„Gott, ich bin so froh das endlich einer von euch zwei hier aufkreuzt!” ich warf mich Marik beinahe an den Hals, als er endlich die Schwelle zu meiner Wohnung übertrat. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie lange ich hier schon sitze und nur auf die Uhr starre! Willst du was zu knabbern? Und ich wusste nicht, was ihr trinkt. Ich hab Cola, Sprite, Fanta, Vodka, Kaba, Kaffee und ich finde bestimmt noch was im Kühlschrank!” überrumpelte ich ihn quasi, als er noch nicht einmal seinen Mantel ausgezogen hatte. „Atme erstmal ein bisschen durch. Ich hab weder Hunger, noch brauche ich was zu trinken. Ich bin eigentlich nur für die Pussys hier!” er zwinkerte mir zu und beugte sie sofort zu Jeff hinunter, welcher sich um seine Beine geschmiegt hatte.
„Na gut, wenn du meinst. Dann kann ich mich also wieder hinsetzen, dich ignorieren und warten, bis Luna kommt?” hakte ich nach und diesmal fing er an zu lachen. „Du hattest irgendwann Mal erwähnt, dass du sehr wenig Kontakt mit Gleichaltrigen hattest und auch keine Freundschaften gepflegt hast. Aber ist es wirklich so schlimm bei dir geworden, dass du nicht einmal mehr weißt wie man sich in der Gegenwart von anderen verhält?” er zog prüfend eine Augenbraue nach oben und ich wurde verdammt rot.
„Vielleicht liegt es ja auch daran, dass wir alleine sind. Mit Luna würde ich mich wohler fühlen.” gestand ich ihm.
„Das ist aber nicht gerade nette von dir, was wenn ich ein Zimperling wäre und mich das gerade verletzt hätte?” fragte er und näherte sich mir auf eine sehr unangenehm nahe Weise.
„Ich weiß nicht, auf jeden Fall hätte ich das jetzt nicht sehr toll gefunden.” er begann zu grinsen und bückte sich dann wieder, um meine Katze auf den Arm zu nehmen. „Gehen wir von Sam weg? Der ist böse, nicht? Ja, das ist er. Ja, das ist er!” er küsste Jeffs Kopf und trug ihn mit sich auf die Couch, wo er sich hinsetze.
„Gott, danke das du endlich da bist! Er kuschelt seit fast einer halben Stunde nur mit Jeff und ignoriert mich völlig!” beschwerte ich mich sofort bei Luna, als diese eintraf. „Wie kannst du nur Marik?” schimpfte sie ihn spielerisch und setzte sich sofort zu ihm, um ebenfalls Jeff zu liebkosen, der die Aufmerksamkeit genoss. „Man, ihr seid ja tolle Menschen! Ich hab euch doch nicht eingeladen, weil ich ihm nicht genug Liebe gebe!” beschwerte ich mich und Luna klopfte mir ermutigend auf die Schulter. „Ach was Sam, das stimmt doch nicht, schau Mal wie gerne er gekrault werden möchte, das musst du die letzten Tage wirklich vernachlässigt haben!” widersprach Marik mir. Derweil setzte ich mich zu ihnen und goss mir ein Glas Sprite ein. Irgendwie hatte ich die letzten Tage verdammt viel Lust darauf gehabt.
„Also? Was wollen wir denn machen, wenn wir deine Pussys nicht anfassen dürfen?” Mairk hatte Jeff auf Luna abgeladen, sich zu mir gesetzt und seinen Arm um meine Schultern gelegt. „Ich weiß nicht, reden? Wir kennen uns ja kaum, du weißt zum Beispiel nur, dass ich mich gerne aufrege!” schlug ich vor. „Du willst also das wir eine Vorstellungsrunde machen?” er schien ziemlich irritiert zu sein. Kein Wunder, wenn er sich das so vorstellte. „Nein, ich will, dass du dich aufregst! Glaub mir, man lernt sich schnell und einfach kennen, wenn man sich über die Dinge aufregt, die einen nerven und man kann wunderbar darüber lachen!” erklärte ich es ihm und er schien es immer noch nicht verstanden zu haben.
