Sanft berührte Nico Leonie Sues Schulter. „Hey, aufwachen“, sagte er zärtlich.
Langsam öffnete Leonie die Augen. Sie hatten angehalten.
„Was ist los?“, fragte sie, noch im Halbschlaf.
Nico hockte sich hin und strich ihr die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Selbst jetzt war sie umwerfend schön.
„Wir haben angehalten um etwas zu essen.“
Leonie drehte sich um. „Ich habe keinen Hunger.“
„Du hast schon den letzten Stopp verschlafen“, meinte Nico.
Es war eisig kalt. Der kalte Wind, ließ Leonie erzittern.
Nico gab ihr seine Jacke. „Komm, steh auf.“
Leonie merkte wie sie auf einmal richtig dringend auf Klo musste. Schnell warf sie die Jacke über und stieg aus. „Ich geh zu den Mädels rüber.“
Nico nickte und schloss das Auto ab.
„Na da ist ja unsere Schlafmütze“, rief Sheona grinsend.
Doch als Leonie näher kam, erstarb ihr lächeln ganz schnell. Missbilligend betrachtete sie Leonies Jacke. Doch Leonie ignorierte sie einfach. „Wollen wir vielleicht erst mal auf Toilette gehen?“ Die beiden Mädchen waren einverstanden. Als sie wiederkamen, hatten die Jungs bereits etwas zu Essen bestellt. Und da Sheona nichts essen wollte, standen Chiara und Leonie alleine an der Theke.
„Du und Nico, seid ihr ein Paar?“, fragte Chiara neugierig.
Leonie antwortete nicht. Sie beobachtete Nico. Er sah total fertig aus. Tiefe Augenringe umrahmten seine schwarzgrauen Augen. Wie lange war er schon gefahren? Warum hatte er sie nicht geweckt, damit sie weiterfuhr? Sie würde gleich auf jeden Fall, darauf bestehen. Er musste sich unbedingt ausruhen.
„Also nein?“, fragte Chiara erneut.
„Nein, wir sind nicht zusammen“, antwortete Leonie. Ein Gefühl der Wehmut, machte sich in ihr breit.
Chiara grinste. „So wie du ihn ansiehst, wärst du gerne mit ihm zusammen.“
Leonie sah sie fest an und sagte: „Ich habe darüber noch nie nachgedacht. Und wenn, würde darauf nicht eingehen. Schon allein wegen Sheona nicht.“
Chiara runzelte die Stirn. „Ich würde für Jim, alles aufgeben“, sagte sie. Es klang sehr sicher. Leonie glaubte kaum, dass sie das überhaupt jemals können würde. Alles aufgeben, nur für einen Mann.
„Du magst ihn sehr, stimmt´s?“, fragte Leonie.
Chiara lächelte glücklich und ihre Augen glitzerten. Leonie kannte dieses eigenartige Glitzern irgendwo her. Konnte aber nicht genau sagen woher.
„Ich würde sogar behaupten, dass ich ihn liebe“, meinte Chiara leise.
Leonie schluckte. „Meinst du nicht du solltest dir da nicht so voreilig Hoffnungen machen?“
„Quatsch, er hat mich zu diesem Trip eingeladen, das wird ja wohl was bedeuten“, sagte Chiara fröhlich.
Leonie runzelte die Stirn. „Ich habe Nico auch eingela…“ Sie stockte, als sie das verschwörerische Grinsen von Chiara sah. Sie machte Nico Hoffnungen. Mal wieder musste Leonie feststellen, wie naiv und unerfahren sie war.
Chiara legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen. Auch wenn du das nicht bewusst macht, ist es auf jeden Fall nicht ungewollt. Und so wie Nico dich ansieht, liebt er dich über beide Ohren.“
Leonies Herz machte Purzelbäume. Nico liebte sie! Was wollte sie mehr?
„Du hattest noch nie einen Freund, stimmt´s?“
Leonie nickte. Sie wollte sich immer für den Richtigen aufbewahren. War Nico der Richtige? Nein, wenn er der Richtige gewesen wäre, hätten sich Sheona und die Jungs mit ihm verstanden. Oder?
„Ein kleiner Rat: Lass es einfach auf dich zu kommen. Verstell dich nicht. Glaub mir, jede Berührung wird sich anfühlen, wie eine Explosion. Jedes Kompliment, wird dich auf Wolke 7 befördern. Jedes gesprochene Wort von ihm, ist auf einmal Gold wert. Und kein anderer junger Mann sieht auf einmal besser aus, als er. Selbst David Beckham wird hässlich “, meinte Chiara und wendete sich mit ihrem Tablet in Richtung der restlichen Gruppe.
