Es dauerte keine Stunde, da hatte es Sezuna tatsächlich geschafft, dass Lika auf der Tanzfläche förmlich aufging.
Sie hatte wirklich ein Talent fürs Tanzen und zog damit einige Blicke auf sich. Nicht nur von jungen Männern, auch von einigen Frauen.
Eine davon war Matthikan, welche Lika nachdenklich betrachtete.
Ihre hüftlangen, glatten, schwarzen Haare bedeckten ihr rechtes Auge, doch sie strich es nicht zur Seite. Dennoch hatte sie alles im Blick.
Die junge Frau arbeitete als Tänzerin in dieser Bar und Likas Art zu Tanzen gefiel ihr. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihre Mitbewohnerin, die sie als unschuldige und leicht schusselige Person kennen gelernt hatte, so tanzen konnte.
Langsam tastete sich Matthikan durch die Menge, so dass sie so wenig Körperkontakt wie möglich zu anderen Menschen herstellen musste. Der Schweiß zwischen den verschiedenen, sich tummelnden Menschen schien so überwiegend zu sein, das man behaupten könnte, die Masse wäre zu einem riesigen sich windenden Fleischberg mutiert.
Der Gedanke sorgte dafür, dass die Frau sich schütteln musste und sich ihre Härchen aufstellten. Dennoch setzte sie ihren Weg fort und kam immer näher an Lika heran. Dabei stellte sie fest, dass diese gar nicht alleine war. Eine rothaarige, junge Frau stand in ihrer Nähe und die Art, wie sie sich unterhielten, zeigte Matthikan, dass sie sich kennen mussten.
Die Schwarzhaarige hielt inne und überlegte, ob sie Lika vielleicht ansprechen sollte, doch sie war sich nicht sicher. Stattdessen ging sie unbemerkt an ihnen vorbei, um sich hinter sie zu stellen. Gerade noch nah genug, dass sie die Frauen hören konnte.
Erst erzählten die beiden nichts, doch dann ging es um eher uninteressante Themen. Unter anderen auch, dass Lika wohl sehr schüchtern war.
Außerdem fand Matthikan heraus, dass die Rothaarige Sezuna hieß und wohl noch zwei Typen namens Kaden und Orion im Spiel waren.
Sie hatte bereits von der Rothaarigen gehört. Auch wenn ihr kein Namen genannt wurden war, so war ihr Aussehen, dass ihr beschrieben wurde, doch mehr als hilfreich für die Widererkennung. Kirschrotes, gelocktes Haar, goldene Augen die einer Katze glichen und Haut so braun wie zarte Schokolade. Sie war es, kein Zweifel. Mehr als verwunderlich war es dann noch das Lika sie kannte... doch das sollte sie nicht interessieren. Wenigstens hatte sie jetzt schon mal einen Namen für das Gesicht. Sezuna also.
„Ich wollte dich nochmal was fragen“, setze Lika zurückhaltend an, doch sie schien sich nach einem tiefen Atemzug gesammelt zu haben. „Du und Orion... in dieser einen Nacht nach der Versammlung.... was genau ist da vorgefallen? Orion hat direkt dicht gemacht und mir nichts erzählt. „
Sezuna blinzelte kurz, als wäre sie überrascht.
Dann lächelte sie sanft. „Ach so das. Da hat er mich gerettet. In dem See draußen im Garten lebte ein seltenes Tier. Weißt du, der Rat findet, dass diese Tiere erhalten werden müssen und bietet ihnen Umfelde, damit sie in Ruhe leben können. Ich hatte nicht gewusst, dass dieser Garten eines der Tiere beherbergt und es hat mich ins Wasser gezogen“, erklärte Sezuna langsam. „Ohne Orions Hilfe wäre ich wahrscheinlich ertrunken.“
Matthikan runzelte die Stirn und bewegte sich ein Stück rückwärts, um besser hören zu können. Mehr Details! Die Namen hatte sie sich bereits gemerkt, doch für das allein würden sich diese Informationen nicht lohnen. Im Moment hörte es sich eher so an, als wäre Sezuna in ein Becken im Zoo gefallen.
„Ach so na dann“, gab Lika mit einem leichten Lächeln von sich. „Ich dachte schon Orion mag dich. Das würde ihm gar nicht ähnlich sehen. Weißt du, er hat etwas gegen Wesen wie dich. Also nicht gegen dich speziell, aber du weißt schon. Er ist halt von der altmodischen Sorte“, erklärte Lika und Matthikan hätte schreien können. Konnten sich diese beiden Frauen nicht ein wenig deutlicher ausdrücken?