„Also mich nerven diese blöden Autobahnbaustellen furchtbar! Ich meine, warum hat man denn solche Schnellstraßen, wenn man höchstens 80 fahren darf, weil alle hundert Meter eine andere Baustelle auf einen wartet? Und vor allem, warum hab ich da noch nie jemanden arbeiten sehen? Das ist doch unlogisch!” Luna atmete tief durch, als sie das mehr geschrien als gesagt hatte.
„Oh Gott, ich kenn das! Bei meiner Mutter, die wohnt außerhalb in einer kleineren Gemeinde, da haben sie die Straße aufgerissen und das fast drei Monate lang, nur um ein Jahr später zurückzukommen und das selbe zu tun, weil sie vergessen hatten, das zu reparieren was sie da eigentlich wollten!” schimpfte Marik.
„Siehst du, du kannst das schon super!” ermutigte ich ihn derweil und ging kurz in die Küche, von wo ich noch immer ein paar Wörter aufschnappte, über die sie sich aufregten. „Scheiß Bauamt, blöde Politik” und blah blah blah. Es war ganz schön, sie hier zu haben, hätte ich nicht gedacht.
„Bin wieder da, ich hoffe ihr habt Durst?” ich stellte beiden Gläser hin und Luna schenkte sich ein bisschen Cola ein, während mich Marik mit dem Glas in der Hand nur dumm anschaute. „Hast du kein Bier oder sowas?” jammerte er. „Doch schon, ich hohl dir welches, warte kurz.”. Das hätte er auch vorher sagen können! Dann müsste ich jetzt nicht ein zweites Mal gehen! „Hier, bitte.” ich hielt es ihm hin und setzte mich dann zurück auf die Couch. „Erzähl Mal ein bisschen was von dir, Marik. Luna kenn ich ja relativ gut, aber von dir weiß ich kaum was.” forderte ich ihn auf und er setzte sich gerade hin.
„Na gut, ich heiße Marik Hoffmann wie du weißt, ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, wohne mit meinem besten Freund in einer WG in der Innenstadt und ich arbeite als Bibliothekar. Mehr gibts nicht über mich zu wissen. Ich bin ein absolut langweiliger Mensch!” versuchte er sich herauszureden, aber ich ließ nicht locker.
„Komm schon! Du musst doch noch Hobbys haben! Oder eine Beziehung! Oder irgendwas in der Art! Sag schon!” verlangte ich und Luna stimmte mit ein.
„Ja! Du bist doch nicht so langweilig wie Sam! Also komm! Erzähl ein bisschen was!” drängte auch sie ihn.
„Naja, ich hab schon sowas wie eine Beziehung, aber wir sind echt nicht gut darin und die meiste Zeit ist es eher so on off und wir ficken nur ab und zu, wenn er nicht gerade was zu tun hat, weil er ein so vielbeschäftigter Mann ist, nachdem er ja jetzt diese Anstellung bei der Kanzlei hat.” beschwerte er sich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Da ich nicht glaube, dass du Bottom bist, schlussfolgere ich, dass es dir ganz und gar nicht passt, dass er mehr Geld verdient als du?” neckte Luna ihn und er nickte.
„Es passt mir wirklich nicht! Ich bin der Mann in der Beziehung, ich bin der, der Geld verdienen sollte!” er atmete tief durch.
„Du bist schwul und steckst die Partner in einer solchen Beziehung in die Mann und Frau Schublade? Wirklich Marik? Aber jetzt ernsthaft, es ist doch nicht schlimm, dass du weniger verdienst als er! Da wird es Lunas Zukünftigem auch nicht besser gehen, wenn sie sich nicht von ihm verabschiedet, weil er dumm ist wie ein Stück Brot!” erklärte ich und wir mussten alle lachen.
