Am Morgen machte Jeanne sich fertig für den Tag. Sie zog sich ein schlichtes knielanges Kleid an, dazu einfache Stoffschuhe. Ihr Haar band sie zu einem Zopf zusammen. Danach begab sie sich zum Frühstück, wo man sie schon erwartet hatte. Als sie sich setzte begannen sie alle gemeinsam mit dem Essen.
Nachdem Essen machten sich Ahanu und Jeanne auf den Weg in die Stadt.
„Was möchtest du eigentlich auf dem Markt?“, wollte Ahanu wissen.
„Nichts besonderes. Ich wollte mich einfach nur mal umsehen.“
Auf dem Markt angekommen stellten die beiden fest, dass er nicht sonderlich gut besucht war. Wahrscheinlich hatten die Menschen Angst wegen dem gestrigen Vorfall im Schloss. Auch wenn nur wenige Menschen dort waren genoss Jeanne von normalen Bürgern umgeben zu sein und das in der Stadt.
„Warum ziehst du dich eigentlich nicht an, wie es eine Prinzessin tun sollte?“
„Ich möchte dies nicht. So fühle ich mich wohler.“
„Aber dennoch wirst du wie die Prinzessin behandelt.“
„Das mag sein, aber dagegen kann ich wohl kaum etwas unternehmen.“
Die beiden schlenderten von einem Stand zum nächsten und schauten sich dabei die Lebensmittelwaren und auch die Gegenstandwaren an. Gelegentlich kamen Menschen von weit her mit Waren aus ihrer Heimat, die hier ihren Stand aufstellten.
Ohne es zu erwarten wurde Jeanne von einem Jungen angerempelt. Als sie sich zu ihm umdrehen wollte rannte dieser schnell davon. In seiner Hand hielt er einen Geldbeutel. Mit erschrecken musste Jeanne feststellen, dass ihrer nicht mehr da war.
„Ahanu, der Junge hat mein Geld!“
Ahanu drehte sich zu dem Jungen.
„Den kralle ich mir.“
Er lief trotz seinen Verletzungen los und Jeanne ihm hinter her. Weit war der Junge nicht gekommen. Er wurde von ein paar großen furchteinflößenden Männern aufgehalten.
„Von wem hast du das gestohlen kleiner?“, wollte einer der Männer wissen.
„Das geht euch überhaupt nichts an.“
Der Mann holte gerade zum Schlag aus, doch Jeanne hielt seinen Arm fest.
„Lass gut sein. Er hat es von mir gestohlen.“
„Prinzessin Chevalier.“, sagte der Mann erstaunt.
Sie ließ seinen Arm los, woraufhin er ihn wieder senkte.
„Ich werde da schon mit ihm klären.“
„In Ordnung. Ich oder eher wir wünschen einen angenehmen Tag.“
„Vielen Dank, das wünsche ich euch auch.“
Die Männer verbeugten sich und gingen dann fort. Auch der Dieb wollte verschwinden, aber Ahanu hielt ihn fest.
„Nicht so hastig kleiner.“, sagte Ahanu.
„Lass mich los! Und nenne mich nicht kleiner! So viel älter werdet ihr wohl kaum sein.“
„Wie alt bist du denn kleiner?“, fragte Ahanu neugierig.
„Fünfzehn.“
„Ein wenig jünger als wir, aber gut. Aber wieso bestiehlst du mich?“, wollte Jeanne wissen.
„Ich brauche das Geld.“, sagte er und wich den Blick des Mädchens aus. „Meine Waisenmutter ist schwer krank und braucht Medizin. Ohne sie wissen wir nicht, was wir tun sollen.“
„Wir?“, fragte Jeanne.
„Meine Geschwister und ich. Als ältester fühle ich mich für sie verantwortlich.“
Als Jeanne dies hörte begann sie Mitleid zu bekommen.
