Vor einer großen Tür aus weißem Holz bleibt Marcel stehen. Ich bin jedoch mal wieder so sehr in Gedanken, dass ich fast in den Jungen hinein gelaufen wäre. Er sagt nichts dazu. Das übernimmt Ruby einfach für ihn und seufzt genervt. Ohne mich umzudrehen, weiß ich, dass sie genau in diesem Moment ihre Augen verdreht.
Ich versuche mich wieder zu konzentrieren und auch meine Spannung, sowie meine Angst steigen noch weiter, als Marcel verkündet: "Hinter dieser Tür befindet sich der Ratssaal. Wenn ihr bereit seid, könnt ihr hineingehen." Hilley bedankt sich bei ihm und blickt dann zu uns. Marcel verabschiedet sich und macht sich davon. Ich drehe mich um und schaue ihm hinterher. Auch er selbst hat sich umgedreht und einen letzten Blick auf mich geworfen. Meine Wangen werden heiß und wahrscheinlich erröte ich genau in diesem Moment. Marcel ist schon ganz süß.
"Konzentriere dich gefälligst, Stella", mahnt Aria. Verwundert drehe ich mich zu ihr um: "Alles okay bei dir?" "Ja ja", sagt sie und verschränkt die Arme vor der Brust. Irgendwie knistert die Luft um Aria gefährlich, doch ich kann die Ursache nicht ganz klar feststellen, weshalb ich ziemlich froh bin, als Hilley unsere Aufmerksamkeit fordert: "Seid ihr alle bereit? Können wir rein gehen?"
Ruby wartet aber nicht auf unsere Antwort, sondern geht einfach zu einer der großen Flügeltüren und versucht diese mit aller Kraft zu öffnen, doch ihr zugegebener Maßen guter Versuch schlägt fehl.
Aria sieht es und zeigt genau die Reaktion, die ich mit aller Kraft zu unterdrücken versuche. Sie lacht. Ich muss mich echt beherrschen nicht mit einzustimmen. Das ist aber leider nicht so leicht, da Ruby echt albern aussieht, wie sie mit einer Hand am Türgriff zehrt. Die andere Hand kann sie nicht an den metallenen Griff legen, da sie die Schiene um ihren Arm trägt und ihn so nicht bewegen kann.
Hilley blickt Aria und mich warnend an, woraufhin ich meinen Blick senke und Aria mit ihren Kräften die Tür öffnet.
Die Blonde stolpert daraufhin fast, doch Aria fängt sie mit ihren Kräften auf, bevor sie auf dem Boden landet. Ruby atmet erleichtert durch und stellt sich wieder richtig hin. Wenigstens ein "Danke" oder ein freundliches Lächeln hätte man von ihr erwarten können, doch bei Ruby wartet man vergeblich darauf.
"Mädchen! Benehmt euch bitte", sie streicht ihre Kleidung glatt und stellt sich gerade hin. Wir tun es ihr gleich und formieren uns links und rechts neben ihr. "Bereit?" Wir alle nicken und betreten den Raum daraufhin mit hoch erhobenem Haupt.
Im Ratssaal angekommen, fällt mir fast die Kinnlade herunter. Das ist ja noch schöner als die Räume, die ich vorher schon zu Gesicht bekommen habe. Das Sonnenlicht strahlt durch das Wasser bis in den Raum hinein und wird von einigen Kristallen gebrochen.
Erst dann fallen mit die Throne auf, die aus mehreren Kristallen bestehen und alle unterschiedlichen Farben haben. Insgesamt sind es, solange ich mich nicht verzählt habe, neun Stück, wobei nur fünf von ihnen tatsächlich besetzt sind. Die übrigen vier sind leer. Ich frage mich weshalb. Sind deren Besitzer vielleicht gerade unterwegs oder sitzt dort noch niemand? Mein Blick wandert über die Reihe und mir fällt auf, dass sie in einem Halbkreis aufgestellt sind. Wenn man von vorne gerade darauf sieht, blickt man geradewegs auf den aller Größten von ihnen. Er besteht aus mehreren großen und kleinen lilafarbenen Kristallen. Nur die Sitzfläche und die Armlehnen sind nicht so spitz wie der Rest, sondern schön glatt. Das Licht wird wunderschön gebrochen und leuchtet in der gleichen Farbe wie die Kristalle.
Oben auf sitzt eine junge Frau. Sie sitzt gerade und blickt auf uns hinab. Ihr Blick ist freundlich, während ihr Gesicht vor Weisheit nur so strotzt. Zwar wirkt sie noch nicht sonderlich alt, wirkt, aber trotzdem schon so als hätte sie schon mehr erlebt als alle Anderen in diesem Raum. Ihr langes dunkelbraunes Haar fällt in Wellen über ihre Schultern. Ihre Augen erstrahlen in einem dunklen Lila, was der Farbe der Stein um sie herum fast komplett gleicht. Mir war gar nicht bewusst, dass es so eine Augenfarbe gibt. Wahrscheinlich hat das aber mit ihren Kräften zu tun. Das ist bei Ruby, Aria und mir selbst ja auch so.
Während die Augen von Aria und mir noch relativ normal sind, sind Rubys Augen meistens orange und werden sogar fast rot, wenn sie sich aufregt. Das habe ich nur einmal gesehen. Soweit ich weiß war das als wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Ganz sicher bin ich mir aber auch nicht mehr. Mein Gehirn ist eben auch nicht perfekt.
