Christina musste sich damit abfinden, dass sie zwar ihrer Aufgabe als Mantodea trotz großer persönlicher Probleme nachgekommen war, dass es aber ein Fehler gewesen war, nicht auf ihr Herz zu hören. Für eine liebende Sonja Tremer war eine Welt zusammengebrochen, was eine erfolgsgekrönte Mantodea niemals ändern können würde. Sie hoffte darauf, diesen Schmerz irgendwann verdrängen zu können und versuchte ein ganz normales Leben in Salzburg zu führen...
An einem Donnerstag Abend gegen 17:00 Uhr herrschte in der Filiale einer großen Supermarktkette in Salzburg reges Treiben. Viele Menschen kommen gerade aus der Arbeit und kaufen noch schnell eine Kleinigkeit ein. Das schöne am Stadtleben ist unter Anderem, dass man praktisch jeden Tag frische Ware erstehen kann. Heute kam es in dieser Stoßzeit zu einem Zwischenfall mit einer offensichtlich kollabierenden Person.
Die junge Frau, die einfach vor der Kasse zusammengebrochen war, wurde von einem zufällig anwesenden Arzt sofort erstversorgt. Ein Krankenwagen wurde gerufen und ein Notarzt kam hinzu. Es bestand der dringende Verdacht auf einen Schlaganfall, was durchaus auch bei jungen sportlichen Menschen vorkommen kann.
Noch im Krankenwagen musste die Patientin reanimiert werden, was nach endlosen Minuten auch glückte, danach folgten alle gängigen in ihrem Zustand möglichen Untersuchungen und eine Computertomographie, welche schließlich die vermutete Erstdiagnose bestätigte. Große Bereiche ihres Gehirns waren von einer Blutung betroffen, die wohl durch ein Aneurysma entstanden war. Ob dieses noch weiter einblutete, konnte im Moment nicht festgestellt werden. Sie wurde weiter künstlich beatmet, man würde in 24 Stunden die Beatmung einstellen. Es war kaum zu erwarten, dass diese hübsche junge Person je wieder selbstständig atmen können würde.
"Wie bedauerlich!" meinte einer der Der Ärzte zu seinem Kollegen, "So ein hübsches junges Ding. Sie sollte das ganze Leben noch vor sich haben. Sie könnte meine Tochter sein."
"Na Gott sei Dank ist sie es nicht, Frank! Wir werden sehen, was passiert, wenn sie nicht mehr beatmet wird..."
"Hoffentlich kann sie sterben. Mit diesen Hirnschäden könnte sie bestenfalls noch dahinvegetieren."
"Ehrlich gesagt, ich wünsche ihr auch, dass sie aufhört zu atmen. Organisch ist sie nämlich völlig gesund. Sie könnte noch zwanzig Jahre oder länger leben, wenn nicht irgendwann ihre Organe versagen. Und wir sind verpflichtet, dieses arme Geschöpf mit allen Mitteln am Leben zu halten. Weißt du, das haben die Tiere uns Menschen voraus. Die darf man wenigstens erlösen, wenn es keinen Sinn mehr hat..."
Panisch hatte Christina die Worte der Ärzte vernommen. Da lag sie nun in diesem Spezialbett auf der Intensivstation und war nicht fähig auch nur einen Muskel zu rühren. Noch nicht einmal die Augen konnte sie bewusst öffnen oder schließen. So, als sei das Kommandokabel in ihrem Körper ausgesteckt worden. Das Bedienpanel defekt. Die Fliege aber, die gerade über ihre Wange krabbelte, oder den Schleim, der sich in ihrer Luftröhre mittlerweile angesammelt hatte, konnte sie sehr wohl spüren. Sie wollte es unbedingt den beiden Ärzten mitteilen, die keine Ahnung davon hatten, dass Mantodeas Geist noch völlig unbeschädigt in ihrem Körper weilte und sie jedes Wort vernommen und auch verstanden hatte. Es blieb nur zu hoffen, dass die Lebensgeister sie morgen verlasssen würden, wenn die Beatmung beendet wurde.
Gefangen in dieser schönen, aber leblosen, weil nunmehr nicht mehr steuerbaren Hülle, erlangte die Floskel "lebenslänglich" eine völlig neue Dimension...