Textsorte: Buch; kann Jugendfantasy oder Dark Fantasy werden.
Inhalt: Zwei befreundete Familien machen Urlaub in einem rumänischen Schloss. Die Gastgeber sind Vampire.
Vorhanden: Ein Prolog und ein unvollständiges erstes Kapitel, sowie eine kurze Liste der Charaktere.
Karpatenschloss
Prolog: Uraufführung
Die schweren, roten Vorhänge bewegten sich leicht im Wind. Stimmengemurmel bildete eine monotone Geräuschkulisse, ein beständiges Rauschen, das man schnell nicht mehr wahrnahm.
Der Saal war unerwartet leer. Es waren vielleicht knapp fünfzig Leute im Publikum. Nicht grade ein guter Start für das Musical. Die kleinen Grüppchen verteilten sich über den ganzen Raum, und nicht selten hatte eines von ihnen die ganze Sitzreihe für sich.
So wie Brenda und Veronika.
„Gott, ich hasse diese Sitze!“, fluchte Veronika neben ihr. Brendas beste Freundin versuchte, ihren Körper zwischen die viel zu engen Sitze zu quetschen. Es gelang ihr mehr schlecht als recht. Brenda verdrehte leicht die Augen. Sie kämpfte ihrerseits mit ihrem eigenen Sitz, der einfach nicht akzeptieren konnte, dass sie auch ein Mensch war und beständig versuchte, sie zu erdrücken. Sie wünschte sich ein paar von Veronikas überflüssigen Kilos.
„Gibt mir solange deine Tasche“, bot sie stattdessen an, um ihrer Freundin wenigstens etwas zu helfen. Und um zusätzliches Gewicht zu gewinnen. Veronika gab ihr Täschchen weiter wie einen heiligen Gegenstand.
Endlich rutschte Veronika in den schmalen Raum zwischen den Lehnen. Brenda spielte mit der Lehne auf ihrer Seite herum.
„Du hättest die auch hochklappen können.“, stellte sie fest und bewies ihrer Freundin mit ein paar Bewegungen, dass die Sitze sich auch erweitern ließen. Veronika fluchte herzhaft, quälte sich wieder aus dem Sitz, klappte die Lehnen zurück und ließ sich mit einem Seufzer von neuem sinken.
Brenda bemerkte fasziniert, dass sich die ganze Reihe dadurch bewegte.
Schon wurden die Lichter gedimmt. Brenda wippte vor Vorfreude mit den Füßen. Sie hatte die Karten für das Musical gewonnen, mit ihrem Wissen über den „Tanz der Vampire“-Film. Sie liebte alles, was mit den Untoten in Verbindung stand, und Veronika musste notgedrungen darunter leiden.
Das Musical begann. Uraufführung. „Die Nacht der Fledermaus“.
Brenda lehnte sich zurück, um im Notfall einzuschlafen. Doch schon das erste Lied hatte auch sie gepackt. Von überall auf der Bühne strömten die Schauspieler hervor. Das Publikum durfte mit klatschen. Plötzlich war die Geschichte wie vergessen. Es ging irgendwo um einen Fürsten der Vampire, der sich nicht verlieben konnte. Der Schauspieler war jung und gutaussehend, und er strahlte eine autoritäre Aura aus, die sich nur als „vampirisch“ bezeichnen ließ. Die Schauspieler liefen sogar durchs Publikum. Die Musik war mitreißend.
Brenda fing für einen Augenblick den Blick des Hauptdarstellers auf. Eine Sekunde lang schien die Welt stehen zu bleiben – dann zwinkerte er ihr zu.
Sie verlor jedes Zeitgefühl, während sie mittanzte, fast wie in der „Rocky Horror Show“. Noch nie hatte sie sich so leicht gefühlt – als könnte sie fliegen. Jetzt sprangen die Schauspieler durch die Reihen der Zuschauer, auf einer wilden Jagd. Die Zuschauer mussten aufspringen, tanzten lachend aus dem Weg. Der Hauptdarsteller kam ihr plötzlich entgegen, sie prägte sich jedes Detail ein: die glatten, schwarzen Haare, die raubtierartigen Gesichtszüge, die durch Kontaktlinsen rot gefärbten Augen. Er grinste ihr zu, und schon war er vorbei. Brenda wurde schwindelig. Das Musical würde ein voller Erfolg werden, soviel war sicher.