„Es fühlt sich trotzdem nicht richtig an, da kannst du, oder meine Mutter oder er so viel sagen wie ihr wollt, es ist einfach nicht richtig, dass er so viel mehr verdient als ich! Und jetzt will ich was von diesem Stück Brot wissen!” er zwinkerte Luna zu, welche nur mit verschränkten Armen da saß und mich böse anfunkelte.
„Er ist kein Stück Brot und auch nicht dumm wie eines! Was kann denn ich dafür, die Liebe tut was die Liebe tun muss und wenn es dir nicht passt, dann musst du dich ja nicht mit ihm abfinden!” schimpfte sie und musste dann ein bisschen kichern. „Aber du hast recht, er ist wirklich nicht der Hellste! Neulich war ich nicht zu Hause und er wollte sich was zu essen machen. Er hat einfach nur den Topf mit dem Wasser auf den Herd gestellt, die Kartoffeln reingeworfen und hat sich dann auf die Couch gesetzt, wo er eingeschlafen ist. Und als ich dann nach Hause gekommen bin, musste ich den kompletten Ofen putzen, weil das Wasser übergekocht war. Also nein, er ist nicht der Hellste. Und ja, ich werde ganz sicher einmal mehr verdienen als er. Auch wenn er nicht so schlecht verdient, für die wenige Arbeit die er macht. Naja, wir wissen doch alle wie es im Finanzamt zugeht, nicht?” sie lachte und Marik schaute nur irritiert zu mir.
„Ich wusste nicht, dass sie so eine Quasselstrippe ist. Wie hältst du das aus? Du verbringst doch viel mehr Zeit mit ihr als ich es tue, oder?”.
„Nein, eigentlich war sie noch nicht einmal hier. Weißt du, ich hatte noch nie wirklich Freunde, weil ich mit anderen Menschen nicht so gut kann. Das war schon immer ein verdammt großes Problem bei mir! Ich hatte auch schon überlegt, ob ich das hier absage.” gestand ich und er schüttelte den Kopf. „Nein! Warum solltest du das tun? Ist doch verdammt lustig bis jetzt, findest du nicht?” hakte er nach und ich konnte nur nicken. Ja, bis jetzt war es wirklich toll. Vielleicht hatte ich endlich einmal Leute gefunden, mit denen man Spaß haben konnte, wie man es mit richtigen Freunden hatte.
„Na Jungs? Seid ihr schon fertig mit eurer Sentimentalität? Oder wollt ihr euch noch Zöpfe flechten und alte Bilder verbrennen?” neckte Luna uns und wir überdrehten beinahe gleichzeitig die Augen.
„Nein, wir sind fertig. Freust du dich denn schon auf Weihnachten, Luna? Hast du endlich das Geschenk für Michael?” wollte ich wissen und sie schaute an mir vorbei.
„Ich hab ein Geschenk für ihn, aber ich weiß noch nicht, ob ich Weihnachten mit ihm zusammen feiern kann. Meine Mutter wünscht sich ein Weihnachtsfest mit der gesamten Familie, aber ich will irgendwie nicht, das ist immer so anstrengend mit der Familie.” sie rollte mit den Augen und ich konnte ihr nur zustimmen.
„Ja, ich weiß. Meine Eltern sind auch große Fans des Weihnachten zusammen feiern. Ich leider nicht, die meisten dieser Vollidioten will doch sowieso niemand sehen! Vor allem sind die alle blöd! Und wollen auch noch Geschenke von mir, während ich immer nur Socken oder Unterhosen bekomme. Vollidioten!” schimpfte ich und die anderen stimmten mir zu.
"Ja, ich bin so froh, dass ich mein Weihnachten nicht mit meiner Familie verbringen muss. Meine Mutter fährt dieses Jahr mit ihrem Freund in den Urlaub. Und ich werde meine freien Tage genießen und hoffentlich mit meinem Freund ficken, bis er halbtot auf der Bettkante hängt und mich anbettelt, ihn nicht weiter zu nehmen. Oh, ich freu mich schon so!" Marik rieb sich die Hände und ich musste nervös lachen.
