1.Kapitel
Sie fühlte sich schwach und ausgelaugt. Jeden Tag quälte sie sich nach einer durchwachten Nacht, um 5 Uhr früh aus dem Bett und machte sich bereit für ihre Arbeit im Alters- und Pflegeheim, das anderthalb Stunden von ihrem zu Hause entfernt lag. Es war eigentlich ein zu weiter Arbeitsweg, aber gerade war in der Nähe keine andere, geeignete Stelle frei. Schon länger besass sie kaum mehr Energie für den Job als Pflegehelferin. Das lag auch daran, dass sie nie richtig schlafen konnte. Sie war immer zu aufgewühlt, dachte oft viel zu lange über 1000 Dinge nach. Früher war das noch besser gewesen. Doch schon seit längerem litt das Klima im Heim zusehends, denn es waren einfach zu wenig Leute und viele mussten deswegen Überstunden schieben. Der ganze Stress, liess das gute Verhältnis der Angestellten untereinander immer mehr leiden. Streitereien und Machtkämpfe, waren an der Tagesordnung. Seit Jahren arbeitete Alena schon in diesem Heim, hatte verschiedenste Zeiten miterlebt, doch jetzt schien sich alles zum Schlechteren zu wenden. Sie hatte in ihrer Laufbahn drei Heimleiter kommen und gehen sehen und jener der nun das Zepter in der Hand hielt, war viel mehr ein Geschäftsmann, als ein sozial versierter Mensch, den dieser Job doch so dringend gebraucht hätte. Das wirkte sich auf alles und jeden aus. Unter der neuen Leitung, wurde einige der langjährigen, älteren Mitarbeiter entlassen und für sie dafür immer mehr, oft jüngeres Personal eingestellt, welches zwar sehr gut ausgebildet war, jedoch nur wenig wirkliche Liebe zu den alten, handicapierten Bewohnern aufbrachte. Für diese Angestellten, war der Pflegeberuf ein Beruf wie jeder andere. Oft wurden die Heimbewohner deshalb ziemlich lieblos behandelt. Das konnte Alena kaum mitansehen, darum legte sie sich auch oft mit dem, vor allem diplomierten, Pflegepersonal an. Das hatte ihr vor kurzem gerade ein Verweis, seitens des neuen Heimleiters Herr Blattner eingebracht. Er meinte, Alena sei zu wenig kooperativ und teamfähig. So ein Quatsch! Sie arbeitete hier nun schon so viele Jahre und war bisher mit allen gut klargekommen. Nur eben seit ungefähr einem Jahr, ging alles den Bach runter.
Alena hatte deshalb immer mehr Mühe, sich noch auf die Arbeit zu freuen und teilweise verfiel sie richtiggehend in eine depressive Stimmung, aus der sie sich kaum mehr herausreissen konnte. Sie hatte kaum noch Nerven, weder für die ständigen Kämpfe mit den Mitarbeitern, noch für die liebevolle Pflege der Altersheimbewohner. Letzteres machte ihr am allermeisten zu schaffen, denn sie fand, dass dies die Essenz ihres Berufes hätte sein sollen. Schliesslich war sie auch deswegen Pflegehelferin geworden. Sie mochte alte Leute sehr, das lag wohl daran, dass ihre Grosseltern ihr stets so viel Liebe und Aufmerksamkeit entgegengebracht hatten und ganz besondere Helfer auf ihrem Lebensweg gewesen waren.
Nun war Alena bereits 39 Jahre alt und ihre Grosseltern schon lange tot. Das Verhältnis zu ihren Eltern, besonders zu ihrem Vater, war nicht besonders gut und ihre Mutter, litt seit einiger Zeit selbst an Symptomen von Alzheimer. Ihr Zustand verschlechterte sich zusehends und bald würde sie vermutlich selbst in ein Pflegheim eingewiesen werden müssen. Davor graute es Alena. Vieles beschäftigte sie darum die letzte Zeit und der Mangel an Schlaf, hatte ihre Psyche bröcklig werden lassen.
