„Hey!‟, begrüßte Dorian den Neuankömmling und stieß sich von dem Baumstamm ab. Der Fremde blickte auf und Josh konnte endlich unter dessen schwarze Kapuze blicken.
„Abend‟, entgegnete der zwielichtige Kerl und sah prüfend auf Josh hinab. Er überragte die Cousins um eine Kopflänge, hob argwöhnisch eine Braue und deutet mit dem Kinn auf ihn. „Wer ist der Neue?‟
Dorian folgte seinem Blick, „Das ist mein Partner, er ist heute zum ersten Mal draußen.‟
Der Mann grinst schief und wandte sich zu Josh. „Dein Freund ist ziemlich schweigsam bei Fragen über euren Stoff. Willst du mir endlich verraten woher ihr ihn habt, oder was er überhaupt ist?‟ Er sah ihn erwartungsvoll aus dunklen Augen an.
Josh sah zweifelnd zu Dorian hinüber und schüttelte langsam den Kopf. „Das ist ein … Geheimnis?‟ antwortete er unsicher und sein Cousin ergänzte schnell: „Ist das denn wichtig? Es wirkt doch.‟
Der Kerl zuckte mit den Achseln und zog die Nase hoch. „Ich habe aus reiner Neugier gefragt, besonders weil niemand sonst euer Gemisch kennt oder nur eine Ahnung hat, was es sein könnte. Echo lässt mich alles vergessen, es ist, als ob ich in einer anderen Welt wäre, ich kenne nichts vergleichbares.‟
„Echo?‟, platze Josh heraus und bekam große Augen. Der Fremde blickte ihn stirnrunzelnd an.
„Euer Zeug? Echo?‟, antwortete er verständnislos und sah mit einem fassungslosen Grinsen zu Dorian. „Kennt dein Partner nicht einmal den Namen eurer Ware?‟ Dorian erwiderte kopfschüttelnd sein Grinsen und warf Josh einen warnenden Blick zu.
„Was soll ich sagen? Er weiß einfach nicht wann man den Mund hält. Sollen wir zum Geschäftlichen kommen?‟
Der Fremdling zuckte mit den Achseln und nickte bereitwillig. „Habt ihr zehn Flaschen für mich?‟ Dorian nickte und hob den Leinensack hoch, den er bis jetzt hinter seinen Beinen verborgen hatte. Ein seliges Lächeln erschien auf dem fremden Gesicht und er griff gierig nach dem Beutel. Er selbst holte eine kleine Geldrolle aus seiner hinteren Hosentasche und drückte sie in Dorians Hände, der ebenso ungestüm danach langte. Das Geld wurde schnell nachgezählt und verschwand in Dorians tiefen Jackentaschen.
Er streckte dem fremden die Hand entgegen und ein süffisantes Lächeln breitete sich auf Dorians Gesicht aus. „Es ist mir immer eine Freude.‟
Der fremde Kerl schlug in den Handschlag ein und drückte den Beutel eng gegen die sehnige Brust. „Wie auch immer‟, antwortete er und fuhr sich durch dünne Haar. „In Zwei Wochen treffen wir uns erneut?‟ Dorian nickte abwesend und tastete in seinen Taschen nach den Geldrolle. „Bis dann‟, verabschiedete sich der Fremde, doch Josh sah fassungslos von ihm zu seinen Cousin und rief ihn wieder zurück. Stirnrunzelnd trat der Fremde näher und zog misstrauisch die Brauen zusammen. Er sah Josh fragend an.
„Es tut uns schrecklich leid, aber es wird vermutlich kein erneutes Treffen geben‟, gab er kleinlaut zu und blickte vorwurfsvoll zu Dorian, der bei den Worten seines Cousins erschrocken zusammen zuckte. „Wir haben beschlossen nach diesem Monat eine Pause einzulegen.‟
Ein fassungsloser Ausdruck breitete sich auf den Zügen des Fremdlings aus und er öffnete mehrmals vergeblich den Mund, bis er seine Stimme wieder fand. „Eine Pause?‟ wiederholte er schockiert und blickte zu Dorian, der entschuldigend mit den Schultern zuckte. „Ihr könnt keine Pause machen‟, forderte er und trat einen weiteren Schritt näher.
Josh wich zurück und versuchte es mit einem kläglichen Lächeln, „Wie gesagt, es tut uns Leid, aber wir sehen uns dazu gezwungen. Die zehn Gläser, ich meine Flaschen die du hast, sollten für eine lange Zeit ausreichen.‟
„Was? Weshalb?‟, versuchte der Kerl zu begreifen und drückte den Beutel an seiner Brust noch enger an sich, „Ich brauche das Echo!‟
„Brauchen ist doch etwas übertrieben‟, stammelte Josh und wich einen weiteren Schritt zurück. Er stand nun mit dem Rücken eng an den Baumstamm gedrückt. Dorian hob bei dem wütenden Ausdruck seines Gegenübers beschwichtigend die Hände, aber der Fremde ignorierte ihn und machte einen weiteren, bedrohlichen Schritt auf Josh zu.