Die Tatsache, dass Sezuna dunkelhäutig war, könnte zu der Vermutung führen, dass dieser Orion womöglich ein Rassist sein könnte. Doch wenn dem so wäre, würde er sich nicht für Sezuna interessieren. Da musste mehr dahinter stecken.
Doch es schien nicht so, als würden die beiden Frauen Matthikan mehr verraten wollen. Außerdem wurde die Musik lauter und die beiden bewegten sich auf die Bar zu.
Es war nicht leicht ihnen durch die Menge zu folgen und dabei auch noch etwas zu verstehen. Sie schnappte immer wieder ein paar Fetzen auf, doch manchmal konnte sie auch nicht genau sagen, ob nun Lika, Sezuna, oder irgendeine andere Frau gesprochen hatte.
Als Sezuna plötzlich eine andere Frau begrüßte, entschloss sich Matthikan lieber Abstand zu halten. Sie würde auf den richtigen Moment warten. Doch dieser war noch nicht gekommen.
Matthikan konnte gar nicht genau sagen, wie viel Zeit vergangen war, seit sie Sezuna und Lika beobachtete. Beide Frauen waren schon bei ihrem achten Getränk, schienen aber noch keine Anzeigen des Alkohols zu zeigen. Möglicherweise tranken sie alkoholfrei. Matthikan konnte es nicht genau sagen. Aber sie wusste, dass sie jetzt los sollte. Es war einfach viel zu auffällig, was sie hier tat.
Nun, da sie wusste das Lika mit Sezuna vermutlich befreundet war, sollte es leichter werden als gedacht weitere Informationen zu kommen.
Wer hätte gedacht, dass man ihr eine Goldgrube ins Zimmer schickte?
Mit einem kalten Lächeln auf den Lippen wandte sie sich ab und verließ das Gebäude.
~*~*~
Anderenorts war Kaden dabei mit einer Barkeeperin zu flirten, die ihm schon sein drittes Mixgetränk zubereitet hatte.
Die Musik und das Gespräch der Leute drang an sein Ohr und sein Fuß wippte zum Takt der Musik. Hier fühlte er sich wohl. Ganz anderes, als sein Anhängsel.
Gereizt zerbröselte Orion einzelne Haselnüsse in seiner Hand und fragte sich wie zum Henker Kaden ihn überreden konnte mitzukommen.
Vermutlich damit er endlich seine Wohnung verließ.
Eine Mischung aus Seufzen und Knurren war aus seiner Brust zu vernehmen. Kaden wandte sich kurz von der Barkeepern ab, die gerade einen anderen Gast bedienen musste und drehte sich zu Orion.
„Was ist denn los mit dir? Mach dich mal locker, du tust so als wärst du meine Aufsichtsperson“, merkte Kaden an und leerte sein Glas in einem Zug um Nachschub zu bestellen.
„Das bin ich ja auch“, knurrte der Werwolf und fragte sich, ob es Lika gut ging. Vermutlich saß diese in ihrem Zimmer und tippte nach wie vor an ihrem Tablet rum.
„Komm schon, genieß doch einfach die Atmosphäre“, versuchte es Kaden und die Barkeeperin stellte ihm ein weiteres Glas hin.
„Es wird gleich noch besser, heute ist Karaoke Nacht“, erklärte die etwas ältere Frau und zwinkerte Orion zu. Vielleicht würde ihn das ein wenig aufheitern.
Orion der bereits das schlimmste ahnte, da er Kaden als genauso eine Rampensau einschätzte, hob beschämt eine Hand vor sein Gesicht.
„Oh Gott, bitte nicht“, flehte er mürrisch und hoffte, dass Kaden nicht auf diese Bühne gehen würde.
„Ich bin mir sicher du hast eine engelsgleiche Stimme“, merkte Kaden mit einer dramatische Geste an, jedoch mit einem sarkastischen Unterton.
„Du hast ja keine Ahnung was ich mit dir machen würde wenn die ganzen Leute nicht hier wären“, flüsterte der Werwolf gepresst und zerquetschte eine Handvoll Haselnüsse ohne die Absicht sie zu essen.
