Unerwartet wachte Matthias auf und sah sich verstohlen um. Verena und die Kinder hatten es sich vor dem Kamin gemütlich gemacht, dessen Glut den Raum noch immer mit wohliger Wärme versorgte.
Ihm tat der Nacken weh und entschied so nicht wieder einschlafen zu können. Er stand auf und ging in die Küche. Er hatte vor sich einen Kakao zu machen, so wie damals seine Mutter nur mit deutlich mehr Sahne.
Das übergroße Küchenfenster ließ einen Blick über das Grundstück bis hinab zum See zu und so zwang er sich, das Ufer aus entsprechender Entfernung in Augenschein zu nehmen. Er konnte nicht einmal benennen, was ihn antrieb nach etwas Ausschau zu halten, was es aus seiner Überzeugung heraus nicht geben dürfte.
Dennoch und vielleicht eben aus diesem einen Grund tat er es und erschrak. Trotz des noch immer anhaltenden dichten Schneefalls sah er sie.
Zwei Jungen mit einer Pudelmütze auf dem Kopf. Sie winkten und er stellte sich vor, wie sie in seine Richtung schauten.
Unmöglich. Es war dunkel und niemand würde ihn von außen durch die Scheibe erkennen können. Kaum das er den Gedanken dachte, trat eine weitere Gestalt in sein Sichtfeld und hielt direkt auf sie zu. Seine Beine wollten ihm nicht gehorchen, auch die Stimme versagte ihm, als er begann, lauthals zu rufen. Lediglich ein Röcheln entwich seinem geöffnetem Mund, ganz so als würde er schnarchen.
Marga hob ihre Hände und ergriff die ihrer Brüder. Matthias glaubte mit jedem Schritt, den sie sich entfernten, dass seine Mutter kleiner und jünger wurde. Er konnte nichts weiter tun, als die Drei auf dem Eis zu beobachten.
Sie glitten von links nach rechts und jagten einander ... sie spielten.
Als zwei aufgebrachte Jungs am frühen Morgen ihre Eltern wachrüttelten, wusste er nicht mehr zu sagen, was wahr oder nur ein Traum war. Seltsam empfand er auch, dass sie in seinem alten Zimmer schliefen und dieses auffallend anders eingerichtet schien. »Mama, Papa. Schnell seht doch nur. So viel Schnee habe ich noch nie gesehn. Dürfen wir raus einen Iglu bauen und Schlittschuh laufen? Bestimmt ist der See schon gefroren.«
Verena runzelte die Stirn und trat ans Fenster und schluckte. »Wir sollten uns endlich eine Fräse zulegen.«
Matthias schloss die Augen. Er wunderte sich nicht einmal. »Ich wecke Oma.«
»Ähm, Papa?«
»Was ist Milan?«
»Oma ist doch schon seit drei Jahren Tot.«