Alric würden viele als interessante Erscheinung umschreiben. Nicht imposant oder muskelbepackt wie sein Vetter Klarich aber dennoch, Frauen haben ihn zumeist als ansehnlich dargestellt. Ein Hingucker wie man es hätte auch ausdrücken können. Bekannt war er für seine Verschwiegenheit wie Ehrlichkeit. Mit dem einen Ohr lauschte er stets dort, wo Informationen getauscht wurden, mit dem anderen hörte er seinem oder seiner Gegenüber aufmerksam zu. Ein Mann, auf den man sich verlassen konnte.
Fingerlanges braunes Haar, welches an den Schläfen die Zeichen des Alterns zeichnete. Stramme aber nicht aufdringlich wirkenden Muskeln, die sich von den Waden über den Bauch bis hin zu den Armen fortsetzten. Auf dem rechten Oberarm trug er eine allzeit verdeckte Zeichnung, derer Umrisse wenn überhaupt nur aus Versehen an den kurzen Ärmeln seiner getragenen Oberteile hervorlugen. Bekannt war bisweilen nicht, welches Abbild sich in der Vollkommenheit unter seiner Kleidung verbarg und er hütete es wie ein Geheimnis.
Den Jungs war es ein stetes Vergnügen, kehrte ihr Onkel für einige Tage bei ihnen zu Hause ein. Er und Klarich, so wussten die Zwei, waren verwandt und mehr als nur gemeine Vettern. Sie verhielten sich zudem wie beste Freunde. Brüder gleich und Alna eine Schwester, die er selbst nie hatte. Alric benahm sich indessen niemals als gewöhnlicher Gast zu Besuch. Er funktionierte, wie jedes Familienmitglied es tat, und als sei der Hof sein Heim. Für das Elternpaar ein makelloses Betragen, obgleich mancherlei zu fordernd, ahnten beide von seiner sonstigen Art aufzutreten. Veyed und Kayden gegenüber behielt er unentwegt Fassung und war ganz der besonnene Onkel. Seine Sorgen blieben alleinig Klarich und Alna nicht verborgen.
Er packte mit zu, wo es etwas zu packen gab. Half in der Schmiede wie auf dem Felde und was den Jungs am meisten gefiel, er raufte mit ihnen. Er hingegen nannte es Training.
Sie wetzten mit hölzernen Stecken, er bezeichnete sie Schwerter, über Stock und Stein. Ließ sie in dem losen Untergrund der Sandsteingruben und im dichten Wuchs des Rabengehölzes mit und gegeneinander ihre geschnitzten Klingen kreuzen. Taten sie nicht dies dann eben das. Fechten, klettern, laufen, springen, Fährten lesen und all die Dinge die Heranwachsende in dem Lebensabschnitt Spaß bereiteten, sofern man sie altersgerecht vermittelte und ihnen die Möglichkeit dazu bot. Leider blieben diese Gelegenheiten vielen ihres Alters vorenthalten und so nutzten sie jegliche gebotene Anwesenheit mit ihm.
Klarich hatte für all diese Freuden seltenst Zeit, verbrachte er die Seine mit der Bewirtschaftung des Hofes. Seiner Behauptungen zu genügen, wäre er kein Mann des Schwertes und besaß für solch Art der Beschäftigung keinerlei Ausdauer. Ausdrucksstark hatte ihr Vater immer wieder von derlei Spielchen abgeraten. Den Gemeinen war es streng untersagt Waffen zu führen, oder sich an diesen zu üben. Es war Alna, die ihrem Mann nur anzusehen brauchte, sodass dieser kleinlaut einlenkte.
»Euer Onkel hat den Dreh raus. Er lehrt euch, wofür mir die Geduld mit euch Bengels fehlt«, hatte er wiederkehrend behauptet. »Spielend lernen, was einem Jahre später vielleicht das Leben rettet«, sprach hingegen Alric.
»Es ist dennoch untersagt und verboten«, knurrte sein Vetter und verbarg sich meist in seiner Schmiede oder auf dem Feld bei seinen Handlangern.
Veyed war stärker als sein jüngerer Bruder, was auch deutlich seiner Statur anzusehen war. Er wuchs in den Schultern breiter und seine harte Arbeit zeichnete sich bereits betont ab. Kayden dahingegen war schneller, flinker und ausdauernder. Seine Muskeln wuchsen nicht so imposant, was sich jedoch im Laufe der kommenden Jahre noch ändern mochte. Er kletterte und sprang, wo sein Bruder mitten hindurch rannte. Wo der eine in Jahren vermutlich vor Kraft strotzen würde, würde der andere die Fehlende mit Geschick und Gewandtheit ausgleichen.