Mein Herz holt zu einem heftigen Schlag aus, der den Schmerz in dumpfen Wellen durch meine Brust jagt.
Die fremden Lippen legen sich ganz sanft auf meine eigenen. Von ihnen geht eine wohlige Wärme aus, die sich schnell weiter in mir ausbreitet, meinen Hals hinunterwandert, meine Brust erfüllt und schließlich sogar meine Finger- und Zehenspitzen erreicht.
Die Lippen verharren einen Moment regungslos, und mir ist plötzlich, als würden sie auf eine Einladung warten. Ich öffne mit der wenigen Kraft, die ich noch aufbringen kann, meinen Mund, und schon werden sie wieder fordernder, liebkosen mich zärtlich, aber kraftvoll. Es fühlt sich beinahe so an, als würden sie mich aussaugen.
Während ich erschöpft in der Wärme bade, die nun von meinem ganzen Körper Besitz ergriffen hat, bemerke ich am Rande meines Bewusstseins, wie etwas klumpig Schweres meinen Hals hinaufzuwandern scheint.
Dann fühle ich mich seltsam leer, als befände sich in mir ein Vakuum. Alles scheint sich unangenehm zusammenzuziehen.
Plötzlich scheint sich alles um mich zu bewegen, ich fühle, wie das Wasser um mich strömt und ich mitgerissen werde. Alles geht schnell und ich kann nicht denken, nur fühlen - ein Plätschern dringt zu meinen mit Wasser gefüllten Ohren und ich fühle eiskalte Luft auf meiner Haut, falle schließlich viel zu sanft auf viel zu harten Untergrund.
Und mit einem Mal dringt alle Luft wieder in meine Lungen. Scharf brennt sie durch meine Kehle, und mein Körper windet sich gierig danach. Reflexartig schnappe ich laut auf, immer und immer wieder. Ich bin so müde, kann mich den Reflexen meines Körpers kaum erwehren. Nach den Torturen in der dunklen Tiefe bin ich erschöpft, ächze und stöhne.
Beruhigend streichen kalte, sanfte Hände über mein Gesicht. Ich fühle zarte Lippen an meinen Schläfen. Mein Atem wird langsam stabil.
Stück für Stück kehren meine Gedanken wieder in mich zurück und so langsam beginne ich, mich seltsam gut zu fühlen.
Nicht einmal husten muss ich, obwohl meine Lungen doch voller Wasser sein sollten. Erst, nachdem ich mich darüber gewundert habe, fallen mir die Hände wieder ein, die noch vor wenigen Sekunden meine Wangen liebkost hatten.
Adrenalin strömt wie wild durch meinen Körper, als ich hektisch die Augen öffne und mich sogleich aufrichte, in der Hoffnung, endlich die Kreatur zu sehen. Ich habe keine Angst, sehne mich sogar noch immer nach den mysteriösen Berührungen.
Erstaunt sehe ich mich um. Ich bin von vielen, etwa faustgroßen, goldenen Lichtern umgeben, die schwebend und flackernd meine Umgebung erleuchten - es scheint ganz so, als wurde ich in eine Art unterirdische Höhle gebracht.
Die Lichter sehen aus wie der Sternenstaub, der nun auch auf meiner Haut wieder zu schimmern beginnt. Doch von der Kreatur ist keine Spur zu sehen.
Ich kann nicht erkennen, wie groß und weit die Höhle ist, doch da ist Wasser, und die Reflektionen der Lichter tanzen verspielt auf dessen Oberfläche.
Ich stehe auf und trete näher ans Ufer. Mein Körper fühlt sich gut an, jedoch bin ich mir ganz sicher, dass vorhin im Wasser etwas Entscheidendes mit mir passiert ist. Noch immer fehlt etwas in mir.
Eines der Lichter schwebt direkt vor mir, und ich komme nicht umhin, mich ihm neugierig noch etwas zu nähern. Jetzt erst merke ich, dass diese Lichter nicht flackern... sie pulsieren.
Doch sie sind wunderschön... gerade dieses zieht mich ganz besonders in seinen Bann. Ich strecke meine Hand danach aus. Kaum berühren es meine Fingerspitzen, spüre ich einen tiefen, klaffenden Schmerz in meiner Brust.
Ohne auch nur zusammenzuzucken, führe ich meine freie Hand auf die schmerzende Stelle.
Ich spüre meinen Herzschlag. Das Licht pulsiert im selben Rhythmus. Ich weiß, was mir fehlt. Ich weiß, dass mir meine Seele gestohlen wurde.