Einen halben Mond hatte es Thorstein nach dem Julfest ausgehalten, bis er Straumfjorður Richtung Gunnars Hof verlassen hatte, aufgerieben von dummen Sprüchen und halbgaren Vermutungen, sein Verhältnis zu Ragnar betreffend und die Geschehnisse rund um Rúnas Schändung und deren Folgen. Der Jarl selber hatte etwas länger gebraucht, um aus Jorunns Kräuterhütte wegzukommen. Auch wenn der Steuermann sein Schwert frisch geputzt und geschliffen hatte, war doch irgendetwas in die von ihm geschlagene Wunde gelangt. Der tiefere Hieb quer über seinen Oberkörper ließ sich lange bitten, bis er sich endlich schloss.
Vielleicht hatten auch die Götter selbst oder einfach nur die Völva … Ragnar wusste es nicht und letztlich war es ihm ganz recht gewesen, den unbequemen Fragen und Spekulationen noch ein Weilchen aus dem Weg zu gehen, selbst wenn das bedeutete, dass er Jorunns Belehrungen länger ertragen musste.
Nun aber war es soweit. Der Jarl öffnete entschlossen die Tür des kleinen Grubenhauses und trat ins Freie. Nach der langen Zeit im Halbdunkel des kräuterduftenden Wohnraums blinzelte er schmerzhaft gegen die helle Sonne, die einen kalten, schneeglänzenden Tag beleuchtete. Der Winter war mit Macht hereingebrochen und die kalte Pracht des Schnees bedeckte die Spuren des vergangenen Brandes ebenso zuverlässig wie die reetgedeckten Dächer, die Wege, den Dorfplatz, die knorrigen Bäume der Küste. Eis würde sich im Hafen auftürmen. Das wusste Ragnar, auch ohne dort nachzusehen. Sie waren endgültig von den anderen Siedlungen abgeschlossen und auf sich gestellt.
Zweifelnd fragte er sich, ob Lathgertha bei dieser Kälte überhaupt in den Ort zurückkommen würde oder sicherheitshalber doch lieber auf Gunnars Hof den Frühlingsbeginn abwartete. Schon der Gedanke an ein einsames kaltes Lager ließ den Anführer der Krieger frösteln.
Andererseits hatte er lange genug darauf gewartet, dass sie ihm weitere Kinder, weitere Söhne, schenkte. Er hatte genug Sklavinnen, dass er sich eine davon für sein Lager wählen konnte. Und eine Frau in derartig niedrigem Stand wäre für Gertha keine ernstzunehmende Rivalin. Ragnar grinste. Man würde sehen …
Zunächst einmal war es seine Pflicht, für Ordnung im Ort zu sorgen. Dem Tratsch um Thorstein und ihn musste er energisch entgegen sprechen, bevor er weiteres Ansehen verlor. Gedankenverloren stapfte der Jarl durch den frischen Schnee und genoss die Wintersonne auf seinem Nacken. Hier und da waren die Bewohner Straumfjorðurs auf den Beinen und grüßten ihn freundlich. Aodh kam dick bekleidet auf ihn zu und Ragnar winkte dem Schmied zu.
"Mein Jarl!" Der Schmied neigte höflich den Kopf. "Schön, dich wieder auf den Beinen zu sehen."
Ragnar nickte. "Ja, das hat bei Thor lange genug gedauert. Doch nun bin ich wieder hier und wie ich so höre, scheint es auch an der Zeit zu sein, dass ich mich wieder um die Geschäfte der Siedlung kümmere."
Aodh stimmte seinem Jarl bekümmert zu. "So ist es wohl! Die kommende Leidang bringt die Gemüter viel zu sehr in Wallung. Manch einer der Krieger würde lieber heute als morgen in den Krieg ziehen. Und so benehmen sie sich auch. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir keine Schlägerei um Belanglosigkeiten zu sehen bekommen." Der Schmied verzog amüsiert das Gesicht. "Darin sind sie wie kleine Jungs, die sich um ein Stück Honigwabe streiten."