Jetzt wurde das Publikum aufgefordert, die Bühne zu betreten. Brenda folgte, ohne zu zögern. Sie war nicht die einzige. Veronika rief ihr irgendetwas zu, blieb zurück, verschwand im Gewimmel. Brenda kletterte nach oben, die ganze Bühne bewegte sich, schien ihren eigenen Tanz aufzuführen.
Zwei andere Schauspieler waren neben ihr, eine junge Frau, die die Schwester des Hauptdarstellers spielte, in knallrotem Outfit, und ein ebenso bunter Bester Freund. Sie lehnten sich zu Brenda hinüber, flüsterten ihr einen Witz zu, sie lachte.
Der Höhepunkt und das Finale näherten sich. Brenda blieb zwischen den beiden Vampiren, fast das ganze Publikum stand auf der Bühne. Der ganze Saal war bester Laune. Der Hauptdarsteller sang, er würde seine Liebe wohl alleine suchen müssen. Der Chor der Vampire steigerte sich in ein Crescendo. Es regnete Plastikblumen.
Brenda grinste noch, als die Bühne herunter fuhr, und das Publikum zu einer Autogrammstunde und Party mit den Darstellern eingeladen wurde. Sie zerrte Veronika ohne zu zögern mit sich, sie wusste, dass es keine andere Option gab, als zu bleiben. Es wurde eine fröhliche Party, die Darsteller trugen noch immer ihre Kostüme, bedankten sich bei ihrem Publikum. Es gab Getränke und Snacks, und außer Veronika kam niemand auf die Idee, zu gehen. Brenda ignorierte ihre beste Freundin, die einen sinnlosen Vortrag hielt. Sie war neidisch auf Brenda, der man zugezwinkert und Witze erzählt hatte, und versuchte ihr die Party auszureden. Brenda wollte nichts davon hören, dass es seltsam sei. Sie sah den Hauptdarsteller wieder. Er grinste ihr zu und nickte dann auf die Tür nach draußen.
Brenda blieb fast die Luft weg. Sie log Veronika an, sagte, sie müsste noch mal kurz für kleine Mädchen und folgte dem Schauspieler mit klopfendem Herzen. Er wartete draußen bereits auf sie, fragte nach ihrem Namen, nannte seinen – Pascal Beau „Pace“ - und zog sie zu sich heran.
Selbst wenn sie es gewollt hätte, mit jeder Faser ihres Seins, sie hätte sich nicht wehren können.
Am nächsten Morgen erwachte sie so ausgeruht wie nie zuvor, und mit einem Lächeln auf den Lippen. Sanftes Licht schien durch die zugezogenen Vorhänge.
Brenda blinzelte müde und kuschelte sich noch etwas tiefer in die warmen Decken. Lächelnd rief sie sich den gestrigen Abend noch einmal in Erinnerung. Erst dann sah sie sich um.
Ein gepflegtes Hotelzimmer. Ein großes Doppelbett, eine Tür, die vermutlich zum Bad führte, ein Schrank, Fernseher, Schreibtisch, Minibar... es sah erstaunlich teuer aus.
Natürlich war das Bett neben ihr leer. Ein leichter Stich in der Magengegend, doch sie überwand es schnell. Er hatte bestimmt einiges zu tun.
Sie stand auf und fand ihre Kleidung sorgfältig gestapelt in einem Sessel. Sie zog sich langsam an. Sollte sich einfach so verschwinden? Ihre Telefonnummer zurücklassen? Bleiben und warten? Sie hatte nicht die geringste Ahnung. Sie ging durch den Raum.Ihre Tasche lag neben der Tür. Alles noch da, Geld, Handy, Papiere. Sie nahm einen Zettel und schrieb sorgfältig ihre Nummer auf. Dann legte sie den Zettel auf den Schreibtisch, wo Pascal ihn finden würde. Langsam tappte sie zur Tür, drehte den Knauf...
Die Tür war verschlossen. Für einen Moment steig Panik in ihre auf. Sie war eingesperrt! Sie beruhigte sich so gut es ging und suchte nach einem Schlüssel. Nichts.
Vielleicht war er nur kurz weg. Und käme bald wieder. Bei dem Gedanken machte ihr Herz einen Satz. Sie strich sich durch die Haare. Wie alt war sie eigentlich? Resignierend ließ sie sich in den Sessel fallen. Er wollte sie nicht gehen lassen. Das war irgendwie süß. Ihr war leicht schwindelig. Wie viel hatte sie gestern getrunken?
