Ich zählte dreißig Kapuzengestalten die den Thronsaal in ein Meer aus schwarzen staubbedeckten Mänteln verwandelten. Am auffälligsten waren die drei in der vordersten Reihe, die ich für die Anführer der Garde der Assassinen hielt. Sie bildeten eine Dreiecksform: Die Spitze bildete der Mann, der vorangeschritten war. Je Links und Rechts von ihm kniete ein Mann, ich hielt sie für seine Stellvertreter, und bildeten den Boden des Dreiecks. Sie waren schwer bewaffnet, stellte ich beeindruckt fest. Die scharfe silberne Klinge des Breitschwertes schimmerte an der Hüfte des Assassinen Führers im Sonnenlicht, das durch die Buntglasfenster drang. Die Lederscheide des Schwertes war teilweise zerfetzt, erkannte ich. Überhaupt waren die Kleidungsstücke der sogenannten Garde alle zerlumpt und verschmutzt. Doch ihre Waffen waren alle poliert und in bestem Zustand. Der große Mann rechts vom Anführer trug einen Langbogen über der Schulter und einen aufwendig mit Brandzeichen geschmückten Lederköcher mit Pfeilen auf dem Rücken. Der Mann auf der anderen Seite war kleiner, etwa in meiner Größe. Er trug ebenfalls einen Köcher mit schwarz befiederten Pfeilen. Er war auch aus gegerbten Leder gefertigt. Ich brauchte lange bis ich erkannt das er seinen Bogen um seinen Oberkörper geschlungen hatte da das Holz so schwarz war wie sein Mantel. Der Mittelteil des Bogens, dort wo er gehalten wurde, war aufwendig bearbeitet worden. In Ranken zog sich ein Muster über das dunkle Holz. Neidisch blickte ich auf diese Schönheit von Bogen. Als der Anführer sich erhob wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
„Raven, das ist Remus und seine Garde der Assassinen“ ertönte Luzifers Stimme neben mir. Nun erhoben sich der Rest der Assassinen ebenfalls. „Sie werden dich auf deiner Mission begleiten“
Der Kapuzenträger namens Remus trat auf mich zu. „Es ist mir eine Ehre, Prinzessin“ Er verneigte sich kurz und stand dann aufrecht und mit vor stolz geschwellter Brust vor mir.
„Nenn mich Raven, sonst wird das nicht funktionieren. Und ich bin keine Prinzessin. Ich bin eine Kriegerin und kann auf mich selbst aufpassen“ stellte ich klar. Ich wollte auf keinem Fall wie ein rohes Ei behandelt werden. Für einen Moment herrschte Stille im Saal. Ich war wohl die erste die es wagte so mit dem Herrn der Assassinen zu reden. Es schien mir als würde der ganze Saal die Luft anhalten. Hope hüstelte spöttisch neben mir. Emanuel und Ray sah ich aus den Augenwinkeln, schauten starr auf den Boden als wäre der schwarze Samtteppich plötzlich über aus interessant.
Ich hatte schon einiges über die Garde der Assassinen gehört. Es war Luzifers persönliche Garde und war in etwa zwei Hundert Mann stark. Wie der Name schon sagte waren es Auftragsmörder und Spezialisten für Krisengebiete. In Skyland hieß es hinter vorgehaltener Hand es wären Halbdämonen. Für mich schienen sie recht menschlich auch wenn ich dank den Kapuzenmänteln wenig bis gar nichts von den Männern erkannte. Remus, der Anführer, trat plötzlich näher an mich ran. Seine Kapuze rutschte ein wenig nach hinten. Da er mich um einen Kopf überragte, senkte er sein Gesicht zu mir. Wie erstarrt blieb ich stehen. Sein Gesicht schwebte bedrohlich über mir und ich spürte seinen Atem der warm über meine Haut strich. Ein Lichtschein erhellte kurz sein Gesicht. Ich erkannte von der Sonne gebräunte Haut, markante Gesichtszüge und ein spöttisches Lächeln. Sein halbes Gesicht war von einem dichten Bart bedeckt. Doch es waren seine braunen Augen, die mich fesselten. Angriffslustig funkelten sie mir unter der Kapuze entgegen.