Ragnar grinste belustigt zurück. "Sie werden sich noch bald genug um mehr als Süßes schlagen dürfen", ließ er Aodh verschwörerisch wissen. "Haithabu ist reich und Horik weiß genau, wonach er im Süden sucht. Es kann nicht schaden, wenn die Männer ein wenig aufgeheizt für den Krieg sind …"
Der Schmied wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. "Das mag sein, Ragnar", stimmte er dann langsam zu. "Doch ich mache mir Sorgen, dass Thorsteins Zurückhaltung an Jul seiner Autorität bei den Männern erheblich geschadet hat. Wenn die, die zurückbleiben, ihm im Frühjahr nicht bedingungslos folgen, wird Arngrim vielleicht ein viel zu leichtes Spiel haben …"
Der Jarl verzog das Gesicht. "Ich weiß, dass sie reden … Sie tratschen, mutmaßen und richten. Dabei haben sie keine Ahnung …"
Ragnar straffte sich merklich. "Ich werde mich auch hierum kümmern, Aodh", versicherte er dem Schmied. "Bis zum Frühjahr werdet ihr eine Einheit bilden, gegen die kein noch so machtgieriger Nachbar auch nur die geringste Chance haben wird. Doch um all das zu planen, bitte ich dich heute Abend zu einem Umtrunk in mein Haus. Bring Gylfe mit. Ich werde Rollo einladen!"
Die Männer gingen ihrer Wege, um später am Abend erneut zusammenzutreffen. Ragnar schlug nun den Weg zu seinem Haus ein, wo er eintrat, ohne zu klopfen. Dies war sein Reich. Hier war er der unumschränkte Herrscher. Und da Lathgertha nicht da war, würde er das nun auch auskosten. Schon beim Eintreten hagelte es Befehle an alle, die sich im großen Hauptraum aufhielten. Warmes Wasser wünschte der Jarl für eine angemessene Wäsche, frische Kleidung, einen Bartschnitt. Der erstbeste Knecht wurde ausgeschickt, um Rollo am Abend zu einem Gespräch zu bitten. Und während Mägde, Knechte und Sklaven unter dem Schwall an Befehlen wie aufgescheuchte Hühner davonsprangen, nahm Ragnar seinen nächsten Wunsch bereits in Angriff. Mit aufmerksamen Blicken musterte er jede seiner jungen Sklavinnen um herauszufinden, welche von ihnen das Privileg erhalten würde, sein Lager zu teilen. Er brauchte Söhne, bei Thors Hammer, und die würde er zeugen! Wer die Mutter war, spielte dabei keine allzu große Rolle mehr.
Ragnar verlor aus den Augen, wie sehr er Lathgertha verletzt hatte, indem er Rúna nachgestiegen war. An diesem ersten Tag nach Abtragen seiner Schuld sah er nur jenen großen Makel, Björn als einzigen Sohn zu haben. Wenn dem kränklichen Jungen etwas zustieße … all sein Bemühen um mehr Ansehen und um einen besseren Stand wären für seine Familie dahin. Er verlor aus den Augen, dass der Rang des Jarls nicht zwingend vererbt wurde, dass Horik oder ein anderer König da auch noch ein Wörtchen mitzureden hatten, verlor aus den Augen, welche Bedeutung Gertha einstmals für ihn gehabt hatte und wie schmerzhaft ihr Weggang für ihn gewesen war. Wieder einmal erlag der Jarl seinem Streben nach Macht, seinem Wunsch nach Erfolg.
Und auch seine Wahl unter den ihm hörigen Frauen war von jener Sucht geprägt, sich Ansehen Geltung zu verschaffen. Es ging nicht darum, eine sanfte, liebevolle Nebenfrau zu finden. Ragnar wollte ein gut aussehendes Weib für sein Lager, eine mit vollen Brüsten und einem breiten Becken, die sein Kind unproblematisch austragen konnte. Læva(1) gefiel ihm, die den Namen eines hübschen Vogels trug. Aber auch Sædís(2) war nicht zu verachten. Letztere hatte lange, braune Haare - fast ein wenig wie Rúna, dachte der Jarl. Beide waren seit ihrer Kindheit im Besitz der Familie und Ragnar war sich sicher, dass weder die Eine noch die Andere sich seinen Wünschen verweigern würde.
Dann, als Læva ihm den Bart getrimmt hatte, machte er sich daran, seine Wünsche Wahrheit werden zu lassen und zog die überraschte Blonde entschlossen auf seinen Schoß. Ein Kichern und ein wenig spielerisches Streicheln später waren ihre Röcke bereits über ihre Knie geschoben und der Jarl versenkte sich in sie.