Endlich ertönten Schritte vor der Tür. Sie setzte sich automatisch aufrecht hin. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Es war Pascal, der eintrat, mit einem breiten Lächeln.
Er trug noch immer einen schwarzen Frack. Brenda stutzte. Er hatte auch die gleiche, glatte Frisur, und war bleich geschminkt. Seltsam.
Er verbeugte sich leicht. „Ich sehe, du bist aufgewacht.“
Sie nickte nur, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Sogar seine Zähne schienen noch spitz zu sein. Veronika tauchte in ihrer Erinnerung auf: „Normalerweise will dieses Schauspielerpack doch so schnell wie möglich aus der Verkleidung raus, besonders nach einem anstrengendem Musical!“ schimpfte ihre beste Freundin durch ihre Gedanken.
Pascal holte einen Korb hervor. „Ich habe uns Frühstück gemacht. Verzeih, dass ich dich dafür einsperren musste, aber ich wollte das gute Essen nicht alleine essen müssen.“
Brenda wurde rot und senkte den Blick. „Danke.“ Dass sie auch nur einen Moment hätte zweifeln können.
Der Korb landete zwischen ihnen auf dem Bett. Es waren Butterbrote, aber furchtbar leckere. Erst jetzt merkte Brenda, wie hungrig sie war. Nach dem zweiten Brot fiel ihr auf, dass Pascal sie nur lächelnd beobachtete. Er bemerkte ihren Blick. „Iss. Ich hatte bereits etwas. Du hast sehr lange geschlafen.“ sagte er höflich.
Irgendwo in ihrem durch Vampirgeschichten trainiertem Kopf klingelte eine Alarmglocke. Aber Pascals Lächeln brachte sie sehr schnell zum Verstummen.
Ich bin einfach noch nervös, redete sie sich ein. Die Brote waren wirklich gut. Sie nahm ein drittes. Irgendwie...könnte sie noch sehr viel länger schlafen. Sie unterdrückte ein Gähnen. Das Zimmer verschwamm leicht vor ihren Augen.
Pascal lächelte unverändert. Waren seine Augen noch immer rot? Wenigstens die Kontaktlinsen hätte er doch ausziehen können!
Die Tür öffnete sich erneut. Eine Frau trat ein. Brenda erkannte die knallrote Schwester aus dem Musical.
„Bist du so weit, Pascal?“ fragte sie. Er drehte sich zu ihr um. „Fast. Vielleicht noch eine Minute.“
Sie schlenderte in den Raum hinein und betrachtete Brenda mit einem Blick, wie man ein interessantes Tier beobachtete. Sie trug ebenfalls noch ihre Verkleidung. Sie grinste breit. „Ich sehe, du hattest deinen Spaß.“, stellte sie fest.
„Du weiß doch, Susanne“, begann Pascal lächelnd. „Ich mag diese Mädchen von heute. Denken, sie wüssten alles und haben dabei nicht die geringste Ahnung.“
Das Gespräch nahm eine unangenehme Wendung. Brenda ließ das halb gegessene Brot sinken.
„Iss, meine Liebe.“, ermunterte Pascal sie und Brenda gehorchte. Vielleicht übten die beiden nur für eine Rolle.
„Du bist ein Genie.“ sagte Susanne staunend. Brenda kaute weiter und ignorierte sie.
„Es wäre eine Schande, wenn sie nicht stark genug ist.“ fügte Susanne hinzu.
Pascal warf Brenda ein neues Lächeln zu. Sie erwiderte es langsam. Sie war so müde! Bestimmt würde es nicht auffallen, wenn sie sich noch ein bisschen ausruhte.
„Ich bin zuversichtlich, dass sie es schaffen wird.“, stellte Pascal fest.
Er glaubt an mich!, dachte Brenda glücklich. Und mit diesem Gedanken kippte sie langsam zur Seite weg und schlief ein, das Brot noch in der Hand.
Als sie diesmal die Augen aufschlug, war es dunkel, stickig und eng. Brenda bekam sofort Panik und zappelte wie wild, aber ihre Arme waren irgendwo über ihrem Kopf gefesselt. Sie hing nur an ihren Handgelenken. Ihr Hals brannte und etwas Warmes lief über ihre Brust. Es roch nach Blut. Brenda wurde übel.
