch keine Anstalten mir zu folgen, also stimmte er unserem Deal anscheinend zu.
„Du bist genau zwanzig Sekunden zu spät.” wurde ich von Luna begrüßt.
„Tut mir leid, ich musste warten, weil vor mir noch drei Leute dran waren. Hab ich was wichtiges verpasst?”.
„Ja, ich habe ein Buch ausgesucht und zwar ganz alleine, ohne deine Hilfe.”.
„Oh nein, das ist aber ärgerlich!” ich lachte leise und Maik setzte sich zu uns. „Und, hat sich dein Uterus wieder beruhigt?” neckte er mich.
„Mir gehts gut, Danke. Tut mir leid das ich dich beim letzten Mal angegangen habe.” ich lächelte ihn schüchtern an.
„Ach was, ist schon gut! Hübschen Jungs kann ich nie böse sein! Wie läufts mit den Pussys? Welche Namen hast du genommen?” hakte er nach.
Man, ich sollte wirklich viel mehr Zeit in der Bibliothek verbringen, Marik war ein viel besserer Gesprächspartner als Luna und dabei auch noch so heiß!
„Den Beiden gehts gut, sie fühlen sich schon wie zu Hause und haben mein Bett dauerhaft in Beschlag genommen. Außerdem heißen sie jetzt J.W. und Jeffrey, wie ich schon gesagt hatte, ich finde die Namen einfach toll.” erklärte ich und Marik nickte.
„Ja, sind gar keine schlechten Namen. Darf man auch fragen, wie du darauf gekommen bist?”.
„Weil ich Schwule liebe, und die beiden ja sowieso ein schwules Stiefgeschwisterpärchen sind. Außerdem faszinieren mich Serienmörder und Jeffrey Dahmer und John Wayne Gacy waren beides. Daher die Namen J.W. und Jeffrey. Es passt auch zu ihrem Aussehen. J.W. ist fett und träge und Jeffrey ein richtig hübscher, junger Kater.” gab ich als Antwort und sowohl Marik als auch Luna schauten mich mit großen Augen an. Dann meldete sich Luna zu Wort:
„Also das würde ich jetzt auch nicht unbedingt jedem erzählen, sonst kommen die Herren ganz in weiß und bringen ihre Jacken gleich mit.”.
Wir alle mussten lachen und wurden von den anderen Leuten in der Bibliothek nur blöd angeschaut.
„Tja Ladys, ich muss wohl wieder an die Arbeit.” verabschiedete sich Marik, als er sah das sich gerade jemand ein Buch ausleihen wollte.
„Warte, ich muss dich noch was fragen!” hielt ich ihn zurück und er schaute erwartungsvoll zu mir nach unten.
„Eigentlich wollte ich euch beide am Wochenende dazu einladen, bei mir vorbeizukommen, wir könnten Pizza bestellen und uns ein bisschen näher kennenlernen. Immerhin haben wir uns noch nie bei einem von uns getroffen.” schlug ich vor und Marik nickte, während Luna nur eine Augenbraue nach oben zog.
„Also ich bin dabei. Du hast ja meine Nummer, schreib mir einfach wann und wo, dann bin ich da.” er zwinkerte mir noch zu und drehte sich dann um, damit er sich wieder seinem Job widmen konnte.
„Ich weiß ja nicht. Treffen? Bei dir? Im privaten? Was ist in dich gefahren? Oder hast du etwa nicht genug Mum, um Marik auf ein Date einzuladen?” prüfte Luna meine Hintergründe.
„Glaub mir, wenn ich was von ihm will, werde ich ihn einladen, mit mir aus zu gehen, dazu brauch ich dich nicht. Du hast doch gesagt, du siehst dich als meine Freundin und ich solle mir mehr Mühe damit geben, diese Freundschaft zu pflegen und aufrecht zu erhalten. Also, kommst du oder nicht?” stellte ich sie vor die Entscheidung und sie gab seufzend nach.
„Na gut, aber es muss ne verdammt gute Pizza sein. Und jetzt lass uns endlich lernen.”.
Wir saßen eine gefühlte Ewigkeit einfach nur in der Bibliothek und taten nichts interessantes. Nur in irgendwelchen Büchern blättern und hin und wieder etwas aufschreiben. Wir hatten unser Prüfungen zwar erst im Januar, aber mein großer Bruder hatte mir dazu geraten, von Anfang an viel zu lernen und auch in den Zeiten, in denen keine Prüfungen anstanden, fleißig zu bleiben. Er musste es ja wissen, immerhin hatte er sein erstes Semester zwei Mal gemacht. Und das wollte ich für mich nun wirklich nicht, immerhin war ich schon zweiundzwanzig beim Anfangen, ich wollte nicht noch mehr Zeit vertrödeln und so schnell wie möglich zurück ins Berufsleben.
