Die Vorfreude auf Sonntagmittag war schon fast greifbar, so sehr sehnten die beiden sich ein Treffen herbei. Weil der Tag zwar kalt, aber windstill und sonnig werden sollte, hatten sie sich zu einem Spaziergang am Neckar verabredet. Da am Sonntagmittag wenig Autos unterwegs waren, war es auch nicht störend, dass der Weg an einer Straße entlang führte.
Julia stand bereits an der Brücke, blickte abwechselnd nach links und rechts, da sie nicht wusste, aus welcher Richtung Steppi kommen würde. Sie war ein paar Minuten zu früh, denn sie konnte es kaum erwarten, ihn wieder zu sehen. Die SMS waren eine passable Ablenkung gewesen, aber nichts war besser als ihr Freund in Natura.
Julia legte ihre Arme um ihren Körper, um sich ein bisschen zu wärmen. Wenn man sich nicht bewegte, wurde einem mittlerweile ziemlich schnell kalt, so weit fortgeschritten war der Herbst schon. Wieder drehte sie ihren Kopf nach links, da sah sie Steppi auf sich zueilen. Er war ähnlich warm angezogen, obwohl sein Pullover nicht so warm wirkte wie ihr Mantel. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen nahm er sie in den Arm und küsste Julia erst ausgiebig, bevor er sie überhaupt begrüßte.
„Ich habe dich so vermisst“, flüsterte Julia noch in seinen Armen und presste sich noch ein wenig enger an den kalten Stoff, der auf ihrer Wange kitzelte.
„Ich dich auch. Wie geht es dir? Was gibt es Neues?“.
Steppi legte einen Arm um ihre Schultern und so begannen sie, den geteerten Weg entlang des Neckars entlang zu laufen, während Julia antwortete.
„Mir geht es jetzt wieder gut. Ich habe gemerkt, wie schlimm das Leben als Spielerfrau ist, wenn man frisch zusammen ist. Ich hätte dich gerne immer bei mir gehabt statt in Kiel. Jetzt geht es mir immer noch so. Eigentlich will ich gar nicht wissen, wann du wieder weg musst, dann bin ich wieder traurig.“
Um Steppis Mund spielte ein zartes Lächeln. Es war schön zu hören, dass sie ihn genau so vermisste. Er hoffte, dass sie das dazu bewegen würde, über das Zusammenziehen nachzudenken. Allerdings hatte er beschlossen, es erst mal nicht anzusprechen, um nicht aufdringlich zu wirken.
„Ja, das denke ich mir. Bei mir es war genau so. Ich saß nur auf der Bank so ich wäre viel lieber hier bei dir gewesen, dann ich hätte etwas zu tun gehabt. Deshalb ich bin froh, wieder hier zu sein bei dir.“
„Ich habe nachgedacht“, seufzte Julia nach ein paar Metern Stille, „mein Verstand sagt mir zwar, dass zusammenziehen so früh eine sehr dumme Idee ist, aber so kann ich dich wenigstens noch recht oft sehen. Wir werden wohl nicht ständig aufeinander sitzen und irgendwann muss das die Beziehung ohnehin aushalten, also wieso nicht?“.
Innerlich jubelte Steppi maßlos, er bemühte sich aber trotzdem darum, nicht zu euphorisch zu sein. „Aber du musst das nicht machen weil ich das will, ja? Wenn du es möchtest dann du kannst kommen zu mir, aber ich möchte dich nicht zwingen. Ich freue mich dass du willst, aber ich möchte dass du hast darüber gut nachgedacht.“
„Habe ich, wirklich. Das Risiko ist es mir wert. Ob wir nach drei Tagen oder drei Jahren feststellen, dass wir nicht zusammen leben können, ist eigentlich egal, oder?“.
„Ja, das ist es“, grinste Steppi. Er war mehr als glücklich mit dem Verlauf des Gesprächs, denn nichts wünschte er sich mehr, als mit ihr zusammen zu ziehen.
„In einer Woche wir haben ein ganzes Tag frei so du könntest kommen und dir alles anschauen und bleiben und dann schauen ob du willst kündigen dein Wohnung. Was meinst du?“.
„Das ist eine gute Idee. Nächsten Sonntag dann? Wir machen das.“
Erleichtert kuschelte sich Julia während des Laufens enger an Steppi. Sie hatte schon die Befürchtung gehabt, dass Steppi es sich anders überlegt haben könnte, aber so war es genau so gekommen, wie sie es sich gewünscht hatte.
„Was machst du eigentlich wegen dein Studium weiter?“, fragte Steppi dann weiter, „und dein Arbeit?“
„Ich schreibe mich morgen um auf Englisch und bis das Semester wieder beginnt mach ich einfach ein paar Überstunden im Institut. Ich muss die Arbeit zum Glück nicht aufgeben, sie wissen schon alle Bescheid. Dann zieh ich eben das Studium durch, solange ich nur Lehrerin werden kann.“
„Das klingt gut. Ich finde gut, dass du nicht aufgibst. Ich bin stolz, dass du mein Freundin bist.“
Die Worte lösten ein angenehmes Kribbeln in Julias Bauch aus. Nach den Rückschlägen tat ein Lob wie dieses unbeschreiblich gut. Lächelnd kuschelte sie sich noch enger an Steppi.
„Und ich bin froh, dass du für mich da bist. Das war die beste Entscheidung der letzten Tage.“
Diese Aussage zauberte Steppi ein Lächeln in das Gesicht und er drückte einen kurzen Kuss auf Julias Scheitel.