„Ganz ruhig, langsam atmen.“ sagte eine Stimme in der Nähe. Brenda konnte nicht anders, als asthmatisch nach Luft zu schnappen.
„Die Schmerzen gehen bald vorbei. Es ist alles richtig so.“
Die Stimme war so ruhig, dass Brenda sich davon einlullen ließ, wenn auch sehr langsam. Sie erkannte Pascals Stimme.
„Was ist hier los?“ fragte sie. Ihre Stimme war brüchig und klang überhaupt nicht mehr nach ihr.
„Wir schenken dir ein neues Leben.“ sagte Pascal sanft. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Er stand ein paar Schritte vor ihr, ein dunkler Schemen in der Schwärze.
Sie erkannte auch, was da neben ihr hing: Lauter warme Körper, ebenfalls an den Armen aufgehängt, die meisten mit den Köpfen auf der Brust. Durch die Schmerzen versuchte Brenda zu verstehen. Aber stattdessen kam Susanne in ihr Gesichtsfeld, und der namenlose Freund von Pascal.Sie trugen noch immer die Kostüme. Brenda glaubte nicht mehr an Proben oder was auch immer sie sich eingeredet hatte.
„Was … seid ihr?“ fragte sie flüsternd. Pascal lachte und beugte sich zu ihr: „Jahrelang nur Dracula-Romane gelesen, und diesen Twilight-Scheiß. Da erkennt man echte Vampire nicht mehr, wenn sie vor einem stehen.“
Brenda schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein.
„Wir sind überall.“ sang Susanne weiter. „Wir werden immer mehr. Der Meister wird zufrieden sein.“
Brenda spürte, dass sie von neuem das Bewusstsein verlor. Sie kämpfte darum, wach zu bleiben.
Susanne wandte sich an Pascal. „Die Fette ist uns grade eben abgekratzt. Wir bringen sie raus.“ sagte sie, als redete sie über das Wetter. Brendas Augen fiele zu. Als sie sie noch einmal öffnete, wurde ein schlaffer Körper an ihr vorbei getragen.
Mit anklagendem Blick sahen Veronikas gebrochene Augen starr an die Decke.
Brenda fiel in eine gnädige Ohnmacht.
Doch sie wachte noch einmal auf. Diesmal war ihr nur unbeschreiblich kalt. Sie zitterte. Aber sie hatte keine Angst, und sie fühlte auch sonst nichts. Sie lag auf dem Boden. Langsam stand sie auf.
„Sehr gut, meine Liebe. Langsam jetzt.“ sagte eine Stimme. Brenda sah sich verwirrt um. Es war hell. Aber irgendwie gab es in dem Raum keine Farben, bis auf blasses Rot, das den Boden bedeckte und große Flecken bildete. Irgendwo wurde unglaublicher Krach veranstaltet.
Eine Hand schob sich in ihr Blickfeld. Es war der Schauspieler … oder Vampir … dessen Namen sie nicht kannte. „Du bist Pascals Freund...“ murmelte sie unsicher.
„Naja, nicht wirklich.“ antwortete der andere und zog sie auf die Beine, obwohl sie seine Hand nicht angenommen hatte. „Ich bin sein Halbbruder. Aber auf der Bühne war ich sein Freund, ja. Mein Name ist Jakob.“
Brenda versuchte, sie zu konzentrieren. „Also auch von...Susanne?“ fragte sie, obwohl es im Moment bestimmt wichtigere Fragen gab. Zum Beispiel: „Wer kreischt da draußen so?“
„Oh nein, Susanne ist meine Mutter. Und Schwägerin, seit sie mit Pascal zusammen ist.“, erklärte Jakob fröhlich. „Aber sie war eine furchtbare Mutter. Lag an meinem Vater. Ein Succubus braucht immer einen Incubus, sonst klappt's nicht, weißt du?“ Brenda schloss die Augen, als sich ihr Magen zusammenzog. Jakob stütze sie, bevor sie umfallen konnte.
„Komm, ich bringe dich zu den anderen.“ bot er an. „Da gibt es auch genug zu essen.“
Oh ja, Hunger hatte sie. Oder eher Durst. So stark, wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Brenda folgte Jakob ohne zu zögern in eine große Höhle. Schemenhaft sah sie andere Gestalten, die auf dem Boden hockten und sich die Ohren zuhielten und von anderen Gestalten umsorgt wurden.
