Klarich schloss die Tür und musterte die beiden Anwesenden. Seine Augen bestätigten ihm, was sein Herz sich nach den tragischen Nachrichten nichts Sehnsüchtiger wünschte. Sein Blick heftete sich auf den Kaminsims, wo nach wie vor das Zierschwert seines Vaters hing. Eine Nachahmung des berüchtigten Schwertes des damaligen Großkönigs, dem ›Falken‹, wie er gemeinhin genannt wurde. ›Einer‹ der Reiche.
Veyed und Kayden legten ihre Mäntel ab und warfen sie unbekümmert über die nahestehenden Stühle. Niemand sprach ein Wort, war einem jeden Anwesenden doch derselbe Schmerz in den Augen zu lesen.
Der Bauer schluckte und versuchte sich mit der linken Hand die Schlaftrunkenheit aus dem Gesicht zu wischen. Das Bild jedoch änderte sich nicht. Vor ihm standen seine Jungs.
Tränen sammelten sich in seinen Liedern und drohten ihn zu übermannen. Ohne das es einer Aufforderung bedurfte, eilten Veyed und Kayden in seine kräftige Umarmung.
»Jungs. Oh meine Jungs.«
Tränenerdrückt bestätigten beide zugleich ihre Zugehörigkeit. »Pa'.«
Eine gefühlte Ewigkeit standen sie da und hielten einander fest. Sie teilten Schmerz und Trauer gleichermaßen.
Nachdem Klarich sich genug an ihrer unerwarteten Anwesenheit labte, saßen sie bis Einbruch der Nacht zusammen und tauschten sich aus. Ihr Vater hörte, was Serfem ihm bereits während seiner Besuche zu berichten wusste und solches, was er zum ersten Mal vernahm. So von der einsinnigen Liebschaft zu Aellin, der Tochter Kylions und der Freundschaft zu Less und dem ihm bekannten Falken Agbar. Less blieb derweil bei Kremir dem Falkner, da er ihm vertraute und den Wald nicht sonderlich mochte. Der silbrig weiße Falke hingegen war und würde zeitlebens ein Freigeist bleiben. Er flog wohin es ihm beliebte, blieb jedoch seltsamerweise stets in der Nähe, wenn auch außerhalb der Sichtweite.
Klarich erzählte ungehaltener Dinge von den ›Obristen‹, denen er mittlerweile Rechenschaft schuldig war und dadurch immerzu ein Auge auf Bestlins Schergen haben musste. Dieser hatte nunmehr weitere Gründe sich seiner zu entledigen.
Jenen verhängnisvollen Tag, als ihre Mutter einigen Kopfjägern zum Opfer fiel, versuchten sie weitestgehend nicht zur Sprache zu bringen. Keiner der Drei war bisweilen so weit, darüber zu sprechen. Viel lieber wollten sie die ungezwungene Atmosphäre nutzen sich auszutauschen und ihr neu gewonnenes Band zu kräftigen.
»Dennoch. Jungs ...« Mit seinen Händen griff er zu denen seiner Söhne. »Versprecht mir, dass ihr aufeinander aufpassen werdet. Egal wohin ihr geht, egal was ihr tut. Schwere Zeiten stehen uns bevor und wenn die Vögel vorzeitig von den Falschen gesichtet werden, wird dies schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.«
»Ich kann es dir nicht versprechen«, erwiderte Veyed und fing sich gleichermaßen von seinem Vater als auch von Kayden fragende blicke ein. »Ich schwöre es.« Ein verschlagenes Grinsen legte sich über seine Lippen und ein unbekanntes Grübchen zeichnete sich in seinem linken Mundwinkel ab.
Der jüngere der beiden Söhne atmete tief ein und schüttelte den Kopf. »Nein. Nein Pa'« Er stand auf und entnahm von jener Stelle, wo trainierte Schattenjäger ihre kürzere Klinge führten, einen für seine Bedürfnisse angefertigten Dolch. Der ›Falke‹ hatte lange geübt und noch öfter versagt. Es war ihm ein einmaliges Erlebnis zwei Scimitar zugleich zu führen und bekam es seither nicht mehr hin.
Mit dem Dolch trat er vor den Türsims und begann mit der Schneide seiner gewählten Zweitwaffe im Holz zu schnitzen. Anstatt einer kleinen Stoßwaffe ließ er eine weitere Schneide hinzuschmieden und schleifen, sodass diese kurze Waffe weder einem herkömmlichen Dolch noch einem Messer glich.
Vater und Bruder schauten ihm zu und kamen heran, als Kayden zur Seite trat und auf sein Werk verwies. Er hatte wahrhaftig eine kleine Stilisierung eines Falken in den Balken geritzt. Abermals begann er wie ein erwachsener Poet zu reden und Veyed erklärte seinem Ziehvater, dass er ab und an so geschwollen redete.
»Überall dort, wo unseresgleichen solch' Zeichen findet, soll er sich in Sicherheit wiegen. Jeder, der versteckt des ›Falken‹ Mannen beherbergt, soll seinesgleichen Zuflucht und ein Dach für die Nacht bereitstellen. Wehe jenem, der das Wappen fälschlich birgt. Überbringe diese Botschaft. In jede Siedlung, zu jeder Mühle und in jedes Heim. Es hat begonnen. Jetzt. Hier und heute.«
***
Gemeinsam saßen Rondal und Alric, mit dem Rücken an der kleinen Wohnstube und wechselten untereinander eine weitere mit Wein gefüllte Flasche.
Alric hielt diese, als er dran war einen Schluck zu nehmen, schräg vor sich und vollzog einen Schmollmund.
»Mhm.«
Er drehte sein Handgelenk und schüttelte verdrießlich. Er hob den Flaschenhals an sein Auge und stierte hinein. Sein Kopf wippte leicht vor und zurück.
»Oha. Leer wa?«
»Scho wieder?«
»Mhm.«
»Loz, ssu deen aderen. Du ssöufssst ssu viel«, lallte sein Weggefährte und griff eiligst zu seiner Rechten. Anstatt des Eimers packten seine Finger ungelenk nach etwas Hohlem und sogleich erklangen unappetitliche Geräusche.
»phhf. Ihhch trink nih mehr mit dihar.« Rondal hob seine Linke, zeigte mit dem Zeigefinger auf seinen Nachbarn und schielte mit glasigem Blick. Ein gurgelnder Rülpser entwich seinem Halse und er hievte seinen Kopf abermals über den vorherigen Gegenstand. Die Augen traten ihm hervor und nebst dem Gluckern klang es röchelnd und blökend zu gleich. Schnodder lief seinem Freund aus der Nase, welchen er kurzerhand ausschnäuzte. Schluckauf begleitete sein Aufrichten.
Seine Stimme tönte gequält. »Scheitze verdammt. Nicht mal rischtich besoffen sein kann man.«
»Hey, dasch Zeusch war nih bilch.«
»Ahh ...« Rondal wedelte ab und kniff die Augen zusammen. Sein Kopf nickte unkoordiniert umher, bevor er zur Seite wegsackte. »Schlfen.«