„Nun, Prinzessin“ das letzte Wort betonte er spöttisch. In seinen Augenwinkeln bildeten sich Lachfalten. „Keine Sorge, Wir werden dich nicht wie ein ‚rohes Ei‘ behandeln. Doch eines solltest du wissen: Dort wo wir hingehen wird keiner hinter einer Scheibe stehen und dich durch eines dieser Holograme führen. Das ist die Wirklichkeit“
Mein Mund klappte auf. „Woher…?“ stammelte ich.
„Dein hoher Vater ist nicht der einzige der seine Tricks auf Lager hat, Raven“ flüsterte er mir geheimnisvoll zu. Ich spürte wie ich errötete. Er kannte meine Gedanken. Ich räusperte mich und trat nun näher zu ihm. Sein Gesicht war nur noch Zentimeter von meinem entfernt. Die Krempe seiner Kapuze verdunkelte mein Gesichtsfeld.
„Ich habe keine Angst vor der Wirklichkeit. Vor dir steht die Tochter des Herrn der Unterwelt… und ich habe drei Höllenhunde getötet“ setzte ich noch hinzu da ich sonst nicht wusste was ich als Argument bringen sollte da ich bis zu dem Ereignis wirklich nur Schaukämpfe in der Schule bestanden hatte. Doch aus irgendeinem Grund wollte ich vor ihm und seinen Gardisten gut dastehen. Eine Tatsache, die mich wunderte da ich ihn bis heute gar nicht kannte.
Remus hob verwundert eine Augenbraue. „Na gut, große Kriegerin“ murmelte er. „Falls wir also auf unserer Reise durch die Unterwelt auf Höllenhunde stoßen, wissen wir an wem wir uns wenden müssen“ spöttelte er und zwinkerte mir zu. Ich hörte wie der kleinere Mann links von Remus belustigt schnaubte bis sein Gegenüber sich räusperte und ihm einen Blick zu warf und er schlagartig verstummte.
„Verzeihung“ murmelte er und senkte wieder seinen Blick. Erst jetzt viel mir wieder ein das wir nicht allein waren. Ich spürte wie sich die Hitze einen Weg nach oben bahnte. Wie aus einer Trance erwacht, schaute ich in die verwirrten Gesichter meiner Freunde. Luzifer hingegen schien belustigt.
„Das Raven, sind Remus‘ Stellvertreter Orion“ er zeigte auf den kleineren Mann links von Remus der sich verneigte. Als er sich erhob viel seine Kapuze nachhinten. Orion war ebenfalls sonnengebräunt und hatte einen lichten Bart. Sein Mund zierte ein freundliches Lächeln und er zwinkerte mir spielerisch mit seinen braunen Knopfaugen zu.
„Freut mich, Raven“ begrüßte er mich. Mein hoher Vater zeigte auf den anderen Mann auf der rechten Seite der sich sofort verneigte. „Das ist Narvik, der andere Stellvertreter“
Als er sich erhob streifte ein Sonnenstrahl sein von der Kapuze bedecktes Gesicht und gab mir kurz einen Blick auf das Gesicht des Assassinen. Anders als seine beiden Freunde war Narvik Blond. Doch das auffallendste waren seine Augen, die wie Saphire aus der Dunkelheit zu mir leuchteten.
„Es freut mich, Prinzessin“ sagte er mit heiserer Stimme.
