Das Haus stand abseits der Ortschaft ›Namesville‹ und genoss die Ruhe, die man sich wünschte, wenn man das hektische Stadtleben gewöhnt war. Keine hundert Meter musste man zurücklegen, um am Ufer des Sees zu stehen. Das Grundstück war riesig und gehörte der Familie bereits seit der Kolonialzeit.
In den Sommermonaten war ›Namesville‹ ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen und Camper, die dem Ort das nötige Geld für ihre heimliche Unabhängigkeit lieferten. Oma Marge war weithin für ihre Trübseligkeit bekannt. Ein jeder kannte sie zwar, hielt sie jedoch für befremdlich. Sie war stets allein und ließ niemanden an sich heran. Einkäufe erledigte sie im Alleingang und sprach nur das Unvermeidlichste.
Immer dann, wenn Matthias mit seiner Familie zu besuch kam, freuten sich die Bewohner ›Namesville‹ für die alte Dame. Sie war von dem Tage an, als ihr Mann verstarb, vollkommen allein und verschlossen. Die wenigsten erinnerten sich noch an die aufgeschlossene wie lebhafte junge Marga.
»Was wollt ihr hier. Was soll das Matthias?«
»Hallo Mama, wir haben dich auch vermisst.«
Betroffen und unschuldig blickten die Zwillinge zu Boden. Was für ein herzhafter Empfang.
»Dürfen wir reinkommen? Es ist kalt hier draußen«, Verena versuchte es mit einem lächeln. »Und Mutti? Frohe Weihnachten.«
»Jaja, euch auch. Wenn ihr schon mal hier seid, dann kommt auch rein.« An ihren Sohn gerichtet hielt sie ihn an der Schulter zurück. »Du weißt, dass ich im Winter keinen Besuch will. Wieso seid ihr hier?«
Angesprochener ergriff ihre Hände und drückte sie. Er suchte ihren Blick. »Mama, komm endlich raus aus deinem Schneckenhaus. Es ist Weihnachten. Familien sollten diese Tage zusammen verbringen. Es ist so viele Jahre her. Nichts und niemand wird sie dir wiederbringen.«
Beklommen schüttelte sie den Kopf und Tränen sammelten sich in ihren müden Lidern. »Ach mein Junge. Du hast es vergessen.« Liebevoll streichelte sie ihm über die Wange und beugte sich ihm näher, sodass ihre Worte nur ihm galten. »Sorge dafür, dass die ganze Zeit über die Fenster geschlossen bleiben und ...« Sie seufzte. »Die Junges im Haus bleiben.«
»Mama?«
»Bitte mein Schatz. Tu es einfach oder fahrt sofort wieder nach Hause.«
Nun deutlich freundlicher und aufgeschlossener kniete sie sich und umarmte ihre Enkel. »Ach wie schön, das ihr mich besuchen kommt. Es ist zwar nicht sonderlich spannend hier zu weihnachten, da ich die Zeit nicht mag, aber ich freu mich.«
Matthias und Verena war nur zu bewusst, dass Oma Marga etwas vor ihnen verbarg und es hatte unausweichlich mit den Weihnachtstagen zu tun.