Schnell konzentriere ich mich wieder auf die Situation. Wieso schweifen meine Gedanken nur immer so schnell ab? Das ist total lästig. Nun fällt mir auch die Kleidung der Frau auf. Sie trägt eine ähnliche Uniform wie Marcel, nur dass ihre lilafarben ist und hinten noch eine Art Cape oder Umhang hat. Auch sie trägt so ein rätselhaftes Zeichen und ich beginne mich zu fragen, was es damit auf sich hat. Das Einzige, was mir auffällt ist, dass sich ihr Zeichen stark von dem auf Marcels Uniform unterscheidet.
Leider finde ich nicht die Zeit auch die Anderen näher zu betrachten, obwohl sie alle einen sehr interessanten Eindruck auf mich machen, da Hilley nun die Stimme erhebt: "Sie wollten uns sprechen, großer Rat." " Ja, so ist es", sagt die Frau mit den lilanen Augen: "Es geht um ein Anliegen von größter Wichtigkeit. Können sie sich denken, worum es geht, Miss Jackson?" Hilley nickt: "Ich habe da schon so eine Vermutung." "Teilen sie uns diese Vermutung auch mit, Miss Jackson?", fragt ein Mann, der die genau die Gleiche Uniform trägt wie Marcel. Ist es vielleicht sein Vater?
Gespannt warte ich auf Hilleys Antwort, da ich selbst keine Ahnung habe, wieso wir herbestellt wurden: "Es geht wahrscheinlich darum, dass der Wasserkristall verschwunden ist." "Nicht ganz", merkt eine Frau auf einem Thron aus rot leuchtenden Kristallen an: "Wir haben dank eines unserer Undercoveragenten erfahren, dass die Nexus an den Stein gelangt sind." "Oh mein Gott", ruft Hilley laut aus: "Was sollen wir jetzt tun?" "Beruhigt dich wieder, Hilley", bittet die Frau freundlich. Es wundert mich, dass sie Hilley nicht mit ihrem Nachnamen anspricht, so wie es die anderen Leute auch getan haben: "Wir haben einen Plan!" "Einen Plan? Wie wollt ihr den Kristall denn zurückbekommen. Das ist so gut wie unmöglich, Katherine", schimpft sie:"Sie werden den Stein sicher nicht einfach irgendwo liegen lassen, sondern eher in einer Kammer mit eintausend Sicherheitssystemen und Wachen." "Eigentlich ist das so, aber wir haben von einem geheimen Informanten die Info bekommen, dass sie ihn an einem noch besser geschützten Ort aufbewahren", erklärt der Mann. "Und welcher Ort soll so gut bewacht sein?", fragt die dunkelhaarige Frau neben mir trotzig und leicht überheblich zugleich. "Das Institut für Jugendliche mit besonderen Fähigkeiten", erklärt der Mann in Grün. "So was gibt's?", frage ich verwundert. "Ja Stella, so etwas existiert", erklärt sie mir. "Und wieso sind wir dann nicht in diesem Institut? Wir haben doch auch besondere Fähigkeiten", gebe ich ratlos zu bedenken. "Es wird von den Nexus kontrolliert, richtig?", fragt Ruby skeptisch. Alle Ratsmitglieder nicken gleichzeitig und ich beiße mir auf die Lippe. Oh, das wusste ich nicht.
"Da du ja scheinbar so gerne mal ins Institut hinein schauen würdest, geben wir dir die Chance dazu, Stella", verkündet die dunkelhaarige Frau, die wohl Katherine heißt und das Oberhaupt des Rates zu sein scheint.
Verwundert hebe ich den Kopf und blicke sie überrascht und geschockt zugleich an. "Was? Ich ... Ich wusste ja gar nicht, dass das Institut den Nexus gehört. Hätte ich das gewusst ...", versuche ich mich heraus zu reden. "Das hat nichts damit zu tun, was du gerade gesagt hast. Das haben wir uns schon vorher überlegt. Schließlich geht es ja auch um deinen Kristall und Ruby ist verletzt, weshalb sie die Aufgabe nicht übernehmen kann", wird mir von der Frau auf dem roten Throne erklärt. "Das heißt, ich soll allein in ein Institut voll mit künftigen Nexus, um einen wertvollen Stein zu stehlen?", frage ich geschockt. "Fast!", gibt Katherine von sich: "Du gehst nicht alleine." "Nicht?", fragen Hilley und ich gleichzeitig, wobei wir beide total fassungslos klingeln.
Katherine steht von ihrem Platz auf und kommt auf uns zu: "Nein, wir können dich nicht allein gehen lassen, Stella. Deshalb wir Aria dich begleiten." Nun blickt auch Aria überrumpelt drein.
Hilleys Stimme dröhnt laut durch den Saal und alle richten ihren Blick auf sie: "Das könnt ihr doch nicht ernst meinen. Es ist ja schon schlimm genug, dass ihr Stella zu so einer Aufgabe drängt, aber ich werde nicht auch noch Aria verlieren. Sie war bereits in dieser Situation und das soll sie um Himmelswillen nicht nochmal erleben."
Der Mann verdreht die Augen, während Katherine Hilleys Hand in ihre legt und sie zu beruhigen versucht: "Ich weiß wie schwer das für dich sein muss, aber ich verspreche dir, dass ihnen nichts geschehen wird. Dafür werde ich persönlich sorgen."
Plötzlich wirkt Hilley sehr gebrochen und am Boden zerstört: "Versprich, dass du sie zurückbringst."
Katherine nickt und legt auch ihre zweite Hand auf die von Hilley: "Ich verspreche es."
Man kann ganz klar erkennen wie viel Macht und Vertrauen in diesen Worten liegt. Es scheint, als würde in diesem Moment eine Beziehung oder ein altes Versprechen erneuter werden.
Blödes Kapitel! Ich weiß! Sorry!