„Es freut mich ebenfalls, doch bitte nennt mich Raven“ begrüßte ich die beiden Männer. Es war mir unangenehm als Prinzessin bezeichnet zu werden. Ich glaubte Luzifer die Geschichte und dass er mein Vater war, das hieß aber noch lange nicht das ich mich so schnell damit anfreunden konnte als Tochter des Königs der Unterwelt bezeichnet zu werden. Ich war immer noch eine Kriegerin. „Ich bin vieles doch sicher keine Prinzessin“
Narvik betrachtete mich einen Moment mit seinen unergründlichen saphirblauen Augen. Dann nickte er. „Wie du möchtest“
„Nun, Tochter“ mein Vater wandte sich zu mir. „Ich kann dir bis hier her helfen aber den Rest musst du selbst machen, Raven“ Er legte seine Hände auf meine Schultern. „Viel Glück, und vergiss nicht: Vertrau auf deinen Stärken und deiner Intuition. Alles was du für diese Reise brauchst ist Vertrauen“ Er küsste mich auf die Stirn. „Vertrauen in dich, deine Fähigkeiten und vor allem in deine Freunde“
Ich nickte nur da ich nicht wusste was ich darauf antworten sollte.
„Es ist die Zeit gekommen, leb wohl zu sagen“
„Leb wohl, Vater. Auf ein Wiedersehen, hoffentlich“ verabschiedete ich mich von ihm als plötzlich ein Tumult ausbrach. Unsere Köpfe wandten sich zu der großen schwarzen Flügeltür, die krachend aufsprang und durch die ein weiterer Assassin lief. Flink kämpfte er sich durch seine Kameraden hindurch bis zu Remus.
„Sie sind hier“ rief er. „Die Rebellen sind in der Stadt“
Remus fluchte. „Wie?“
„Sie sind durch ein Portal eingedrungen“ antwortete der Mann. „Sie kämpfen sich gerade durch die Straßen. Wir versuchen sie im Schach zu halten bis ihr aus der Stadt seid“
Der Herr der Assassinen nickte. „Du und Ray kommt dann mit euren Männern nach“
Der Mann namens Madison nickte und Ray gesellte sich zu ihm. Die beiden Männer verließen zusammen den Saal.
„Ray ist also einer deiner Männer?“ wollte ich neugierig wissen. Remus sah mich verwirrt an.
„Ja, er hat sich uns vor einem Jahr angeschlossen“ antwortete er mir zögernd bevor er sich an seine Männer wandte. „Ihr habt es gehört. Die Rebellen sind hier. Alle auf ihre Position. Die anderen Folgen mir“ Es brach ein Tumult aus. Waffen klirrten, Befehle wurden gerufen, Füße trampelten über den Boden. Er wandte sich wieder zu mir und streckte eine Hand nach mir aus. „Damit wärst auch du gemeint“
Ich wandte mich zögernd zu meinem Vater doch dieser hatte ebenfalls begonnen seiner Wache befehle zu zurufen. Für einen Moment trafen sich unsere Blicke und er nickte bloß, doch in seinen Augen erkannte ich Traurigkeit und Stolz. Schweren Herzens gab ich Remus meine Hand und er zog mich geschwind mit sich durch eine Seitentür. Ich spürte wie sich Hope neben mich drängte. Als ich mich zu ich zu drehte zwinkerte sie mir zu.
„Hast du geglaubt ich lass dich allein?“ sie schnaubte belustigt. „Jetzt beginnt erst der Spaß“ lachte sie.
Remus seufzte. „Das kann ja heiter werden“
Er zog mich im Eilschritt durch enge dunkle Flure. Nach einigen Minuten und einigen verwinkelten Biegungen standen wir vor einer Wand. Genau wie Ray vor ihm zog Remus eine Türklinke aus den tiefen seines Mantels.
„Gehört das zur Standard Ausrüstung von euch Assassinen?“ witzelte ich. Der Assassine neben mir gab ein Hüsteln von sich das verdächtig nach einem Lachen klang.