Dann fiel Steppi ein, dass er Julia unbedingt noch hatte warnen wollen. Fast hätte er es vergessen.„Ach, und wenn du sagst arbeiten, wann hast du Mads und Harry wieder?“.
„Am Dienstagmittag, warum?“.
„Sie haben mich geärgert auf der Fahrt, so sie wissen dass wir zusammen sind. Sie haben auch gesagt dass sie wollen dich ärgern und ich kenne die beiden nicht gut. So ich weiß nicht wie schlimm sie ärgern wollen. Ich wollte dich warnen so du kannst vielleicht absagen oder irgendetwas.“
Julia musste sich ein Lachen verkneifen. Sie glaubte nicht, dass Mads und Harry sie ernsthaft ärgern würden, so gut kannte sie die beiden mittlerweile, aber Steppis Sorge war rührend.
„Wie schlimm haben sie dich denn geärgert? Du hast gar nichts davon geschrieben.“
„Es geht, es hat genervt. Uwe hat mir geholfen so ich konnte weggehen zu ihm oder ich habe dann einfach geschlafen. Es war nicht schlimm so ich habe dir nichts erzählt, damit du dir kein Sorgen machst.“
„Okay. Ich glaube, ich werde mit den beiden fertig. Trotzdem danke, dass du mich vorwarnen möchtest.“
Eine Weile liefen sie stumm nebeneinander her. Es war ein wenig windig geworden, aber da sie gegen den Wind liefen, blies er erfreulicherweise Julia die Haare aus dem Gesicht. Mittlerweile waren sie am Ende des Weges angekommen, der in einem Supermarktparkplatz mündete. Da er wegen einer Landstraße hinter dem Supermarkt nicht weitergeführt wurde, schlug Julia vor einfach umzudrehen. So wehten die Haare ihr ins Gesicht und sie bereute, keine Haarklammern eingesteckt zu haben.
„Wie geht es eigentlich dir Steppi? Wir haben nur über mich geredet. Du hast wieder nicht gespielt, das habe ich gesehen.“
Mit einer Hand hielt sie eine Strähne fest, die sie hartnäckig daran hinderte, nach oben in Steppis Gesicht zu schauen. Steppi verstärkte seinen Griff um ihre Schulter nur für Millisekunden, trotzdem spürte es Julia. Er antwortete langsam, so als müsse er jedes Wort genau abwägen.
„Es ist trotzdem okay. Mit dir es ist alles leichter zu ertragen irgendwie. Es macht mich nicht mehr traurig so ich kann mich konzentrieren noch härter zu arbeiten. Im Spiel es ist nie schön dass man wird nicht gebraucht, aber ich bin trotzdem froh wenn wir gewinnen. Wir sind ein Mannschaft.“
„Wenn es dir zu viel wird redest du aber mit mir, okay? Jetzt bin ich erst recht für dich da.“
„Ich weiß“, lächelte Steppi und küsste sie wieder auf den Scheitel, „und ich bin froh, aber gerade es ist wirklich okay.“
Gerade als Julia etwas erwidern wollte, fiel ein Wassertropfen mitten auf ihre Nase. Mit gerunzelter Stirn wandte sie ihren Blick nach oben. Der Himmel war einheitlich grau, es hatte zugezogen. Dann bekam sie einen zweiten Tropfen auf die Stirn.
„Mist. Ich glaube, es fängt gleich an zu regnen, ich habe gerade zwei Tropfen abbekommen. Bist du zufällig mit dem Auto da?“, grummelte sie und wischte sich über die Stirn und die Nase.
„Ja bin ich, ich kann dich heimfahren. Dann wir beeilen uns besser so wir werden nicht nass? Ich habe nichts gespürt.“
„Dabei müssten die Tropfen zuerst dich erreichen“, grinste Julia und fing sich dafür einen tadelnden Blick, gepaart mit einem schiefen Grinsen ein.
„Was hältst du davon wenn wir gehen essen? Ich habe Hunger und hier es gibt bestimmt viele Restaurants zu denen wir können fahren mit dem Auto, oder? Du weißt das, du kommst von hier, oder?“.
„Ja, da gibt es vieles. Wir können gerne essen gehen, aber“, meinte Julia und zeigte in den Himmel, „dann beeilen wir uns besser mit dem Auto, denn ich habe schon wieder Tropfen abgekriegt. Es wird schlimmer.“
Mit prüfendem Blick hob Steppi den Kopf und der erste Tropfen traf ihn genau ins Auge. Reflexartig kniff er es zu und wischte darüber. „Scheiße, ins Auge. Wir rennen, komm“, fluchte er und griff nach Julias Hand.
„Die Schimpfworte hast du aber nicht von mir, darüber müssen wir nochmal reden“, tadelte sie ihn sanft, „außerdem kann ich nicht so schnell rennen wie du.“
„Ich renne langsam“, versprach Steppi und überging ihren Kommentar damit. Davon und von den nächsten Regentropfen ließ sich Julia überzeugen, einen kleinen Spurt hinzulegen. Hand in Hand liefen sie den Weg wieder entlang zu einer kleinen Parkbucht.
Mittlerweile nieselte es fein und beide waren in jetzt nasse Kleidung gehüllt.
Julia griff sich probeweise in die nassen Haare, nachdem sie auf dem Beifahrersitz platz genommen hatte.
„Wir brauchen irgendwas mit Kamin, sonst sind wir morgen beide krank“, seufzte sie.
„Dein Wunsch ist mein Befehl. Ich will nur essen.“
Grinsend seufzte Julia und beschrieb dann einen Weg aus Heidelberg zu weniger bekannten, bürgerlichen Restaurants, die ihrer Erfahrung nach eher einen Kamin hatten.