Læva war erfahren - so viel erkannte Ragnar schon bei ihrem ersten Beischlaf. Sie wusste, wie sie ihn berühren und reizen konnte, um ihm schnell und erfolgreich Erleichterung zu verschaffen. Große Bedeutung hatte es dabei nicht, dass er, der Jarl, es war, von dem sie sich besteigen lassen musste. Ragnar fühlte sich unwohl.
Ganz anders war es allerdings später mit Sædís, die ihn auch beim zweiten Hinsehen stark an Rúna erinnerte. Sie war wesentlich schüchterner, schämte sich wohl auch ein wenig, als er ihr das fadenscheinige Kleid von den kleinen festen Brüsten schob. Nein, auch sie konnte nicht mit der natürlichen Schönheit Rúnas oder gar Lathgerthas mithalten. Dennoch! Obwohl auch sie sich ihm letztlich ergab und es wie eine gute Sklavin duldete, als er ihr beilag, gefiel sie ihm besser als Læva.
Sie war unerfahrener, jünger und ihr schmerzhaftes Keuchen, als er zum ersten Mal in sie stieß, erinnerte ihn erneut an Jene, die er nicht haben durfte. Dass sie ihren Mund fest an seine Schulter presste, um nicht zu schreien, als er sie härter nahm als nötig, brachte in ihm einen ungeahnten Rauschzustand hervor. Ragnar ließ sich gehen und als er sich keuchend in Sædís ergoss, fühlte er sich befreit und lebendig, wie schon lange nicht mehr.
Anders als Rúna bekam diese Sklavin keine Gelegenheit, ihm davonzulaufen. Im Gegenteil behielt er das zitternde Mädchen auch weiterhin auf seinem Schoß, als er längst erschlafft war. Nun blieb Zeit für ein paar Zärtlichkeiten, die er ihr auch gern zukommen ließ. Dabei genoss er, wie ihr langes braunes Haar durch seine Finger glitt, wie ihre weichen Lippen sich seinen ergaben, wenn er sie küsste. Nein, sie duftete bei weitem nicht so gut wie Gertha! Dennoch lockte ihr Körper ihn und rief seine in letzter Zeit vernachlässigten Begierden wach.
Ragnar hieß die Knechte, Holz nachlegen und entblößte dann Sædís vollständig. Schön war sie! Ein wenig mager vielleicht, doch schließlich war Winter und keiner von ihnen hatte viel mehr auf den Rippen als nötig. Erneut dauerte es nicht lange, bis er seine Finger in den braunen Löckchen zwischen ihren Beinen versenkte. Spielerisch lockte und rieb er sie, bis sie schamrot und doch lustvoll weich in seinen Armen lag und sich bald darauf seinen drängenden Stößen ergab.
Weit weg von der Wirklichkeit genoss Ragnar, wie sich der Schoß seiner Sklavin um ihn schloss. Die warme Feuchte und ihr Duft trieben ihn in ungeahnte Höhen, die seine Stimme rau keuchen ließen. Nicht einmal das Klopfen an der Tür hielt ihn ab, weiter in Sædís zu stoßen. Erst als sich das schwere Eichenholz mit einem Schlag hinter dem Eingetretenen schloss, erwachte er aus seiner Trance. Rollo stand im Raum. Das überraschte Gesichts eines Bruders war Gold wert, befand der Jarl, ebenso wie die blutrot angelaufenen Wangen von Sædís, die er mit einem Ruck von seinem Schoß schob, ohne auf das schmatzende Geräusch zu achten, dass ihre Trennung begleitete. Hektisch wickelte sich die Sklavin ihr Kleidchen um den für Rollo gut sichtbaren Leib, dann wandte sie sich ab. Ragnar kam nicht daran vorbei, ihr noch einen spielerischen Klaps auf den Hintern zu geben.
"Wir beenden das später!", ließ er sie wissen. Dann rannte die Kleine entsetzt davon und der Jarl lachte leise. Was für ein Schauspiel! Andererseits, und so schlau war Ragnar, hatte er Sædís damit auch aufgezeigt, wo ihr künftiger Platz war, unter ihm, nicht neben ihm.
****
Læva - Goldregenpfeifer
Sædís - Göttin des Meeres