Ich sitze auf den weinroten Sofa im Wohnzimmer und halte eine mit Tee gefüllte Tasse in der Hand. Hilley hat mir eine Decke um die Schultern gelegt und das Kaminholz entzündet.
Die junge Frau sitzt mir gegenüber und hat ebenfalls einen Tee in der Hand. Ich warte darauf, dass sie anfängt. Dies scheint sie zu bemerken:“Ich fang dann mal lieber an.“ Es scheint als würde sie es mehr zu sich selbst, als zu mir sagen.
Ich nehme noch einen Schluck aus meiner Tasse.
Sie schluckt noch einmal schwer und rückt dann mit der Sprache heraus:“Was ist vorhin gesagt habe ist war. Es gibt die Elementarier und sie haben ihre Kräfte bereits vor sechzehn Jahren entschieden welche sechs Neugeborenen ihre Kräfte erben sollen.“ Es wird also vor der Geburt der Kinder entschieden?! Das heißt die Elementarier wissen vorher nicht wie sich die Kinder entwickeln. Was geschieht wenn eines der Kinder sich falsch entscheidet und die Kräfte missbraucht? “Sechs Kinder? Wer? Welche Kinder? Wie sind ihre Namen?“, frage ich interessiert. Ich bin mir nicht sicher wieso mich das interessiert, aber ich will es irgendwie wissen. Vielleicht bin ich einem dieser Kinder ja schon mal begegnet.
Hilley muss lächeln:“Ich kenne noch nicht alle von ihnen. Ich weiß nur von der Existenz von dreien von ihnen.“ Ich ziehe ein Augenbraue hoch:“Echt? Wie heißen sie? Du musst es mir sagen.“ Sie nickt und schiebt mir einen Zettel über den Tisch hinweg zu. Ich schaue sie fragend an, doch sie nickt mit dem Kopf in Richtung des Zettels. Mit dieser Geste weißt sie mich an das Papier zu lesen.
Ich nehme es von der Tischplatte herunter. Es ist bereits vergilbt und dreimal gefaltet. Mit Fingern, die vor Aufregung und Anspannung zittern, falte ich das Blatt auf einander.
Darauf steht, geschrieben mit blauer Tinte, eine Reihe von Namen. Neben einige von ihnen wurden mit einem Bleistift Notizen gekritzelt, während einzelne von ihnen mit roter Tinte geschrieben wurden.
Ich hebe meine Blick wieder vom Papier und schaue Hilley fragend an:“Welche davon sind die Drei?“ “Die in rot“, sagt sie leise.
Mein Blick richtet sich wieder auf das Papier. Der erste Name in rot lautet “Ruby Smith“. “Ist das die Ruby von vorhin?“, frage ich überrascht. Sie nickt. “Dann ist sie also eine Auserwählte?“, frage ich überrascht. Sie nickt erneut zustimmend. “Welche Kräfte hat sie?“, frage ich weiter. Ich muss ja wissen mit wem ich es zu tun hat. “Das musst du sie bei Gelegenheit selbst fragen“, bittet sie.
Ich richte meinen Blick wieder auf die Blatt und murmele:“Na gut.“ Der nächste Name lautet “Katherine Peters“ und ich will gerade fragen wer das ist, doch da lese ich die Bleistiftnotiz daneben. “Nicht sicher“, steht dort in Klammern geschrieben. Das heißt Hilley weiß gar nicht, ob dieses Mädchen die Kräfte der Elementarier geerbt hat. Merkwürdig. Wie kann man sowas überhaupt feststellen? Vielleicht sollte ich sie mal fragen. “Wie kannst du feststellen wer die Kräfte geerbt hat?“ “Das kann ich dir gleich zeigen. Lies aber bitte erst weiter“, bittet sie geheimnisvoll.
Ich tue wie mir geheißen und lese den letzten in rot geschriebenen Namen. Vor Schreck erstarre ich sofort zu einer Eissäule. Der Name der dort steht lautet Stella Valerios. Und es ist nicht nur irgendein Name, nein, es ist mein Name. “Wieso ist mein Name dort aufgeführt?“, fragt ich erschrocken. Die Angst ist mir an der Stimme an zu hören. “Weil du mit ziemlicher Sicherheit eines der auserwählten Kinder bist“, erklärt sie so als müsste ich eigentlich wissen, dass sie mich nur deshalb gerettet hat. Wenn sie es nur aus diesem Grund getan haben sollte, bin ich echt beleidigt.
“Mit ziemlicher Sicherheit? Wie kann sicher gehen?“, harke ich interessiert nach.
Hilley greif in ihre Tasche und zieht etwas heraus. Es ist ein kleiner blauer Kristall an einem dunklen Lederband. “Bitte leg sie um“, Hilley überreicht mir die Kette. Ich nehme sie vorsichtig. Sie scheint sehr wertvoll für Hilley zu sein.
Weil sie mich darum gebeten hat, lege ich die Kette um meinen Hals und schließe den Verschluss hinten.
Als der Kristall meine Haut berührt, leuchtet er plötzlich von innen heraus. Im selben Moment erscheint das Bild eines Sees in meinem Kopf.
Wenige Sekunden später ist der Moment jedoch wieder vorbei und ich blinzele mehrmals, bis ich zurück im Wohnzimmer von Hilleys Haus sitze. Das war ja merkwürdig. Sowas ist mir noch nie passiert.
Ich bemerke Hilleys interessierten Blick:“Und? Was ist passiert? Was hast du gesehen?“ “Einen See“, antworte ich noch völlig neben der Spur. Dieses merkwürdige Bild hat mich total aus der Bahn geworfen.
Mein Blick wandert zu dem blauen Kristall. Er leuchtet nur noch schwach. Ich nehme ihn in die Hand.
Als einer meiner Finger ihn berühren, zucke ich zurück. Ich habe mich an einer spitzen Kante geschnitten, doch komischerweise blute ich nicht. Es läuft nur ein bisschen Wasser auf der Wunde. Ich ziehe verwundert die Augenbrauen hoch.
Dann blicke ich Hilley an. Sie hat keine Sekunde den Blick von mir abgewendet. Ich sehe sie fragend an:“Und?“ “Du bist es“, sagt sie fast mechanisch.
Ich schließe meine Hand um den Kristall und starre Hilley an. “Ich bin es“, wiederhole ich:“Was bin ich?“ “Du bist eine Elementarierin, Stella. Du hast Kräfte, die sich keine andere Person auf dieser Welt je vorstellen kann.“ “Und was für Kräfte habe ich genau?“, frage ich ängstlich weiter.
Sie deutet auf den Stein:“Das ist der Wasserstein, also gehe ich davon aus, dass du die Kräfte des Elements Wasser vererbt bekommen hast.“ Ich schlucke. Das Wasser also. Das erklärt also auch wieso mir das Wasser so gut und warum ich den Regen so liebe.