Silvia hatte sich total verausgabt. Sie hätte keine Minute mehr durchgehalten und kämpfte bereits mit der Ohnmacht, als sie die starken Arme unter ihren Achseln spürte. Wie von fern vernahm sie seine Stimme: "...in Sicherheit! Alles wird gut!" Der Mann ging zum Steuerstand, wo Tommy hinter dem Steuerrad saß. "Paß auf mein Sohn, du musst jetzt kurz das Steuer übernehmen, damit ich deiner Mami helfen kann. Machst du das für mich?" - "Ok!" - "Toll! Ich geb jetzt ein kleines Bisschen Gas und du fährst auf diesen Berg da zu! Schaffst du das?" - "Klar!" - "Super!"
Er verschwand in der Kajüte und kam gleich darauf mit einem Badetuch und einer Tube After Sun wieder an Deck. Silvia nahm alles wie im Nebel wahr. Er kam und half ihr, sich aufzusetzen. Vorsichtig tupfte er mit dem weichen Frotteetuch ihre Schultern und ihren Rücken ab. Silvia hätte so etwas nie zugelassen, wäre sie nicht so fertig gewesen. Noch ehe sie reagieren konnte trug der Mann die kühlende Lotion auf ihrem Rücken auf. Sanft, fast zärtlich, um ihr keine Schmerzen zu bereiten. Plötzlich zuckte Silvia zusammen und rückte ein ganzes Stück von ihm ab. Er reichte ihr das Badetuch und legte die Lotion neben ihr auf die Bank. "Trocknen sie sich ab und tragen sie die Creme auf. Sie waren viel zu lange in der Sonne und auch im Wasser!" Silvia die wieder normal atmen konnte, war noch nicht fähig, irgendwas zu sagen, allerdings drehte sie sich ein Wenig zur Seite und versuchte, mit einer Hand ihren Busen zu bedecken... "Hören sie, sie sind eine wirklich schöne Frau, aber ich bin nicht so krank, ihnen in ihrer Situation auf die Brüste zu starren!" Er schüttelte kaum merklich den Kopf, zog sein Shirt aus und warf es auf die Lotion. "Ziehen sie das an, wenn sie fertig sind. Wir werden noch eine Weile auf See bleiben müssen. Bei dem Seegang können wir nicht anlegen, dazu ist es jetzt zu spät, also müssen wir den Bug in den Wind stellen und besseres Wetter abwarten. Aber ihr Sohn macht das ohnehin wie ein alter Seebär."
Silvia wäre am Liebsten im Boden versunken, so peinlich war die Situation gewesen. Dieser Mann hatte sich wirklich kein Misstrauen verdient! Sie war eben Keine, die sich fremden Männern "oben ohne" präsentierte und dann die ausgestandene Angst und die Vorwürfe die sie sich machte, weil sie das Leben ihres Sohnes so leichtsinnig in Gefahr gebracht hatte... Der Mann war am Steuerstand wieder hinter Tommy getreten. "Gut machst du das, mein Sohn! wie heißt du denn?" - "Tommy! Und du?" - "Michael." - "Warum sagt Mama denn nichts? Geht es ihr nicht gut?" - "Sie ist nur ein Wenig außer Atem Tommy. Hast du das Shirt und das Käppi die ganze Zeit getragen? Das ist gut, aber deine Arme und Beine müssen wir noch eincremen, damit dich nicht abends die Haut brennt, ok?" Er warf einen Blick auf Silvia, die inzwischen das Shirt angezogen hatte und den beiden zusah. "Ich werde jetzt das Steuer wieder übernehmen, Käpt'n Tom. Geh bitte zu deiner Mutter und lass dich eincremen!" Tommy folgte Michaels Anordnungen aufs Wort. Er mochte diesen Fremden mit dem schönen Boot, der so tat, als würden sie sich schon lange kennen. Die Wellen wurden höher und heftiger. "Huii!" rief Michael lustig mit jeder Welle, als er merkte dass Tommy ängstlich zu ihm sah!" sofort war der Junge beruhigt. "Tust du mir einen Gefallen, Tommy? In der Kajüte sind Schwimmwesten. Kannst du für deine Mami und mich welche holen?" - "Klar!" Tatsächlich brachte Tommy seiner Mutter und dann auch Michael eine Weste. Michael zog seine an und überprüfte den Sitz von Tommys Schwimmhilfen. Zur Sicherheit blies er in beide noch einmal kräftig hinein, während Silvia noch immer auf der Liegefläche saß und das Szenario beobachtete. Wie lieb dieser Mann mit ihrem Sohn umging! Er hatte ihm jede Angst genommen und machte ein Abenteuer für den Jungen aus der bedenklichen Situation, in der sie sich befanden. Die Wellen wurden nun schon anderthalb Meter hoch und auch das ca neun Meter lange Boot tanzte nun schon beachtlich auf den Wellen. Silvia hatte nun auch die Schwimmweste angezogen und das Band zugeknotet. "So, ihr zwei Hübschen! Geht jetzt bitte in die Kajüte. Jetzt wird es nämlich feucht!" Silvia schnappte Tommy und verschwand mit ihm in der Kajüte, während Michael Mühe hatte die schlanke Motorjacht mit dem Bug in den Wind zu halten. Es blieb ihm jedoch nichts anderes übrig. Er nahm etwas Fahrt auf, um immer mit dem Bug gegen die Wellen zu fahren. So blieb die Lage des Schiffes relativ ruhig. Das war bei der Leistung dieser Maschine, kein Problem. Er hatte den Antrieb selbst entworfen und gebaut. Es war nicht möglich, bei diesem Seegang irgendwo anzulegen, ohne das Schiff dabei zu beschädigen und sich womöglich zu verletzen. Silvia saß mit ihrem Sohn in der Kajüte und versuchte sich Worte zurecht zu legen, um Michael zu erklären... was eigentlich... Gott war sie froh, dass er plötzlich alles in die Hand genommen und die beiden gerettet hatte! "Der ist lieb, der Mann, Mami!" sagte Tommy. "Den mag ich!"