"Ich würde dann nicht dein Freund sein wollen!" mir lief es bei dem Gedanken an Mariks Vorstellungen kalt den Rücken hinunter.
"Wie bitte? Bist du etwa der Typ Kuschelsex? Ist dir das nicht zu langweilig?" Marik trank sein Bier mit einem letzten Zug leer und stand dann auf, um sich ein Neues aus dem Kühlschrank zu holen.
"Ja! Ich möchte nicht halbtot gefickt zu werden! Und ich denke, Kuschelsex ist gar nicht so schlecht, sondern einfach etwas für Bottoms, die nicht so verdammt viel aushalten, Ok?" verteidigte ich mich.
"Was heißt den, du denkst?" Luna hatte den Kopf schief gelegt.
"Naja, wenn du es so wissen willst, könnte man fast schon sagen, ich wäre noch Jungfrau." ich schaute auf meine Hände und wurde rot, weil ih mich schon irgendwie dafür schämte, keine Erfahrungen gemacht zu haben.
"Wie bitte?" Marik hatte sich völlig fassungslos wieder neben mich auf die Couch fallen lassen.
"Es hat sich halt einfach noch nie so ergeben. Das ist eben so. Macht doch nichts, oder? Ist es meine oder eure Entscheidung?" verteidigte ich mich. "Sei doch nicht gleich so zickig! Nein, du darfst natürlich so viel Sex haben, wie du willst, auch wenn das gar keiner ist!" stimmte Luna mir zu.
"Aber du willst mir doch nicht erzählen, du hättest noch nie Sex haben wollen! Ich meine, es muss dich doch reizen, oder?" hakte Marik weiter nach und am liebsten hätte ich ihn geschlagen.
"Natürlich interessiert es mich, aber es ist doch auch nicht so toll, oder? Du willst mir doch nicht erzählen, dass Sex so unheimlich toll ist, wenn man in den Arsch gefickt wird, oder? Ich meine, soweit ich weiß tut es am nächsten Tag nur unheimlich weh. Danke ich zumindest.” ich zuckte mit den Schultern und Marik schüttelte den Kopf.
„Ach was, du wirst selbst noch merken, wie toll Sex ist, wenn du nicht für immer Jungfrau bleiben willst!” Marik zwinkerte mir zu und ich hätte ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen.
„Vielleicht wäre ich ja nicht mehr Jungfrau wenn es auf dieser Welt Männer geben würde, die mich anziehend finden würden.” ich verschränkte die Arme vor der Brust und Marik schüttelte den Kopf.
„Ich denke, du willst das es irgendwas unheimlich besonderes wird und deshalb denkst du, es muss auch mit jemandem sein, der eine besondere Bindung mit dir hat, aber in Wirklichkeit könntest du es auch mit jemandem haben, der dich dafür bezahlt, weil es sowieso komplett scheiße wird.” er rollte mit den Augen und Luna stand sofort auf und schlug ihm wirklich hart gegen die Schulter.
„Hör doch auf sowas zu sagen Marik! Normalerweise ist Sam das Arschloch! Aber sowas zu sagen, das geht doch nicht!” schimpfte sie, während er sich schmerzverzehrt die Schulter hielt.
„Wieso? War dein erstes Mal etwa gut? Du bist wahrscheinlich dagelegen wie ein Brett und dachtest danach, du würdest in Heulkrämpfe ausbrechen, wenn er nicht gerade noch neben dir liegen würde, wie jeder andere Mensch nach seinem ersten Mal auch. Es ist doch falsch, das ganze so zu romantisieren, oder?” verteidigte er sich weiter.
„Wie wäre es, wenn wir uns endlich Mal wieder einem anderen Thema zuwenden?” schlug ich vor. Ich wollte nicht, dass sie sich noch mehr streiten.
„Bevor wir das tun, geh ich kurz meine Nase pudern.” Luna stand auf und ging in mein Bad, jetzt saß ich mit Marik alleine auf der Couch.