Nein, bei ihr war das nicht so! Vor allem war David Beckham schon immer hässlich. Keine Berührung, hatte sich bis jetzt wie eine Explosion angefühlt. Sie dachte an seine Umarmungen. Oder an die Situation im Auto, als sie picknicken gewesen waren. Dieses Gefühl der absoluten Geborgenheit, war einfach richtig schön und ließ sie nicht mehr los. Aber bei den Komplimenten lag Chiara falsch. Nico hatte ihr nur gesagt, dass sie wunderschön war. Und sie konnte sich in diesem Moment, nicht erklären, warum es ihr so viel bedeutet hatte. Leonie seufzte, dass konnte doch nicht wahr sein!
„Junge Dame, bestellen sie jetzt noch was?“, fragte die Bedienung und riss Leonie aus ihren Gedanken.
Leonie bestellte sich etwas und während sie wartete, nahm sie sich fest vor, ganz genau auf alles zu achten und sich dagegen zu wehren. Sie nahm ihr Tablet und wollte sich zu der Gruppe setzen, doch musste feststellen, dass nur noch Nico da saß. Er hatte die Augen geschlossen.
„Bist du sehr müde?“, fragte Leonie besorgt.
„Mhhh“, sagte Nico bloß, ohne die Augen zu öffnen.
Impulsiv legte sie ihre Hand, auf seinen Arm. „Ich kann ja jetzt fahren. Ich habe genug geschlafen.“
Nico öffnete die Augen und sah sie zweifelnd an. „Hast du keine Angst?“
Leonie musste sich eingestehen, dass sie wirklich etwas Angst davor hatte, den Lamborghini zu fahren. „Doch, aber du musst dich dringend ausruhen.“
Nico nahm ihre Hand in seine beiden. Leonie unterdrückte den Gedanken, dass sie sich doch gegen so etwas wehren wollte.
„Es ist nicht all zu schwer. Er ist halt nur sehr schnell, aber daran gewöhnt man sich“, machte er ihr Mut.
Leonie nickte bloß. Das Auto, war ein Geschoß und schon fast kein Auto mehr.
„Hey, du hast es geschafft die Hängebrücke zu überqueren, da schaffst du es auch mit dem Auto zu fahren“, sagte Nico sanft.
Leonie lachte: „Wenigstens kann mir jetzt nicht schlecht werden.“
Nico stimmte mit ein. Er war heilfroh, dass Leonie immer so mutig war. Er war wirklich etwas sehr müde und das könnte auch gefährlich werden.
„Ey, kommt ihr?“, rief Sheona und betrat den Imbiss.
Reflexartig zog Leonie ihre Hand weg. Nico grinste schelmisch.
Sheona sah verwirrt von einem zum anderen und zuckte schließlich mit den Schultern.
„Nico, Gabrielo hat vorgeschlagen, dass er jetzt fahren könnte.“
Leonie stand auf. „Nein, ich fahre.“
Daraufhin sagte Sheona nichts. Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging wieder.
„Ich verstehe echt nicht, wie du mit ihr so gut befreundet sein kannst“, sagte Nico leicht genervt.
„Nett sein, Nico. Vergiss das nicht“, meinte Leonie nur.
Nico gab sich geschlagen und trottete Leonie hinter her. Sheona ging doch sehr eigenartig mit Leonie um. Genau konnte er das nicht erklären, aber irgendetwas stimmte doch in dieser Freundschaft nicht.
Leonie setzte sich auf den Fahrersitz. Ihre Hände zitterten leicht. Aber eher vor Aufregung, als vor Angst.
„Muss ich irgendetwas Bestimmtes wissen?“
„Nein, du muss nur fahren. Alles andere macht er automatisch“, erklärte Nico.
Leonie nickte und startete den Motor. Irgendwie kam er ihr jetzt noch lauter vor als sonst.
„Gib ganz langsam Gas. Er beschleunigt verdammt schnell. Also ganz vorsichtig“, riet Nico ihr.
Leonie rollte langsam vom Parkplatz. Auf dem Beschleunigungsstreifen, gab sie langsam Gas. Innerhalb von paar Sekunden, hatte das Auto auch schon auf 100 beschleunigt. Leonie warf einen Blick in den Innenspiegel. Jim war weit hinten geblieben.
„Darf ich einmal richtig schnellfahren?“, fragte Leonie begeistert.
„Du darfst fahren, wie du willst. Pass nur auf das du Jim nicht verlierst“, meinte Nico und machte es sich gemütlich.
Leonie gab Vollgas. Schlagartig wurde sie in den Sitz gedrückt. Sie lachte hell auf. So machte Autofahren richtig Spaß. Die Landschaft schoss an ihr vorbei. Trotz der Schnelligkeit ließ sich der Lamborghini geschmeidig fahren. Er reagierte auf jegliche noch so kleine Bewegung.
Wieder sah Leonie in den Rückspiegel, Jim war verschwunden. Sie wechselte die Spur und verlangsamte. Ruhig fuhren sie weiter.