„Hey? Sam? Träumst du schon wieder lieber, als zu lernen Du weißt wie man sagt: Ohne Fleiß kein Preis?” ermahnte mich Luna und ich seufzte resignierend auf. Sie hatte ja recht. Wir sollten lieber lernen als uns in Tagträume zu flüchten. „Hey, du siehst so traurig aus! Willst du geknuddelt werden?” sie breitete die Arme aus und drückte mich kurz fest an sich, dann wurde ich losgelassen und sie widmete sich wieder dem Buch. Die zwei Sekunden Zuneigung hätte sie sich doch auch sparen können. Nach einem weiteren Seufzer erkannte ich aber, dass sie sich nicht mehr mit mir beschäftigen wollte und begann ebenfalls wieder den Text zu lesen.
„Oh, seid ihr jetzt schon fertig?” Marik zog eine Augenbraue nach oben und sah von seinem Buch auf. Er liebte seinen Beruf vor allem, weil er nicht viel zu tun hatte und die meiste Zeit einfach lesen und dasitzen konnte. Auch wenn er sicher nicht viel Geld bekam, war er ziemlich zufrieden. Immerhin konnte er lesen so viel er wollte.
„Ja, wir sind schon fertig, ist daran irgendwas außergewöhnliches?” Luna machte seinen Gesichtsausdruck nach und er begann zu grinsen.
„Nein, es kann ja nicht jeder seinen ganzen Tag hier verbringen, so wie ich. Ich wollte nur wissen, ob es nicht etwas komisch ist, das ihr gar nicht lange hier wart!”.
„Lass uns gefälligst lernen so viel oder wenig wie wir wollen! Studier du erst Mal!” schimpfte Luna und er hob beschwichtigend die Hände.
„Schon gut. Diesmal gehts dir wohl nicht so gut. Vielleicht sollte ich dafür beten, das es euch Mal beiden nicht zu viel wird. Liegt das an mir?” er machte große Augen und wir mussten beide lachen.
„Ach was! Sag sowas nicht, das war doch nur ein Scherz!” sie ging einen Schritt nach vorne und schlug ihm gegen die Schulter.
„Aua! Und jetzt misshandelt sie mich noch!” er lachte und sie lehnte sich über den Tisch, hinter welchem er saß.
„Darauf stehst du doch insgeheim, nicht?” unterstellte sie ihm und zwinkerte ihm zu, woraufhin er mit seinem Stuhl zurückrutschte.
„Weiche mir vom Leib, Teufel!” verlangte er und ich begann zu lachen.
„Komm, wir gehen jetzt lieber, Luna.” ich zog sie an der Schulter zurück und sie zwinkerte Marik noch ein weiteres Mal zu.
„Melde dich, wenn du Bock hast!”.
Dann reichte es mir und ich zog sie am Arm aus der Bibliothek. Draußen schlug uns die kalte Luft entgegen und ich dachte im ersten Moment, mein Gesicht würde einfrieren.
„Warum hast du das getan? Ich wollte ihn doch nur ein bisschen Spaß damit haben, ihn zu schocken!” beschwerte sie sich und hielt sich an mir fest, um vor lachen nicht die Treppe hinunter zu fallen.
„Weil ich nicht will das du ihn aus unserem Freundeskreis vergraulst, der gerade erst entsteht!” erklärte ich und sie schüttelte den Kopf.
„Ach was! Er versteht das. Und wenn nicht, hat er nichts in unserem Freundeskreis verloren!” verteidigte sie sich,
„Da hast du wahrscheinlich recht.” stimmte ich ihr zu und sie grinste triumphierend.
„Tja, ich hab immer recht, aber jetzt muss ich langsam gehen. Meinen Sieg über dich feiern!” sie zwinkerte mir zu, warum zwinkerten heute denn alle, und drehte sich um. „Wenn du weißt wann ich vorbeikommen soll, dann schreib mir einfach, meine Nummer hast du ja!” rief sie mir aus der Entfernung noch zu, bevor sie sich umdrehte und wegging.
Vielleicht war das ja ein Schritt in die richtige Richtung, ich war schon so viele Jahre auf dieser Erde, aber ich hatte noch nie wirkliche Freunde gehabt. Irgendwie hatte ich nie Leute gefunden, die den selben Humor und die selben Interessen hatten wie ich und die meisten anderen nervten mich zu Tode, deshalb vermied ich es so gut es nur ging, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Aber weder Luna noch Marik waren solche Menschen, sie ließen sich eigentlich relativ gut aushalten und sie waren extrem nett. Das konnte ein ganz schöner Tag werden, was ich mir da für Samstag ausgedacht hatte!
Relativ zufrieden ging ich also nach Hause zurück und legte mich bei einer Tasse Tee mit meinen beiden Lieblingen auf die Couch. Ich war selten so zufrieden mit mir gewesen wie heute, ich wusste auch nicht, warum. Irgendwie war es ein schönes Gefühl, zu wissen, das man nicht schon wieder bei einer Aufgabe kläglich versagte, sondern sie eigentlich ziemlich gut meisterte.