„Tut mir leid, dass ich sowas gesagt hab. Ich weiß, dass ich das nicht hätte tun sollen.” entschuldigte er sich bei mir.
„Ist schon Ok, ich kann damit leben. Du hast wahrscheinlich recht und ich male mir das alles viel zu schön aus.” stimmte ich ihm zu. „Trotzdem mag ich es, mir nicht einzureden, ich müsste mich darauf erst gar nicht freuen, weil es sowieso nicht geil wird.”.
„Lass uns über was anderes reden. Mich interessiert ja seit unserem ersten Treffen, wie dein Leben so ist. Du bist ja das Kind von nicht gerade armen Eltern, nicht?” er schien sich ziemlich dafür zu interessieren. Kein Wunder, jeder Mensch interessierte sich doch dafür, wie die reicheren leben und man malt sich gerne aus, dass man selbst so viel Geld hat.
„Ja, stimmt schon. Wir haben jetzt nicht hunderte von Millionen Euro, aber wir gehören zur Elite. Es ist jetzt bestimmt nicht so weit von deinem Leben entfernt. Man kann sich natürlich mehr leisten und ich glaube meine Eltern haben mir niemals einen Wunsch abgeschlagen. Wir waren oft im Urlaub, auch an Orten, an denen du vielleicht niemals Urlaub machen wirst, weil es so teuer ist. Aber andererseits hat man viele Verpflichtungen. Mein Vater arbeitet in einem Bereich, in dem man viel mit den Geschäftspartnern umgehen muss und es gefällt denen, wenn man seine Kinder auf solche Abende mitnimmt, das kommt gut, auch wenn man sich eigentlich zu Tode langweilt und am liebsten einfach einschlafen würde, mein Vater hat mich oft auf solche Partys mitgenommen und es macht meiner Mutter verdammt viel Spaß selber welche zu organisieren, wo wir dann natürlich auch alle da sein müssen.” erzählte ich ihm und er runzelte nur die Stirn.
„Ich glaube, ich könnte mit diesen sogenannten ´Verpflichtungen´ leben, wenn ich dafür all das andere Zeugs bekommen würde. Und außerdem bist du ja jetzt von der Pflicht, bei solchen Dingen anwesend zu sein, erlöst!” er lachte und ich schüttelte nur bedauernd den Kopf.
„Nein, leider nicht. Ich muss immer noch zu solchen Veranstaltungen und deshalb wird es dieses Jahr vielleicht auch nichts mit der englischen Küste.” ich atmete tief durch und stand dann auf. „Für dich auch noch ein Bier?”.
Es war dann doch noch ein schöner Tag geworden, auch wenn mich Mariks Aussage noch immer verfolgte, hatten wir eine schöne Zeit und danach mussten wir auch noch sehr viel lachen. Luna war zwar noch angepisst von ihm, nachdem sie gegangen war, hatte sie mir sogar geschrieben sie wolle sich nie wieder mit ihm treffen, aber das würde schon wieder werden.
Ich hingegen war extrem stolz auf mich, weil ich diesen Tag wirklich gut hinbekommen hatte. Doch als ich auf der Toilette saß, und das Ende der Klopapierrolle nicht aufging, musste ich ein paar Sekunden darüber nachdenken, mich von Luna als Freundin zu trennen. Jemand der sein Klopapier rollte, war auf meiner Toilette nicht willkommen!
„Ja, du fandest den Tag super, nicht Jeff? Und bei dir ist es nicht anders, huh?” ich schaute J.W. an, während er es sich auf der Küchenzeile, wo er gerade lag, noch bequemer machte. „Ihr beide wurdet die ganze Zeit gestreichelt, wäre schön, wenn Papa auch so viel Zeit damit verbringen würde, oder?” ich strich meinem Wuschelkopf über den Rücken und ließ dann das Katzenfutter in die Schüssel fallen. Ja, es sah wirklich nicht gut aus und ich persönlich würde es als Katze nicht einmal mit einer Kneifzange anfassen, aber man musste sich als Stubentiger von etwas ernähren, und wenn es ihnen schmeckte? „Wisst ihr was? Morgen besorg ich euch neues Futter, und dann gibt es Mal eines, das nicht so aussieht, als wäre es schon einmal gefressen worden, ja?” versprach ich, aber es schien den beiden egal zu sein, sie waren so auf ihr Futter fokussiert, dass sie mich sicher nicht einmal mehr mitbekamen. „Oh, ich würde so gerne mit euch tauschen.”.