„Was ist das für Lärm?“ fragte Brenda.
„Die Fledermäuse. Daran wirst du dich gewöhnen. Hier, trink.“ antwortete Jakob. Brenda trank, was er ihr anbot, ohne zweimal zu gucken. Irgendwie erinnerte sie der Saft an Veronika.
„Meine Freundin..!“ begann sie, als ich das schreckliche Bild wieder einfiel.
Jakob legte einen Arm um ihre Schulter. „Du wirst sie irgendwann vergessen. Nur sehr wenige Menschen überstehen die Verwandlung.“
Brenda konnte nichts mit seinen Worten anfangen, stattdessen sah sie sich genauer um. Am Eingang der Höhle strahlte ein furchtbar grelles Licht in die Höhle. Sie zitterte schon weniger.
„Was ist das?“ fragte sie und deutete auf das Licht. Vielleicht Scheinwerfer? Aber wieso?
„Der Vollmond.“ sagte Jakob. „Du hast ein ziemliches Pech, ausgerechnet jetzt aufzuwachen.“
„Der...Mond?“ langsam dämmerte ihr, was Jakob ihr bisher erzählt hatte. Ohrenbetäubend laute Fledermäuse. Heller Mondschein. Ein Getränk, dass sie an Veronika erinnerte.
Sie schleuderte die Flasche, aus der sie getrunken hatte, von sich.
„Was habt ihr mit mir gemacht?“ kreischte sie.
Ein paar Schatten in der Nähe hoben den Blick. Sie wollte auf Jakob zustürzen, doch eine unsichtbare Mauer hielt sie davon ab. Sie konnte ihn einfach nicht schlagen.
„Bemühe dich nicht zu sehr.“ sagte Jakob ruhig. „Der Meister schützt uns.“
Brenda brach zusammen. Ihr war nicht mehr kalt. Sie wollte weinen, doch es kamen keine Tränen. Inhaltslos blieb sie auf dem Steinboden liegen.
Jakob beugte sich zu ihr herunter. „Willkommen im neuen Leben.“ flüsterte er ihr zu.
Kapitel 1:
Der Regen verwandelte die sowieso schon schmale und gewundene Bergstraße in eine abenteuerliche Wasserbahn. Schlammbraune Flüsse begleiteten den Transporter mit den beiden Familien den Hang hinab und stürzten sich auf der linken Seite als schmierige Wasserfälle in die Tiefe, während von rechts bereits weitere Massen aus gleichen Teilen Erde und Flüssigkeit vom Gipfel flossen. Die einzige Möglichkeit, zwischen den Wasserfällen und Regengüssen zu unterscheiden, bestand darin, auf die Farbe der jeweiligen Flüsse zu achten. Der Regen war weniger braun und mehr grau.
Ida langweilte sich. Es machte keinen Spaß mehr, sich zwei Regentropfen an der Fensterscheibe zu suchen und ihren Wettlauf zum Boden zu betrachten. Es war auch nicht möglich, durch den Regen die Landschaft zu betrachten. Sämtliche Bücher waren schon ausgelesen, oder langweilig geworden, es gab keine Spiele mehr, und die Sudokus hatte Leon alle schon gelöst. Für eine Vierzehnjährige gab es nichts langweiligeres als die stundenlange Autofahrt in den Urlaub.