Remus zog eine Augenbraue hoch. Der Assassine neben mir verstummte. Er steckte die Türklinke an die Wand und drückte sie hinunter. Wie auch schon bei Ray öffnete sich quietschend eine Tür in der Wand. Mit einer galanten Handbewegung lies er mir den Vortritt. Zögernd ging ich auf das schwarze Loch in der Wand zu. Als ich über die Schwele trat ging plötzlich das Licht an. Von der plötzlichen Helligkeit geblendet schloss ich kurz die Augen. Ich spürte wie sich ein Körper näherte. Ich zuckte erschrocken zusammen als Remus mir ins Ohr flüsterte: „Mach die Augen auf, kleiner Rabe“ Sein Atem streifte dabei meinen Nacken. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich war mir seiner nähe ungemein bewusst. Doch ich tat wie mir geheißen: Blinzelnd öffnete ich meine Augen – und staunte.
„Wo…?“ hauchte ich während er mich sanfte weiter in den Raum schob. Deckenhoch war der Raum mit Schränken und Regalen gefüllt, die mit allen möglichen Waffen gefüllt waren.
„Das ist das Waffenarsenal unserer Garde und der Armee der Unterwelt“ beantwortete er meine unausgesprochene Frage, doch es störte mich nicht. Ich war zu sehr damit beschäftigt zu staunen. Mein Augenlicht hatte sich inzwischen an das Licht der Halogenen Lampen gewöhnt. Ich stand in der Mitte des Raumes und lies alles auf mich wirken während die Männer rings um mir ihre Waffen wählten. Bögen in allen Farben, Pfeile und Köcher hingen an Hacken an der Wand. Schwerter lagen in Regalen nach Größe und breite der Klinge geordnet, genauso wie Dolche. Speere hingen nach länge geordnet an den Wänden. Ich erkannte außerdem einen Schrank wo einige der Männer neue Mäntel herauszogen. An eben diesem stand Orion und zwinkerte mir zu. Schnell wandte ich mich weg als Remus vor mir auftauchte und ich vor Schreck zusammenzuckte.
Belustigt zog er eine Augenbraue hoch. „Du hast ein sehr schlechtes Gewissen Raven“
„Wie kommst du darauf?“
„Na, so oft wie du erschreckst könnte man meinen du hättest etwas zu verbergen“ lachte er.
Ich spürte wie ich rot wurde und räusperte mich. „Was hast du da?“ Ich zeigte auf das Bündel, das er in den Händen hielt.
„Ach das, das sind Sachen für dich“ Als er es auseinander breitete erkannte ich das es sich um eine Tasche handelte, in der sich einige Dinge befanden die ich als Kleidungsstücke und anderes enttarnte. „Und das hier“ Er hielt einen schwarzen Mantel auseinander. „Ist ein neuer Mantel für dich den ich befürchte das du in der Wüste darin“, er zeigte auf meinen Wollmantel, „zu heiß hast“
Ich nickte dankbar. „Danke Remus“
Er verneigte sich. „Nichts zu danken. Ach, das habe ich dir auch mitgebracht“ Er drehte sich um und zog vom Tisch hinter sich einen Bogen, der dem von Orion glich. Sprachlos griff ich nach dem schwarzen Holz, das sich federleicht in meiner Hand anfüllte. Der Mittelteil war mit Ranken verziert, die sich um das Holz legten. In der anderen Hand hielt er den dazugehörigen Köcher, bestückt mit schwarzen Pfeilen. „Falls wir auf Höllenhunde stoßen“ lachte Remus.
Sprachlos sah ich in Remus verschmitztes Gesicht. Dann schlang ich meine Arme um seinen Hals und drückte ihn an mich. „Danke“ schluchzte ich.
„Da kann man dich nicht einmal alleine lassen schon schmeißt du dich einen Assassinen an den Hals“ ertönte eine mir bekannte Stimme. Erschrocken zuckte ich zusammen und lies von Remus ab.
„Taylor“