„Nimm das Geld und geh deiner Mutter helfen.“
„Was?! Du glaubst ihn doch nicht etwa?“, fragte Ahanu empört.
„Doch genau das tue ich.“
Der Junge schaute sie fassungslos an. Meinte sie dies wirklich ernst?
„Wie heißt du?“, wollte Jeanne wissen.
„Hilaire...“
„Mein Name ist Jeanne und das ist Ahanu.“
„Ihr seid Krieger...“, der Junge schaute die beiden mit großen Augen an. „Eure Namen sind bekannt bei uns...“, dann senkte sich sein Blick wieder. „Ich wäre auch gerne ein Krieger… dann könnte ich meine Familie vor allem beschützen.“
„Das wäre wirklich ein guter Grund, um einer zu werden.“, sagte Jeanne lächelnd. „Aber nun geh deiner Mutter helfen.“
„Vielen Dank Jeanne.“, Hilaire lächelte etwas. Er war genauso groß wie Jeanne, weswegen er ihr direkt ins Gesicht sehen konnte.
Ahanu ließ ihn los und er konnte davon laufen.
„Wie kannst du ihm nur Glauben schenken?“, wollte Ahanu wissen.
„Glaubst du etwas, dass er gelogen hat?“
„Ja natürlich.“
„Na dann.“, sagte sie und lief los. „Lass uns ihn beobachten!“
Ahanu schaute er erschrocken hinter her. Wie kann man denn bitte so naiv sein? Sie wird bitter enttäuscht sein, wenn sie sieht, was er wirklich damit macht. Damit sie damit nicht allein umgehen muss, lief er ihr hinter. Sie blieben an einer Hausecke stehen und konnten sehen, wie Hilaire in ein Kräuterhaus ging.
„Siehst du Ahanu? Er geht Medizin kaufen.“
„Wer weiß für wen oder was die ist.“
„Wir werden es sehen.“
Hilaire kam mit einer Tüte aus dem Haus. Er schaute sich um und ging mit schnellen Schritten weiter. Die Königspflegekinder folgten ihm mit einem sicheren Abstand. Sie folgten ihm bis zu einer Art Ruine. Das sollte doch wohl nicht etwa das Haus sein indem sie wohnten?
Aus wieder sicherer Entfernung schauten sie Hilaire zu, wie er das Haus betrat. Man konnte durch ein großes Fenster sehen, was offen stand. Der Junge hatte noch zwei jüngere Geschwister und seine Mutter lag in einem Bett. Sie sah wirklich nicht gesund aus.
„Siehst du er hat nicht gelogen.“
„Du hast ja recht...“
„Hilaire was hat denn so lange gebraucht?“, wollte seine etwas jüngere Schwester wissen.
„Ich musste erst einmal jemanden finden, der genug Geld für Medizin hatte. War nicht leicht, da selbst die Prinzessin wie ein normaler Bürger gekleidet war.“
„Du hast du Prinzessin bestohlen?“, fragte sie empört.
„Ja, aber keine Sorge.“
„Kein Sorge?! Sie wird uns die Wachen an den Hals hetzen.“
„Nein wird sie nicht.“, Hilaire bearbeitete das Kraut in einem selbst gebauten Mörser.
„Was macht dich da so sicher?“
„Sie hat mich erwischt und mich gehe lassen.“
„Ja um dich in Sicherheit zu wiegen.“
„Nein… Sie hatte Mitleid mit uns...“
Hilaire war mit dem bearbeiten der Kräuter fertig und ging damit zu seiner Mutter. Er nahm etwas davon in den Mund und zerkaute es, dann führte er ihr es in den Mund.
„Du musst das schlucken Mutter… davon wirst du gesund.“
Deren Mutter wirkte alt und schwach. Sie schien so nicht einmal mehr leben zu wollen, aber sie nahm trotzdem die Medizin an.
Jeanne und Ahanu konnten alles hören und beobachten. Die drei Kinder sahen wirklich besorgt um ihre Mutter aus.