Die Krönung war jedoch, dass nicht nur Ida, Leon, Mama, Papa und Opa Quentin in den Urlaub fuhren, sondern dass Yvonne, und gleich ihre halbe Familie, den Ausflug begleiteten. Ida mochte Yvonne gern, aber ihre Eltern waren nicht so nett. Das bedeutete, ihre Mutter, die beiden Onkel, Elias B und das Baby. Ida mochte fremde Menschen nicht, die komisch waren, und besonders Elias B war sehr komisch. Er saß auf der Rückbank mit Ida, Leon und Yvonne und murmelte die ganze Zeit komisches Zeug vor sich hin. Keiner wusste so wirklich, wer Elias war oder warum er mit im Wagen saß. Es war vermutlich nur der Großzügigkeit von Yvonnes Onkel Raffy zu verdanken, dass sie den seltsamen Mann dabei hatten. Olga, Yvonnes Mutter, hatte dazu nicht viel gesagt, außer, dass man Elias B gefälligst von Frank Müller fernhalten sollte. Frank Müller war irgendwie Yvonnes anderer Onkel und irgendwie auch nicht. Yvonnes Mutter sagte, dass Frank kein Onkel mehr war, seit Yvonnes Vater die Familie verlassen hatte. Yvonne sagte zu ihm immer noch „mein Onkel“, aber in diesem seltsam verschwörerischem Tonfall, von dem sie nie von ihrem anderen Onkel Raffy sprach. Das Baby sagte nichts. Natürlich nicht, es war ja auch zu jung dafür. Ida fand die kleine Pauline entzückend, auch wenn sie sehr oft schrie. Ab und zu durfte sie sie sogar halten, wenn Olga grade etwas anderes zu tun hatte. Und einmal hatte Leon sie füttern dürfen, obwohl das sonst immer Yvonne machte. Aber da sie jetzt auch Elias B manchmal füttern musste, durfte Leon dann Pauline Essen geben. Ida hätte Pauline gerne gefüttert, aber Elias nicht. Sie hatte Angst vor ihm, auch wenn er nicht böse war. Es war nur unheimlich, dass ein Erwachsener sich füttern lassen musste. Bei Pauline war das aber noch niedlich.
Der Wagen schlitterte um eine Kurve. „Langsam, Volker!“ sagte Idas Mutter streng. Ihr Vater nickte nur abwesend und starrte weiter durch die tanzenden Scheibenwischer in den Regen. Er wirkte genervt. Vielleicht weil Olga und Raffy in der mittleren Sitzreihe die ganze Zeit „Kling Glöckchen“ sangen, wobei Raffy das Lied mit einer winzigen, aber extrem lauten Glocke begleitete. Es war Juni.
Leon trug Kopfhörer und Ida hörte ganz dumpf den Rhythmus seiner Musik. Elias klatschte unkoordiniert im Takt zu „Kling Glöckchen“. Pauline verzog das Gesichtchen, wenn sich die Glocke ihren Ohren näherte. Frank saß mit steinernem Gesicht zwischen Olga und Raffy eingequetscht. Volker und Katharina, die sich auf die vorderen Plätze gerettet hatten, versuchten, sich auf die Karten der Karpaten zu konzentrieren. Ida konnte sogar von ihrem Platz hier hinten aus erkennen, dass ihre Eltern keine Ahnung hatten, wohin sie fahren mussten.
Sie seufzte. Die Zumutung der Autofahrt wäre wohl nicht so bald vorbei.
Yvonne lehnte sich über Leon hinweg zu ihr herüber. „Ob wir wohl heute noch ankommen?“
Ida schüttelte nur resigniert den Kopf.
Leon schob neugierig seine Kopfhörer zurück. „Was?“
„Wir dachten uns grade, dass das wohl nichts mehr wird, heute noch unsere Zimmer zu beziehen.“ erklärte Yvonne.
Leon schüttelte den Kopf und beugte sich aufgeregt zu ihnen. „Und wisst ihr, wieso nicht? Das ist die Zauberkraft der Vampire, die noch immer in den Karpaten leben!“ Leons Augen leuchteten aufgeregt. „Sie verwirren unsere Sinne, damit wir nicht mehr entkommen. Und wenn die Nacht hereinbricht, dann tauchen plötzlich überall Lichter auf!“
Leon senkte die Stimme zu einem Flüstern. Obwohl sie wusste, dass es nur eine weitere Gruselgeschichte ihres Bruders war, rutschte Ida näher an Yvonne, die abenteuerlustig grinste.
„Wir werden den Lichtern folgen, weil es keinen anderen Weg gibt. Die Wölfe werden in den Wäldern heulen, und Nebelschwaden durch die Luft ziehen...“
Ida warf einen nervösen Blick aus dem Fenster. Da waren tatsächlich weite Wälder, vielleicht hundert Meter unter der Straße begann die Waldgrenze. Es sollte dort wirklich noch Bären und Wölfe geben. Ida schauerte.