„Ich brauche die Falschen, sie reichen nur bis Monatsende, wenn überhaupt. Ihr habt mich bereits letzten Freitag versetzt und nun wollt ihr, dass ich auf mein Echo verzichte?‟, fragte er zischend und Josh schluckte bei seinem mordlüsternem Blick schwer.
„Es tut mir leid‟, flüsterte er vor Schreck erstarrt und sah hilfesuchend zu Dorian, „Wir befürchten, dass unser Gemisch süchtig machen könnte. Ich meine, sieh dich an. Du bist der lebende Beweis, die Pause ist auch zu deinem Besten.‟ Dorian blieb vor Schreck der Mund offen stehen und schloss fassungslos auf Grund so viel Dummheit die Augen.
Der Fremde keuchte auf und griff Josh mit einem Satz am Kragen. Er drückte ihn kräftig gegen den Holzstamm und seine Augen glitzerten zornig. „Süchtig?‟, fragte er bedrohlich langsam, „Ich bin nicht süchtig, ich brauche es und ihr tätet gut daran euch die bescheuerte Idee einer Pause aus dem Kopf zu schlagen, ansonsten kann ich das gerne übernehmen.‟
„Lass ihn sofort los‟; knurrte Dorian und stieß den Fremden kühn von Josh zurück, der zitternd an den Stamm gelehnt stehen blieb. „Du hast deinen Stoff und wir unser Geld. Die Sache mit der Pause ist noch nicht sicher, also beruhige dich, komm runter und verschwinde von hier.‟ Er starrte den Kerl, der einen Kopf größer war als er, trotzig an und zuckte mit keiner Wimper, während sie sich herausfordernd anstarrten.
Schließlich zuckte der Fremde mit den Schultern und wand sich mit einem finsteren Blick ab. Dorian sah ihm düster nach, bis er das Parktor quietschen hörte und die Gestalt erneut in der Dunkelheit verschwand. Abrupt drehte er sich zu Dorian um. Seine Nasenflügel bebten vor Wut und er hob drohend die Faust.
Zornig stöhnte er auf, schloss die Augen und ließ die Hand sinken. Er sah seinen Cousin verärgert an, aber kniff die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Wortlos wandte er sich ab und stiefelte kopfschüttelnd zur Straße zurück, wo er mehr oder weniger gerade parkte.
Josh zitterte weiterhin, aber stolperte seinem Cousin eilig nach. Der Schreck saß tief und selbst wenn er gewollt hätte, wäre er nicht fähig gewesen ein einziges Wort zu sprechen.
Erst im Auto kam seine Stimme mit der warmen Heizungsluft wieder. Es war Mittsommer, aber die heutige Nacht erschien ihm dennoch eisig. Verlegen räusperte er sich und sah zu Dorian hinüber, der verbissen auf die dunkle Straße starrte.
„Dorian …‟, begann er, aber sein Cousin schnitt ihm mit einem tiefen Knurren das Wort ab.
„Sag nichts, nicht jetzt. Wir sprechen morgen darüber, wenn mein Wunsch dich und die ganze Welt zu erwürgen ein wenig abgeklungen ist‟, fauchte er zornig und konzentrierte sich wieder auf die ausgestorbene Straße.
Die Cousins verabschiedeten sich wortlos und Dorian verschwand, nachdem er so leise und unauffällig wie möglich zu Hause geparkt hatte, im Haus. Josh sah ihm traurig nach und verfluchte sich selbst und auch ihn auf das Übelste. Sich selbst, weil er sich im Park unglaublich dämlich aufgeführt und den Fremden provoziert hatte. Dorian, weil dieser ihrem Kunden nichts von der versprochenen Pause erzählen wollte und später behauptet hatte, sie sei noch nicht sicher. Josh atmete schwer aus und schüttelte den Kopf, während er nach Hause schlenderte. In solchen Momenten wünschte er, er hätte seine Fähigkeiten besser unter Kontrolle. Wenn es ihm nur gelänge die Gefühle seiner Mitmenschen bewusst zu kontrollieren, hätte er den Fremdling beruhigen können, aber nein, natürlich war er dazu nicht in der Lage gewesen. Natürlich hatte er sich dermaßen ungeschickt drangestellt, dass er ohne Dorians Hilfe Prügel bezogen hätte.
Abermals verfluchte er sich selbst und schloss leise seine Haustür auf. Er sehnte sich nach seinem Bett, es war bereits spät, außerdem waren seine Finger klamm vor Kälte und wenn er sich nicht bald beruhigen würde, würde seine Mutter darunter leiden. Darauf seine eigenen Gefühle auf sie zu übertragen konnte er momentan mehr als verzichten.
Sobald er in seinem Zimmer war, pfefferte er seine Jacke wütend in die Ecke und warf sich auf das Bett. Müde rieb er sich die Augen und starrte an seine Zimmerdecke. Morgen musste er mit Dorian ein ernstes Wort wechseln, nicht nur über die versprochene Pause, auch über sein eigenes Verhalten und weitaus wichtigere Konsequenzen.