„Also wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten du flirtest mit mir“, grinste Kaden selbstgefällig als sein Blick über Orions Schulter hinweg glitt und er ein ihm bekanntes Gesicht entdeckte. Ehe Orion etwas erwidern konnte drückte der Vampir ihm sein Glas in die Hand und ging an ihm vorbei. „Bin gleich wieder da.“
Das brünette Mädchen mit dem Körper einer 14-jährigem schien ihn nicht bemerkt zu haben, als er plötzlich hinter ihr stand.
„Verfolgst du mich etwa?“, flüsterte Kaden in ihr Ohr und lächelte ihr charmant zu als diese sich erschrocken zu ihm umdrehte.
„Was?“, quietschte Selene, klang aber doch empört. Auf eine niedliche Art und Weise.
Ihre großen, hellblauen Augen musterten Kaden nachdenklich. „Tut mir leid, aber da musst du dich irren“, erklärte sie höflich, auch wenn Kadens Auftauchen ihr nicht sonderlich zusagte.
Nachdenklich verengte Kaden seine dunklen Augen und legte den Kopf etwas schief.
„Ich bin mir ziemlich sicher dich heute drei Mal getroffen zu haben“, entgegnete er und schlich um die kleine Gestalt herum, bis er sich neben sie an die Bar stellte. „Erst beim Rundgang“, zählte er an seinen Fingern ab, „Dann im Café. Und letztendlich hier.“
Sein fixierter Blick wanderte langsam von ihren intensiven blauen Augen zu ihren vollen Lippen. „Ich glaube nicht an Zufälle“, flüsterte er nun und nahm neben ihr Platz.
Selene versteifte sich ein wenig. „Das war nur ein Zufall. Ich bin im ersten Semester, daher mussten wir uns zwangsläufig bei der Einführungsversammlung treffen. Und das wir uns im Cafe gesehen haben, ist auch nicht unnormal. Immerhin wurde das von den ganzen höheren Semestern in der Einfürhungsveranstaltung sehr gelobt. Fast alle Erstsemester waren dort. Das hier ist auch kein Zufall. Es ist die einzige Bar, bei der es Studentenrabat gibt“, erklärte Selene mit ruhiger und höflicher, aber distanzierter Stimme.
Erstaunlicherweise zeichnete sich ein breites Lächeln auf seinem Mund ab, während sie ihm diese ganzen Fakten lieferte, die man eigentlich nicht so von ihr erwarten würde.
Jedoch hatte der Vampir bereits bei der Einführung ihre Schlagfertigkeit zu spüren bekommen.
„Sei ehrlich, musstest du dein Alter nachweisen um hier rein zu kommen?“, fragte er und setzte eine schlecht gespielte unschuldige Maske auf.
Selene hob eine Augenbraue. „Nein, ich kenne den Türsteher“, erklärte sie und hoffte, dass er diesen Seitenhieb verstehen würde. Wenn er ihr zu aufdringlich wurde, könnte sie diesen einfach bitten Kaden raus zu werfen. Die Frage war nur, ob sie es machen würde, oder nicht.
Das kam wohl auch darauf an, wie weit Kaden ging.
Mittlerweile hatte auch der Karaokebewettbewerb angefangen, der für die Mittwoch-Abende dieser Bar so berühmt war. Daher hoffte Selene auch, dass sie Kaden bald los wurde. Nicht weil sie singen wollte, aber sie wollte es immerhin genießen. Denn die meisten Teilnehmer waren wirklich gut. Und wenn nicht, dann wenigstens unterhaltsam.
Unbemerkt nahm Kaden ihre Gefühle wahr und merkte dass er so nicht weiterkam. Sie war auf jeden Fall eine harte Gegnerin, doch gerade das machte sie so interessant. Als sie ihn hatte abblitzen lassen beim Empfang, wusste er schon, dass es vermutlich keinen Sinn hatte, aber dennoch reizte ihn der Gedanke sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Mit einem leisen Lachen, gab er der Barkeeperin ein Handzeichen, dass sie ihm noch ein Getränk zubereiten solle.
„Also gehe ich davon aus, dass du dich öfters hier rumtreibst?“, fragte er nun in einem weniger scharfen Ton und nahm das beschlagene Glas entgegen.
Selene warf ihm nur einen Blick zu, antwortete aber nicht. Für sie war es eine Feststellung, keine Frage. Daher war eine Antwort auch sinnlos.
Kaden wollte gerade noch etwas sagen, als ein weiterer Teilnehmer zu singen begann und Kaden spitzte die Ohren.