„Und dann! Ein Schatten stößt vom Himmel herab. Du spürst nur einen kurzen Schmerz im Hals und dann fliegt die Fledermaus auch schon weg, so schnell, wie sie gekommen ist. Deine Eltern können nur noch deinen sterbenden Körper im Arm halten und wissen nicht, was passiert ist. Doch du kannst es ihnen nicht sagen! Und schon nähern sich weitere Fledermäuse...“
Ida klammerte sich an Yvonnes Arm, aber das ältere Mädchen lachte nur. „Du brauchst keine Angst zu haben, Ida. Ich bin ja auch noch da!“
„Du hast doch gar keine Chance gegen Dracula!“ rief Leon beleidigt. „Du hast die Bücher nicht gelesen!“
„Ich weiß trotzdem, dass ein Kreuz gegen sie hilft!“ protzte Yvonne und zog einen Anhänger hervor, den sie unter ihrem T-Shirt versteckt getragen hatte. Es war tatsächlich ein kleines Kreuz.
„Und Spiegel aber auch.“ sagte Leon, den Yvonne ganz einfach aus seiner Reserve gelockt hatte. „Und fließendes Wasser können sie nicht überqueren.“
„Nein, nein“ widersprach Yvonne sofort: „Das war Weihwasser. Es verbrennt sie!“
„Das auch, aber Wasser...!“
Ida verdrehte die Augen, als sie die beiden stritten, ob Vampire jetzt über einen Fluss konnten oder nicht. Obwohl das in ihrer verregneten Situation vielleicht interessant gewesen wäre.
„Onkel Raffy!“ rief Yvonne schließlich laut. „Normales Wasser tut Vampiren doch nichts, oder?“
„Stimmt nicht!“ sagte Leon. „Sie können nicht über fließendes Wasser!“
Raffy unterbrach „Kling Glöckchen“ und drehte sich zu ihnen.
„Aber Kinder!“ er lächelte beruhigend. „Vampire gibt es doch überhaupt nicht!“
Damit drehte er sich wieder nach vorne.
Leon und Yvonne stöhnten lautlos und widmeten sich wieder der langweiligen Autofahrt. Leon hörte Musik, Yvonne starrte in ihr Buch. Ida seufzte und beobachtete die Regentropfen.
Etwa eine Stunde später mussten sie anhalten, um zu tanken. Es war eine winzige, alte Tankstelle, die aussah, als hätte man einfach eine Notfallparkbucht ein wenig mehr ausgebaut und dort eine Zapfsäule platziert. Abgesehen von der grau überdachten Zapfsäule gab es noch eine winzige Holzhütte wie auf einem Horrorfilm. Zur sichtlichen Erleichterung von Katharina brannte dort Licht, als sie ausstieg, um nach dem Weg zu fragen. Volker stieg mit ihr aus und rieb sich stöhnend das Gesicht, bevor er die Zapfsäule auf ihre Funktion untersuchte.
Katharina umklammerte tapfer ihre Handtasche mit der einen und das Taschenwörterbuch mit der anderen Hand. Sie klapperte auf hohen Absätzen auf die kleine Hütte zu und verfluchte den unebenen Boden sowie ihr eigenes Ungeschick.
Schließlich stand sie vor der Hütte, holte tief Luft, hob die Hand und klopfte.
Es kam keine Antwort. Katharina klopfe ein weiteres Mal, diesmal lauter.
“Hello?”, rief sie auf Englisch. “Bună ziua?”
Endlich hörte sie, wie die Klinke nach unten gedrückt wurde. Die Tür öffnete sich einen Spalt nach Innen. Eine Kette verhinderte, dass mehr als eine handbreite Lücke entstand, in der die Hälfte eines fleischigen Gesichtes auftauchte.
“Yes? What do you want?”, fragte eine rauhe Stimme mit hartem Akzent. Das eine Auge, das Katharina sehen konnte, war stahlgrau und von Falten umgeben. Der Mundwinkel hing nach unten, und eine hässliche Narbe zog sich über den Nasenrücken.
Katharina wühlte die Karte aus ihrer Handtasche: “Can you tell me please where I can find the Hotel: >Residence of the Prince”
Sie hielt dem Auge im Spalt den Flyer des Hotels entgegen und grinste freundlich.
Das Auge verengte sich: “Down the road until the path turns darkest.”, sagte der Mann heiser.
“Äh. Was? What, please? Can you show me-?”
“No! Lasă-mă-n pace! Get lost, damn tourists!”, fauchte der Mann und schlug ihr die Tür vor der Nase zu. Verdattert starrte Katharina auf das Holz, dann rieb sie sich die Schläfen. Es war eine anstrengende Fahrt gewesen, und sie wurde grade nicht besser.