„Gut, du hast endlich Freunde gefunden? Herzlichen Glückwunsch mein Großer!” lobte mich meine Mutter, die vor Elviras Laptop saß. Sie hatte unbedingt mit mir Face-Timen wollen und jetzt hatte Elvira sie endlich mal an ihr Mac-Book gelassen, weil sie es am Handy nicht verstand. Gott, mir war gerade erst aufgefallen, wie sehr ich die Stimme meiner Mutter in der kurzen Zeit hier vermisst hatte. Naja, kurz. Mehr als drei Monate mittlerweile.
„Ja, ich finde es auch toll. Und ich freu mich schon, wenn ich mich wieder mit ihnen treffen kann!” erklärte ich stolz. Meine Mama war immer ein Mensch gewesen, der mich für alles gelobt hatte.
„Bist du denn schon aufgeregt, wenn die ersten Prüfungen anstehen? Ich habe gehört, die sind noch viel schwerer als die in der Schule!” fragte sie besorgt.
„Nein, ich geh das ganz ruhig an. Irgendwann muss ich ja meine Leistungsnachweise erbringen um dann eine Note zu bekommen, das ist doch ganz normal. Deshalb mich ich mich doch jetzt nicht verrückt!”.
„Oh, mein Junge ist so intelligent. Ich habe es deinem Vater immer wieder gesagt, aus dir wird nochmal was!” lobte sie mich.
„Klar wird aus mir was! Wie konnte er daran auch nur einen Moment zweifeln? Aber zu was anderem: Wie gehts euch allen denn? Ich hab ja ewig nicht mehr mit einem von euch gesprochen, nur mit Elvira, und die redet nicht gerne über euch!”.
„Und geht es wirklich gut! Dein Vater ist im Moment sehr viel zu Hause und weil nur noch deine Schwester und ich da sind, machen wir uns oft gemütlich Mädelsabende! Obwohl es ein bisschen still und auch etwas langweilig geworden ist, seit du nicht mehr hier wohnst, aber das wird sich ja bald wieder ändern, wenn du zu Weihnachten herkommst. Und diesmal kannst du dich nicht einfach abmelden!” drohte sie mir.
„Ach was Mama! Ich mag Weihnachten einfach nicht so, und du weißt das es nicht an dir oder Dad liegt, also bitte nimm es so hin, wie ich es will!” bat ich, aber sie schüttelte den Kopf.
„Nein Samuel! Du kommst nach Hause, in den Weihnachtsfeiertagen haben wir hier einen wichtigen Empfang der Männer, mit denen dein Vater arbeitet und er möchte dich mit ein paar von ihnen bekanntmachen! Das heißt, du musst kommen! Und außerdem willst du doch wohl deine Mutter nicht enttäuschen, oder?” sie machte ihre Augen groß und schaute mich mit einem Blick an, welcher mir einen Stich ins Herz gab. Sie sah so traurig aus, so wollte niemand seine Mutter sehen. Das zählte bestimmt schon lange zu Manipulation, aber es half.
„Nein, ich will meine Mama nicht traurig machen. Es tut mir leid, dass ich darüber nachgedacht habe.” entschuldigte ich mich und sie fing wieder an zu lächeln.
„Du bist so ein braver Junge, viel braver als alle deine Geschwister!” lobte sie mich und ich fühlte mich verdammt gut dabei. Mir tat meine Mutter immer leid, wenn sie mich so anschaute. Obwohl ich mich immer von ihr entfernen wollte, weil es schlecht war wenn sie so einen Einfluss auf mich nehmen konnte.
