»Die Zwei stammen nach deren Aussage zur Folge aus einer Siedlung, nahe der Unsrigen. Sie soll in der vorigen Nacht von dieser Rotte ...« Eric deutete, auf die Umherliegenden und bereits auf dem Feuer kohlenden Kadaver. »... überfallen und geplündert sein. Einige der Siedler habe man schlicht getötet und diese als Wegepfand verschleppt. Als Beute hat man Nahrung, Tant und Waffen entwendet.« Mit einem Grinsen auf den Lippen und an Ben gerichtet neckte er. »Dich mein Lieber, betiteln sie als Vollstrecker. Als Gesandter vergangener Tage, mach was draus.«
»Bitte? Vollstrecker kann ich mir ja noch erklären, aber wieso ein Gesandter vergangener Tage? Sind denn hier alle von Sinnen?«
»Die beiden dort, sind Schreiber und der Alte besteht darauf erkannt zu haben, mit welcher Art Kampf du vor noch nicht vor allzu langer Zeit zur Schau gestanden hast. Du erinnerst dich? Er sagt, so kämpft oder kämpfte nur ein außerordentlich gedrillter Schwertmann.«
Alle ließen ihre derzeitige Aufgabe ruhen und schauten auf zu Benjamin und Eric, der seine Aussage absichtlich Laut von sich gab.
Ein Verhaltenes: »Oh, dass das bloß nicht nach Ärger ruft«, raunte durch die Jagdgemeinschaft.
»Benjamin, auch wenn Du deine Rüstung nicht trägst, ebenso wenig dein Schwert, diese beiden haben dich offensichtlich durchschaut. Es wird nicht lange dauern, bis sie sich verplappern und sich das Gerücht in der gesamten Mark, wie ein Lauffeuer verbreitet. Du und wenn überhaupt zwei Hundertschaften, kampferprobte Jäger können keine einmarschierenden Horden dieser Art aufhalten. Sofern wir deine Anwesenheit geheim halten wollen, um daraus einen Nutzen zu ziehen, müssen wir uns ihrer entledigen. Egal wo du auftauchst und sie zuvor ihre Geschichte erzählt und als Spinner abgetan wurden, wird man dich anhand ihrer Beschreibung erkennen und ihre Aussagen überdenken. Man wird von dir erwarten, was du nicht allein vollbringen kannst, auch nicht, oder schon rein mit einem dermaßen heruntergekommenen Volk wie dem unserem nicht. Benjamin, wir sind kein starkes Volk mehr.«
Diese vernichtende Ansage über sein eigenes Volk musste zuerst verdaut werden, bevor Jarik eindringlich fortfuhr. »Was wollen wir deiner Meinung nach tun?« Als dieser sich nicht äußerte, stupste er ihn an. »Benjamin.«
Ich muss nachdenken verflucht, halt doch einfach die Fresse.
So der Gedanke, den er jedoch für sich behielt und schlicht den Finger vor den Mund hielt und ein leises ›Schsch‹ über die Lippen blies.
»Gut. Wir können sie nicht einfach töten, wie diese Bestien da drüben. Es sind Menschen wie wir und sie leiden Angst wie wir. Sie litten an deren Gewalt und klammern sich an einer dünnen Hoffnung, die wir ihnen mit ihrer Rettung gereicht haben. Überdies können wir sie womöglich noch brauchen, zumindest ihre Fähigkeiten – insofern sie über welche verfügen. Erzähl ihnen, was du mit ihnen vorhattest und vor allem wieso das deine Meinung dazu ist, die du auch weiterhin vertrittst.« Eric zog ein missverständliches Gesicht, hörte aber weiter zu. »Grundlegend sollten sie darüber verängstigt sein. Beschwichtige sie und mache ihnen verständlich, was ich glaube tun zu müssen und bei Zeiten dafür ihrer Unterstützung bedarf. Sie dürfen jedoch niemanden von den hier zugetragenen Gegebenheiten berichten, ansonsten würde ihnen das Schicksal ereilen, welches du für sie ersonnen hast. Sie würden als Lügner und Verleumder ins Grab wandern und schließlich in Vergessenheit geraten. Ich muss auf dem Weg zu eurer Siedlung nachdenken. Ich brauche Zeit und deutlich mehr Informationen, löchert mich bitte nicht mit Gegenfragen. Ich werde alles erklären, sobald ich selber weiß, was ich wissen muss. Vertraut mir.«
Damit war das Thema für Ben beendet, zumindest vorerst. Er ahnte nicht einmal im Geringsten, dass er sich mit dem vorherig geführten Kampf und seiner Stellung über Jarik, als ihr Anführer, hinwegsetzte und ihm seine Position streitig machte.
