Renate ging zu Hannes und Natalie. Sie hielten sich in Natalies Zimmer auf. Hannes nahm seine Mutter in den Arm. Beide wussten, dass sich ihre Trauer in Grenzen hielt, was nicht heißen soll, sie hätten keine Trauer empfunden. Doch beide waren sehr oft Ziel seiner Unberechenbarkeit, seines Jähzorns gewesen und, was Natalie nicht wusste, früher hatte Hans seine Frau auch das eine oder andere mal geschlagen. Auch Hannes hatte nie auch nur ein Quäntchen Anerkennung von seinem Vater bekommen, wohl eher manche unverdiente Ohrfeige. Ein einziges Mal, hatte Natalie das mitbekommen. Danach hat Hans weder Hannes noch Renate jemals angerührt. Weder im Guten noch im Bösen...
Allein die Vorstellung, seine Tochter nochmal weinen zu sehen, weil ihm bei ihrem Bruder "die Hand ausgerutscht" war hatte die Kraft, die Übergriffe endlich abzustellen, was Renate nie geschafft hatte.
Hans war nicht immer so gewesen. Der Stress, der berufliche Wettbewerb und schließlich auch der Alkohol hatten ihn so werden lassen. Und die Tatsache dass er genau erkannte, dass Renate ihn nie geliebt hat. Wie auch, bei seinem Verhalten?
Natalie, die von Vater immer geliebt, ja vergöttert worden war, trauerte ehrlich um ihren Vater, obgleich sie die Gefühle von Hannes und Renate verstand, oder wenigstens versuchte, sie zu verstehen...
Auch Natalie umarmte nun ihre Mutter und weinte erneut bittere Tränen. Sie saßen dann noch eine Zeit lang auf Natalies Bett und Renate meinte schließlich, sie werde etwas zu essen bereiten, die beiden möchten in einer Viertelstunde in die Küche nachkommen. Hannes aber ging gleich mit und in der Küche angekommen fragte er:
"Mutter, darf ich dich was fragen?"
"Aber ja, Hannes. Was möchtest du denn wissen?"
"Hattest du mal was mit Karl?"
Renate sah ihn erschrocken an.
"Du brauchst nicht zu erschrecken, Mutter! Es ist die Art, wie ihr euch anseht und die Art wie ihr miteinander umgeht. So... respektvoll. Ich möchte fast sagen liebevoll. Und dass ihr euch immer aus dem Weg gegangen seid, und jetzt ist Karl da und steht uns bei. Schau mich nicht so an, Mum! Er ist ein anständiger Kerl! Du brauchst dich nicht zu schämen, wenn dem so ist, wie ich vermute."
"Oh Hannes! Das ist eine lange Geschichte. Ich frage mich, woher du soviel Gefühl hast. Für deine Schwester, für mich... Und ja, vor über zwanzig Jahren waren wir ein Paar. Und er ist ein wirklich anständiger Kerl, Hannes!"
"Hat Vater es je gewusst, dass ihr vor seiner Zeit zusammen wart?"
"Was willst du damit sagen, Hannes?"
"Kann es sein, das meine Schwester nicht den selben Vater hat wie ich, Mutter...?"
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"Ja und nein! Ich bin diese Frau, wenn es darum geht, dass sie mit dir das Land verlassen will. Nein! Nicht will, sondern muss, weil du wirklich in großer Gefahr bist. Diese Gefahr, lässt sich nur abwenden, wenn du deine Zelte hier abbrichst. Warum ich dieses Land dann verlassen muss, liegt daran, dass ich mich unsterblich in dich verliebt habe und mir das in meinem Beruf nicht erlauben kann. Und da ich mein Leben unbedingt mit dir leben möchte, würde ich mit dir gehen. Das einzige was stimmt, ist, das wir uns wirklich das Paradies leisten könnten, weil ich wirklich ausreichend vermögend bin, um nie wieder arbeiten zu müssen... Aber nicht ich müsste dieses Land verlassen, sondern du! Also bin ich, wenn du so willst, diese Frau, nach der du mich gefragt hast...