„Ich weiß Mama. Ich werde da sein, verlass dich darauf!” versprach ich ihr und sie lächelte fröhlich in die Kamera.
„Dann muss ich auch Schluss machen, mein Spätzchen. Mama hat noch ein bisschen was mit Papa zu bereden. Wir sehen uns in drei Wochen Sami! Und vergiss nicht, deine Mama hat dich ganz dolle lieb!” damit wurde der Bildschirm schwarz und ich konnte Face-Time endlich schließen. Scheiße. Ich hatte es Mal wieder nicht geschafft, meiner Mutter einen Wunsch abzuschlagen, aber war das wirklich so schrecklich? Ja! Ich wollte endlich von ihr unabhängig sein!
„Komm her Jeff, ich muss mit dir kuscheln. Ich brauche Liebe.” verlangte ich von meiner Katze, welche mich anschaute, als wäre ich ein Alien.
„Du bist der liebste Kater dieser Welt!” lobte ich ihn, weil er mich nicht sofort kratzte, wie ich es sonst von J.W. gewohnt war. Sie waren beide nicht gerade Fans davon, geknuddelt zu werden, aber er spürte bestimmt, wie schlecht es mir gerade ging, und deshalb schmiegte er sich leicht an mich. „Was soll ich eigentlich mit euch machen? Ich kann euch nicht hier lassen und zu Hause werdet ihr noch abhauen und verloren gehen!” jetzt musste ich schluchzen. Es gab wirklich nichts, was ich mehr hasste, als zu weinen, aber ich konnte meine Tränen einfach nicht zurückhalten! Wieso musste ich einfach so ein Lappen sein? Ich konnte mich nie durchsetzen! Und vor allem stand ich immer da wie ein Vollidiot, der sich noch nicht einmal gegen seine Mutter erheben konnte.
„Wieso bin ich nur so ein Lappen? Ich brauch eine Zigarette.” damit setzte ich ihn ab und flüchtete mich schnell aus der Wohnung, um draußen eine zu rauchen.
„Wie ich dich hasse Mama. Ich will dich einfach nur sterben sehen!” hatte ich das gerade laut gesagt? Nein lieber Gott, bitte lass meine Mama nicht sterben! Ich brauche sie doch, sonst weiß ich nicht, wohin mit meinem Leben. Ich hab nicht darüber nachgedacht! Bitte nimm sie mir nicht weg!
Oh Gott, was tue ich hier? Bin ich jetzt vollkommen verrückt geworden? Man, ich kann doch so nicht nach Hause kommen! Wie soll ich das alles nur jemals hinkriegen? Gerade erst hatte ich angefangen, mich gegen meine Eltern aufzulehnen, ich konnte nicht einfach sofort wieder damit aufhören! Und vor allem konnte ich nicht einfach wieder zurück zu meinem alten, verschlossenen Ich, welches meine Eltern die letzten zweiundzwanzig Jahre meines Lebens immer aufrecht erhalten hatten. Wie ich sie dafür hasste. Sie redeten sich immer heraus damit, dass sie nur das beste für mich gewollt hatten und dass sie nicht wollten, dass ich verletzt wurde, aber das war nicht die Wahrheit. Sie hatten mich zu einem Ausgestoßenen gemacht, zu einem Menschen, der keine Chance hatte, sich Neuem zu widmen. Durch dieses ´beschützen´ war ich einfach nur einsam und traurig geworden. Warum hatte ich auch immer geglaubt, dass wäre der richtige Weg für mich? Warum war ich so leichtgläubig? Man hatte mir doch beigebracht, nie jemandem zu trauen. Also warum hatte ich ihnen getraut? Und warum war ich so ein dummer Mensch und führte alles weiter, was sie mir angetan hatten? Ich sollte es endlich loslassen.
Tut mir leid, dass es so lange und vor allem jetzt so ein kurzes Kapitel gibt. Nach einem kleinen Reitunfall ist es mir aber beinahe unmöglich an meinem Schreibtisch zu sitzen, ich hoffe, ihr könnt das nachvollziehen.