Meinen Geburtstag vergaß er. Die Tage vergingen, kein Päckchen, kein Brief, nichts. Und ich merkte, dass der Geburtstag nur ein Vorwand ist, um das Leben zu feiern. Wir feiern nicht die Jahre, die vergehen, sondern die Tatsache, zu leben.
Tag um Tag verging. Keine Nachrichten, keine Anrufe, nichts. Ich blieb zurück mit der Angst, er hätte mich schon mit einer hübschen Studentin ersetzt. So viel zum Thema, er hätte nach dem Umzug Zeit für mich und würde mich besuchen. Versprechungen sind auch nur leere Hüllen aus Worten, die uns ein Gefühl von Sicherheit vermitteln sollen.
Da ich seit dem neuen Schuljahr bei einem Tanzkurs mitmachte, stand bald der Abschlussball an. Schon zwei Monate vorher war ich sooo aufgeregt! Und im Grunde genommen konnte ich mir keine bessere Gelegenheit vorstellen, Luke einzuladen. Also habe ich ihn kurzer Hand gefragt, was er davon hält, auf den Ball zu gehen und mir zuzusehen. Er schien sehr erfreut, zeigte Interesse und ich dachte, ich platze vor Glück. Ich tanze unheimlich gern, und sicher ergäbe sich eine Gelegenheit, meinen Tanzpartner links liegen zu lassen und ihn durch Luke zu ersetzen. Einziges Problem: Meine Mutter. Als ich ihr ganz euphorisch von meiner Idee erzählte, fing sie an, alle Nachteile aufzulisten, die ihr einfielen. Ich meine, sie hatte nicht Unrecht, und ich konnte das meiste auch nachvollziehen, aber so richtig glücklich war ich darüber natürlich nicht. Also würde es wieder nichts mit dem Treffen. Aber eine gute Seite hatte die ganze Aktion dann doch: Als mein Ballkleid ankam, hatte ich einen Grund gefunden, Luke ein Bild von mir zu schicken und nach seiner Meinung zu fragen. Im Grunde genommen war es mir egal, was es war, solange es mir einen Anlass gab, ihm zu schreiben. Und siehe da: Es kam eine ordentliche Antwort zurück. Er schrieb, dass er ein bisschen krank und ziemlich fertig vom Feiern und Vorkurs sei. Manchmal hatte ich das Gefühl, sein halbes Leben bestünde aus Parties. Außerdem meinte er, dass er eine ganze Woche frei hätte. Mein Herz machte einen Sprung als ich das las. Für mich war das eine Anspielung darauf, dass er mal Zeit hatte und mich besuchen käme. Aber Pustekuchen. Manchmal vergesse ich, dass Männer eine andere Art zu kommunizieren haben, mit weniger Anspielungen, nicht um fünf Ecken denkend. Eine seltsame Sache ist sie, die Kommunikation zwischen Männern und Frauen. Auch wenn ich versuchte, nicht enttäuscht zu sein, gelang mir das zwar ihm, aber nicht mir selbst gegenüber. Man soll ja keine Erwartungen haben, sagen die klugen Menschen immer. Aber wie man das anstellt verraten sie einem nicht.
Ich fragte mich, was wir beide eigentlich waren. Wir waren weder Freunde noch Bekannte, gleichzeitig mehr und weniger als das. Sein Profilstatus blieb weiterhin Single, weswegen ich meinen auch nicht änderte, aber seltsam war es ja schon. Ich dachte immer, es sei so einfach, eine Beziehung aufzubauen, wenn man sich liebt. Aber was ich nicht wusste, war, dass Liebe manchmal allein nicht ausreicht. Es gibt immer etwas, das dem Zusammensein im Wege steht. Entweder man überwindet das Hindernis oder man scheitert daran. Es heißt, dass immer einer mehr liebt, und meiner Meinung nach stimmt das. Ich kann nicht sagen, warum, aber es ist so. Letztlich muss man Prioritäten setzen, und wenn der Partner nicht dazu gehört, dann kann es nur zwei Pole in der Beziehung geben. Dabei sollte eine Beziehung doch eine Balance zwischen Geben und Nehmen sein, sagen die Experten. Aber wie, zur Hölle, soll das funktionieren? Einmal lud mich Luke indirekt zu sich ein, entkräftete seine Aussage aber wieder mit der geistreichen Anmerkung
»Kommen kannst du gerne, ich weiß nur nicht, ob ich Zeit für dich hätte.«
Wenn das keine dipolare Beziehung war, dann weiß ich es auch nicht mehr.