So hatte sich Maike ihren ersten Schultag nicht vorgestellt. Die neue Schule sollte ein Neuanfang sein, ein Abschied aus dem Albtraum. Endlich wollte sie Freunde finden, endlich wollte sie nicht mehr schüchtern sein, endlich von vorne beginnen.
Doch dann kam alles anders.
Sie musste nur einen Fuß in den Klassenraum setzen, um sie zu sehen. Es waren die Leute, vor denen sie schon an ihrer alten Schule geflohen war. Ihre Peiniger, ihre gnadenlosen Jäger. Sie waren wieder da, und sofort ergriffen sie die altbekannten Gefühle der Angst.
Schwer atmend wich sie zurück, während ihr Körper sich langsam an den Schmerz erinnerte. Den Schmerz der Vergangenheit, den sie vergessen wollte. Eiskalt kehrte er zurück, und ehe sie sich versah, hatte Maike den Klassenraum verlassen.
Bis aufs Dach trugen ihre Beine sie, wo sie schließlich zitternd zusammenbrach. Tränen rannen über ihr Gesicht, so zahlreich wie Regentropfen. Ihr Schluchzen, dass einzige Geräusch in der endlosen Stille, wurde schließlich von der Schulglocke übertönt.
Schon bald würde der Lehrer den Klassenraum betreten, und dann würden ihre Peiniger von ihr erfahren. Alleine der Gedanke daran ließ sie erschaudern, hatten sie doch schon in der Vergangenheit keine Gnade gezeigt.
Tagelang war sie nicht in der Schule gewesen, was ihren Abschluss alleine schon zu einem Wunder machte. Doch diesmal konnte sie sich das nicht leisten. Ihre Eltern saßen ihr schon jetzt im Nacken, setzten sie täglich unter Druck. Irgendwann sollte sie einmal das Familienunternehmen erben, diesen Saftladen, der korrupter war als die Mafia. Nur zu gerne würde Maike das alles hinter sich lassen, einfach weg, raus aus diesem Leben. Doch das konnte sie nicht. Die Ketten des Schicksals banden sie mit jedem Tag fester an diese Hölle, ohne Hoffnung auf Rettung.
Langsam erhob sie sich wieder, schlurfte in Richtung Tür, nicht wirklich bereit sich erneut in diese Hölle zu stürzen. Doch als sie den Türknauf berührte, veränderte sich ihr Leben mit einem Schlag.