Volker sah auf, als Katharina zum Wagen zurückkehrte. Er wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn: “Und?”
Katharina seufzte und verpackte alles in ihrer Tasche: “Er hat mich angeschrien, das sich verduften soll. Zum Weg sagte er nur irgendwas von wegen >>Wo die Straße dunkler wird!<
Volker schwieg, nahm die Benzinpumpe aus dem Tank und hängte sie bedächtig in die Halterung, wischte sich die schmierigen Finger an der Hose ab, krempelte die Ärmel seines durchschwitzen Hemdes wieder nach unten und rückte den Kragen zurecht: “Ich werde mal sehen, ob ich etwas mehr erfahre. Setzt dich wieder ins Auto.” Für einen Moment legte er die Hände auf ihre Schultern: “Wir kommen schon noch an!”
Katharina lächelte tapfer und befolgte seine Anweisungen. Im Auto fiel ihr erst auf, wie wunderbar ruhig es auf der Tankstelle gewesen war. Elias B. klatschte noch immer und brabbelte dabei, Olga redete laut in ihr Handy – auf Polnisch. Die Kinder stritten sich um die letzten Gummibären und Pauline jammerte, als würde sie Luft für einen lauten Schreianfall holen.
Katharina lehnte sich zurück und massierte weiter ihre Schläfen. Nie wieder würde sie einen Zwei-Familien-Urlaub machen. Nie wieder!
Sie schloss die Augen und schrack auf, als Volker die Fahrertür aufriss und sich knurren auf seinen Sitz fallen ließ. Seine kräftigen Augenbrauen waren zusammen gezogen und er fuhr die Kinder an, die letzten zwei Gummibären zu dritteln und brüderlich zu teilen.
“Was ist?”, fragte Katharina, die ihren Mann selten auf der Haut fahren sah.
Volker stöhnte genervt: “Er wollte mir den Preis für das Benzin nicht sagen. Er wollte nicht einmal heruas kommen, um irgendwas anzunehmen! Ich habe ihm die Scheine unter die Tür geschoben!”
Volker schlug auf das Lenkrad und schnallte sich dann so ruckartig an, dass zuerst die Vollbremsensperrung verhinderte, dass er den Gurt ganz auszog. Volker fluchte.
“Wie, ihr habt Geld dagelassen?”, fragte Olga und tauchte dafür aus ihrem Handy auf. “Wenn er nichts will, kann er doch später nicht von uns verlangen-” Der Rest ihres Satzes ging im Aufbrüllen des Motors unter. Volker raste so schnell von der Tankstelle zurück auf die Straße, dass der Kleinbus in einem Schlagloch einen kleinen Satz machte.
Katharina entfaltete langsam die Karte und starrte dann auf den Regen. Laut der Karte waren sie auf einer Straße, die es nicht gab, irgendwo in einem großen, grauen Fleck, der mit >>Karparten<< beschriftet war. Sie beugte sich mit einer kleinen Taschenlampe darüber und wünschte sich, das Navi würde funktionieren.
“Versuch mal, dich links zu halten.”
Bisheriger Plan:
Zwei befreundete Familien machen Urlaub in den Karpaten
Das Hotel wird von Vampiren geleitet, die es auf die Gäste abgesehen haben
Erwachsene verschwinden nach und nach, nur die Kinder (Bruder & Schwester und Freundin aus der anderen Familie) kommen hinter das Geheimnis der Gastgeber.
Freundin will Eltern befreien, Geschwister lenken in der Zeit die Gastgeber ab.
Es ist eine Falle, aber befreundeter Vampir hilft Geschwistern (vll. Frau aus Prolog?)
Freundin gefangen.
Vampir-Freund wird scheinbar getötet
Kehrt aber zurück, weil er Sonnenlicht ertragen kann (weil er eine gute Seele hat)
Fam. Schneider: Katharina (Mutter), Volker (Vater), Quentin (Opa), Leon (Sohn), Ida (Tochter) -> "normale" Familie
Fam. Hartmann: Rafael/Raffy (Spaßonkel), Olga (Mutter), Frank Müller („Onkel“, Bruder v. Vater), Elias B. (Junge mit geistiger Behinderung, wurde ihnen auf's Auge gedrückt: „Nehmt ihr ihn bitte mit?“), Pauline (Baby), Yvonne (Tochter v. Olga) -> "Chaotenfamilie"
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