Er konnte durch die Massen nichts Genaues erkennen, auch wenn seine Augen versuchten die Person, die Karaoke sang, zu sehen. Die Stimme kam ihm bekannt vor. Es waren zwei Frauenstimmen. Eine sehr zögerlich, die andere eindeutig das Singen gewohnt.
„Ist das...“, seine Frage verstummte als er sich fragend umdrehte und versuchte die Stimmen zu identifizieren.
Er schüttelte den Kopf und versuchte sich wieder auf die Frau vor ihm zu konzentrieren. Doch irgendwie ließ es ihm keine Ruhe. „Ich... ähm... tut mir Leid. Ich muss los“, knapp verabschiedete sich Kaden und ging an Selene vorbei, um zurück zu Orion zu gelangen.
Dieser sah jedoch bloß nach vorne zur Bühne und schien nicht wirklich zu glauben was er da sah.
Kaden betrachtete ihn, spürte kurz seine Gefühle und blickte dann ebenfalls nach vorn.
Er traute seinen Augen nicht. Es war Jahre her, dass er Sezuna singen gehört hatte. Denn, obwohl sie es konnte und eine schöne Stimme hatte, sang sie fast nie. Daher hatte er ihre Singstimme nicht sofort erkannt.
Und neben der Rothaarigen stand Lika, die langsam aufzutauen schien. Die Blauhaarige schien ihre Freude daran zu haben mit Sezuna auf der Bühne zu stehen und zu singen. Wobei die Rothaarige sogar zur Musik tanzte. Lika war da noch sehr zurückhaltend.
„Ich dachte sie hat eine Verabredung?“, fragte Orion der Kadens Anwesenheit bereits wieder bemerkt hatte.
Auch wenn Kaden auf die eine, oder andere Weise froh war, dass Sezuna hier war, so fing er doch an sich darüber zu ärgern.
„Diese Möchtegern-Perfektionistin muss sich auch überall einmischen, selbst wenn sie es nicht beabsichtigt!“, knurrte Kaden wütend und gab ihr die Schuld daran ihn abgelenkt zu haben.
„Wen versuchst du hier anzulügen? Sie hat dich doch eiskalt ignoriert“, gab Orion ausnahmsweise Mal lachend zurück, ohne den Blick von der Bühne abzuwenden. Mit einem immer noch wütenden Gesicht hob Kaden eine Augenbraue und schielte zu Orion.
„Ich wusste gar nicht, dass du überhaupt sowas wie Freude empfinden kannst. Wenn auch Schadenfreude. Und sie hat mich nicht ignoriert. Sie... hat mir nur Freiheiten gelassen... um mich kennen zu lernen“, entgegnete Kaden als wäre es vollkommen offensichtlich.
Orion unterdrückte ein aufkommendes Lachen. „Natürlich. Wenn dir das Nachts beim Schlafen hilft...“
Während die beiden Männer noch diskutierten, endete das Lied und Applaus brandete ihnen entgegen. Kaden blickte noch einmal nach vorn, doch da waren Sezuna und Lika schon wieder in der Menge verschwunden.
Kaden spielte mit dem Gedanken zu ihnen hin zu gehen, doch vermutlich war es besser, wieder ein wenig Abstand zwischen sich und Sezuna zu bringen. Besonders nachdem sie in die Blutspende eingebrochen waren hatten sich wieder Erinnerungen gesammelt, die jedoch nicht das wett machten was geschehen war.
„Na schön. Du hast gewonnen. Lass uns nach Hause gehen und Müsli essen“, gab sich Kaden geschlagen dessen Lust auf das Ausgehen plötzlich in den Minusbereich sank.
Der Abend schien einfach nicht besser zu werden und in Anbetracht der Tatsache das Sezuna nun auch noch hier war, würde er sich wohl auch nicht mehr zum Guten wenden.
„Ich bin doch nicht extra mit dir hier her gekommen um dir zwei Stunden beim rumhuren zuzusehen“, antwortete er, während er aufstand und sich von ihm Richtung Bühne entfernte.
Kaden schlug sich die flache Hand auf die Stirn und schloss die Augen. Ihm war klar, dass er weniger auf die Bühne zu lief, als mehr zu Lika und Sezuna.
„Die hat ihn ja voll an der Angel“, murmelte der Vampir kopfschüttelnd und verschwendete keinen Gedanken mehr um sich so weit wie möglich von der Bühne zu entfernen.