Sie lebte noch immer allein, auch wenn sie schon mal verheiratet gewesen war. Kinder hatte sie jedoch keine. Manchmal kam es ihr vor, als sei ihr Leben an ihr vorbeigezogen. Bald wurde sie 40 und was hatte sie bisher eigentlich zustande gebracht? Alena seufzte tief und versuchte sich aus dem dunklen Brüten zu reissen, dass sie wie so oft wieder heimsuchte. Sie stand vor dem Spiegel und fühlte sich schwach und krank. Sie hätte dringend mehr Schlaf gebraucht, denn ihr Gesicht war eingefallen und noch bleicher, als es sonst schon war. Ihr Haar war golblond und halblang, sie besass schöne, türkisblaue Augen, unter denen sich jetzt jedoch dunkle Schatten gebildet hatten. Sie tastete ihr Wangen ab, die irgendwie eingefallen wirkten. Seit einiger Zeit mochte sie auch nicht mehr recht essen. Warum auch, es gab eh niemanden in ihrem Leben, für den sie kochen konnte, weder ein Kind noch einen Mann. Das verstärkte wohl noch ihre Appetitlosigkeit, denn sie fühlte sich manchmal sehr einsam. Frauen in ihrem Alter, hatten normalerweise schon eine Familie und bereits Kinder im Teenageralter. Manche von ihnen, drehten nochmals so richtig auf, nach der intensiven Familienzeit.
Alena glaubte aber, ihr Leben käme mehr und mehr zu einem Stillstand. Nichts war da worauf sie sich ausrichten, auf das sie hinarbeiten, oder sich freuen konnte. Ihre unregelmässigen Arbeitszeiten und wohl auch ihre körperliche, wie psychische Energielosigkeit, liessen es einfach nicht zu.
Sie besass auch keine Zeit und keine Kraft, irgendwelche Hobbies zu pflegen, denn nach der Arbeit, die teilweise bis in die Nacht hineinging, musste sie nochmals so lange nach Hause fahren und dann war sie so müde, dass sie sogleich ins Bett fiel. Meistens schlief sie dann nur kurz und erwachte dann wieder, nur um zu beobachten, wie ihr Gedankenkarussell einmal mehr, unaufhaltsam zu drehen begann.
Die Stunden zogen sich dann endlos schleppend dahin und der Gedanke, dass sie bereits um 5 Uhr schon wieder rausmusste, unterstützte nicht unbedingt dabei sich zu entspannen.
Oft lag sie die ganze Zeit wach, begann ruhelos in ihre kleinen Vorstadtwohung herum zu gehen und war doch zu müde, um irgend etwas Gescheites zu machen.
Verzweiflung machte sich ihn ihr breit und manchmal weinte sie auch. Die Arbeit war so angstengend und sie hätte doch so dringend Schlaf gebraucht. Doch diese lebenswichtige Sache blieb ihr schon seit langem verwehrt.
Als sie sich nun so im Spiegel anschaute, fühlte sie sich ausserstande, sich auf den Weg zur Arbeit zu machen. Ihr war schlecht und schwindlig. Sie fühlte sich zu krank für die Arbeit und doch war sie nicht krank genug, um zu fehlen. Nach dem Verweis konnte sie sich eh nichts mehr leisten. So liess, sie wie so oft in letzter Zeit das Frühstück ausfallen und setzte sich in ihren silbergrauen Seat, um zur Arbeit zu fahren.
Irgendwie fielen ihr beinahe die Augen zu, weil sie doch so schrecklich müde war.
Die Landstrasse, welche sie entlangfuhr, war kaum beleuchtet. Die Lichter ihres Wagens, warfen bleiche Kegel auf die Fahrbahn.
Und dann auf einmal stand da dieser gutaussehende Mann! Er war schlank und hochgewachsen und besass langes, weissblondes Haar, welches ganz eigentümlich frisiert war. Ein Teil davon war zu dünnen Zöpfen geflochten, die rechts und links neben seinem bartlosen, schmalen Gesicht herabfielen. Ein Teil des noch offenen Haares, war zusammengebunden und der Rest davon floss in weichen Wellen über seine Schultern und den Rücken hinab. Seine Augen leuchteten seltsam in einem blauen, magischen Licht und er trug ein silber blaues, enganliegendes Oberteil und dazu Leggins aus einem besonderen Reptilien-leder, dass Alena noch nie gesehen hatte.
Die Frau erschrak zutiefst und stiess einen Schrei aus, während sie versuchte dem seltsamen Mann auszuweichen. Das Auto schleuderte und kam von der Fahrbahn ab… dann wurde es finster um sie herum…