Verblüfft und unsicher schauten sich die Jäger, die das Gespräch verfolgten an und mit einem Kopfwink in Richtung dem sich entfernendem Ben. »Was wird das Jarik, hast du das Zepter aus der Hand gegeben?«
Verhalten sah dieser hinter Ben hinterher, der sich zielstrebig und scheinbar gedankenschwanger zu den Pferden begab. Er hielt direkt auf die ungestüme Stute zu, legte ihr mutig den Kopf auf den ihren und umarmt sie. Ein kurzer Moment verging, als er den seinen wieder hob und sich ihnen zudrehte, so als habe er mit diesem Tier Zwiesprache gehalten. »Jarik, ihr Männer. Für mich ist diese Welt, eure Heimat, komplett fremd. Ich kenne weder eure Gepflogenheiten, eure Geschichte noch die des Landes. Ich weiß nicht, wie ich hierhergekommen bin, noch was ich als meine Aufgabe zu betrachten habe. Aber eines weiß ich mehr als genau – ich benötige eure Hilfe.« Leiser fügte er beim Herumdrehen hinzu, aber für die Gruppe dennoch deutlich hörbar: »Mehr noch als das, brauche ich jedoch Freunde. Freunde, auf die ich mich stützen kann.«
Mit einem aufzuckenden Auge Erics, einem verwunderten Blick Jariks und aufmunternde Nicken seitens der anderen, flüsterte Fendrik eher zu sich selbst: »Gut gesprochen und ähnlich dem Wortlaut des damaligen Einigers. Dein Auftauchen dient einer Bedeutung – es wird nicht anders sein. Ich schwöre dir hiermit meine ungeteilte Loyalität. Führe uns in eine lebenswertere Zukunft, denn in der hiesigen, verfügen wir über keine.«
Um diese Herzensaussage zu bekräftigen, strafft er seinen Körper und führt die rechte Faust zum Herzen. »In Treue fest, dem Volke Gefahr bedroht, mein Pferd mich trägt zu dessen Not, soll Eile sein stets das Gebot.« Nach Gesprochenem, alt traditionellen Schwur begab er sich ohne weiteren Kommentar hinüber zu den Pferden um gekonnt den sicheren Sitz der zusätzlichen Lasten der Beute zu überprüfen.
»Kann es ein? Soll mit ihm wahrhaft Hoffnung bestehen?«
»Ich wünsche es mir und unserem Volk, Eric. Wir wollen ihm die Zeit geben, die er sich erbeten hat, um über seine Gedanken Herr zu werden. Er wird sie uns offenbaren – er gab uns sein Wort. In gewisser Weise glaube ich sogar, dass mein Bruder überhaupt nicht so verkehrt mit seinem Standpunkt dasteht. Obwohl ich bislang nicht geneigt bin, meine Loyalität einem anderen zu erbieten. Dieser Mann scheint ein geborener Anführer, auch wenn er es selbst nicht ahnt oder sich eingestehen vermag. Seit diesem Kampf hat sich unsere Zukunft begonnen zu wandeln. Macht euch bereit, ich gedenke noch heute Abend im Ring unserer Eigenen sein.«
Gedankenverloren begab sich Jarik nach seiner Order zu den Befreiten und teilte ihnen die getroffene Entscheidung mit. Auf dem Weg zu ihnen landete eine einzelne Schwinge unweit von ihm und pickte im Boden nach Nahrung. Er blieb kurz stehen und beobachtete das Tier. Leben und Hoffnungen Kehren eines Tages zurück an angestammte Plätze, ging es ihm durch den Kopf.