„Ich wünschte ich könnte mehr helfen.“
„Dann kannst du nicht Jeanne. Die Hilfe die du gegeben hast ist schon genug.“
„Meinst du wirklich?“
„Ja meine ich… Du hättest auch gar nichts tun können. Also ist das genug.“
Jeanne bekam noch mehr Mitleid. Wenn sie nur wüsste was sie tun konnte. Aber Ahanu hatte wohl Recht. Sie hat genug getan. Andere hätte ihn wahrscheinlich nicht geholfen und wohl möglich noch bestraft.
„Lass uns erst mal wieder gehen Jeanne. Du hattest Recht, dass er Gutes tun möchte. Also können wir wieder gehen.“
„Ja in Ordnung.“
Die beiden gingen zurück zum Markt. Um etwas zu kaufen hatte Jeanne kein Geld mehr. Das hatte Hilaire bekommen. Dafür hatte Ahanu noch etwas, falls ihr etwas gefallen sollte.
Zur späteren Zeit gingen die beiden noch etwas essen. Ahanu lud sie zum Essen ein. Danach schauten sie sich weiter um. Sie gingen zum Stadtrand. Hier hat sie Jeanne lange nicht mehr aufgehalten.
„Warst du schon mal am Stadtrand oder außerhalb der Stadt?“, wollte Ahanu wissen.
„Hmm ich glaube schon, aber sicher bin ich mir nicht. Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass ich oft hier gewesen bin. Seit ich aber im Königshaus wohne, war ich nicht mehr hier.“
Die beiden verließen die Stadt und schauten sich um. Ahanu kam es ein bisschen gefährlich vor, aber er hatte sein Schwert dabei, was ihm sich sicher fühlen lässt.
„Wir müssen aufpassen. Du bist völlig unbewaffnet. Die `Wesen´ könnten das als Chance sehen und angreifen. Ich glaube nicht, dass ich sie alle stoppen könnte.“
„Keine Sorgen. Wir werden uns hier nicht lange aufhalten oder weit gehen. Ich möchte mich hier nur ein wenig umsehen.“
„In Ordnung.“
Sie schauten sich etwas außerhalb der Mauern um. Je näher sie dem Wald kamen umso mulmiger fühlte sich Ahanu. Er fühlte beobachtet. Das nicht zu unrecht. In der Ferne waren zwei von den `Wesen´ und beobachteten die beiden. Sie machten aber keine Anstalten zu den beiden zu gehen. Einer der beiden war Frey. Dieser hielt seinen Freund auch auf.
„Ich kenne diesen Ort. Hier war ich auf jeden Fall schon mal.“
„Bist du dir sicher?“
„Ja… Die Höhle dort.“ Sie zeigte auf eine Höhle vor der ein großer Stein lag, der den Eingang versperrte. „Da war ich schon mal mit irgendjemanden. Ich weiß nur nicht mit wem oder was wir hier gemacht haben.“
„Wir konnten ihr da aber gewesen sein, wenn da ein Stein den Weg versperrt?“
„Der Stein war da früher nicht. Er wurde erst nach einem Vorfall davor geschoben.“
„Was war das für ein Vorfall?“
„Ich weiß es nicht mehr. Nur seit diesem Vorfall war ich nie mehr außerhalb der Stadt.“ Jeannes Blick wirkte auf mal niedergeschlagen. Irgendwas schien sie zu bedrücken, aber selbst konnte sie nicht in Worte fassen was es war.
Auch Frey der sie aus der Ferne beobachtete war etwas bedrückt. Wieso konnte sie sich nur an nichts mehr erinnern, was mit ihm zu tun hatte? Scheinbar hat sei seit der Trennung alles verdrängt und wurde abgelenkt.
„Ahanu lass uns nach Hause gehen.“
„Ja.“
Die beiden machten sich wieder auf dem Weg nach Hause. Ohne hin war es auch schon spät.