»He ihr zwei. Wir sind so weit und wollen aufbrechen. Die Beute ist verstaut und die Kadaver dem Feuer überlassen. Ginge es rein nach mir, nun ...« Jarik zog seinen Dolch und schaute von dessen Klinge lächelnd auf die noch immer Gebundenen. »... ihr seid Schreiber und eben diese ergeben sich bekannterweise, über alles und jeden zu reden. Wir können es uns nicht leisten, dass dieser Vorfall hier breitgetreten wird, auch wenn er noch so bedeutend zu sein scheint.« Er fixierte über das spitze Ende seines Dolches hinweg jeden einzelnen der beiden, verengte die Augen zu schlitzen und zog eine grimmige Miene.
»Das kann doch keine ernste Absicht sein. Ihr befreit uns von dieser mordhungrigen Brut, um uns anschließend selber töten zu wollen? Lasst uns gehen. Wir schwören, keinesfalls etwas von hiesigen Ereignissen in Umlauf zu bringen. Der Blitz soll uns erschlagen, wenn wir auch nur eine einzige Silbe von dem erzählen, was wir hier erlebt haben. Erbarmt euch.«
»Ja ... ja doch, wir schweigen und werden niemanden berichten, nicht einmal ein Sterbenswörtchen wollen wir aufschreiben. Verschont uns«, beteuerten und beschworen beide mit angstgeweiteten Augen.
Jarik entspannte sich abrupt und zuckte mit den Schultern. »Was soll‘s.« Er trat an die Gefangenen heran und zerschnitt ihre Fesseln. »Ihr dürft unter den Lebenden verweilen, aber nur weil unser Gefährte es so wünscht. Ihr seid Schreiber und kennt euch demnach in der Kartenkunde sowie Geschichten des Landes aus? Wie dem auch sei, euer Gönner bedarf auf den vor uns liegenden Wegen Unterstützung, weswegen ihr bei uns bleibt. Sollte jedoch nur ein einziges Wörtchen über diesen Vorfall hier vorlaut werden, so verspreche ich euch die Verleumdung und fordere eure Köpfe als Tribut. Ihr begleitet uns und werdet Rede und Antwort stehen. Haben wir euer Wort?«
Beide nickten eifrig und entspannten ihre versteiften Haltungen. »Mich nennt man Dario, Dario Disivestro. In der Tat bin ich als Schreiber und als Heilkundiger unterwegs.« Er massierte seine durch die Fesseln wundgescheuerten Handgelenke. »Mein Begleiter heißt Thanh Lillot und erstellt die getreuesten Landzeichnungen und Karten. Wir geben dir und allen die es hören wollen unser Wort. Auch wir streben nach einer lebenswerteren Zukunft und gedenken diese sicherlich nicht durch unlautere Äußerung zu behindern.«
»Dem pflichte ich in Gänze zu«, bestätigte Thanh.
»Du musst Jarik sein, jener, der den Jägern in dieser Mark als Anführer dient. Ich habe von dir gehört, folglich den Beschreibungen, die dir vorauseilen, vermute ich, dass du eben dieser bist.«
Jarik stutzte verblüfft und setzte eine fragende Mine auf.
»Dieser Gefährte, von dem du sprachst – ist dieser Tollkühne?« Dario zeigte mit dem Finger in Richtung des Vermuteten. »Der, der in diesem atemberaubenden Streich gleich zwei der brutalsten aus der Zucht Ramdurs entsprungen gemetzelt hat? Ich glaube, als Berserker werden sie bezeichnet. Liege ich der Vermutung nahe, dass dieser Mann, aus welchem Schatten er auch entstiegen, ein Schwertmann ist? Ein Wirklicher ... ein Wahrhaftiger? Ein solcher, wie sie damals zu Pferde die Landesgrenzen bestreift- und furchtlos jede Feinbegegnung beritten?«
Kaum merklich schüttelte Jarik den Kopf und schnaufte. Er verlagerte sein Gewicht und baute sich ihnen gegenüber straff aufgerichtet auf. Seine Rechte legte sich mahnend auf den Griff seines zuvor eingesteckten Dolches. »Dario, Thanh, hört mir zu. Dieser Mann dort drüben kommt wo auch immer her. Wir haben ihn gefunden, wo und wie soll euch derzeit in keinster Weise interessieren. Was er zu sein scheint, vermuten auch wir. Da er sich als Fremder herausgestellt hat, versucht er seine Erlebnisse zu verarbeiten. Ich nehme an, dass er heute seinen ersten richtigen Kampf um Leben und Tod bestritt und sich selbst gegenüber bewusst werden muss. Wir wissen nicht, was sein Auftauchen für uns alle bedeuten mag. Das Volk fristet schon viel zu lange sein Dasein und schwellt nur noch, im bereits vor etlichen Generationen Vergangenen. Wenn es einen Weg gibt, mit ihm eine bessere Zukunft zu erstreiten, so wollen wir ihm vorbehaltlos folgen. Und jetzt schaut zu, dass ihr zu den Pferden kommt, wir müssen von hier verschwinden. Ich bin gewiss, dass auch ihr eine Antwort erhaltet, sobald Benjamin seiner eigen sicher genug ist, um mit uns zu sprechen.«
Kaum das Jarik seine Aufforderung ausgesprochen hatte, trottete den Dreien die übrigen entgegen und hielten zwei Pferde zum Aufsitzen an den Zügeln.
»Ihr beide müsst euch Wohl oder Übel eines der beiden teilen, es sei denn, irgendeiner zieht es vor, zu Fuß nebenher zu laufen.«
Eric schmunzelte, klapste einem der herangeführten Pferde aufs Hinterteil und spottete. »Dieses Stramme hier könnte wohl selbst vier von euch Hungerhaken, gefahrlos bis zum Brinn hinunter tragen.«
Bescheidenes und zurückhaltendes Gelächter setzte ein, und lichtete die trübe Stimmung, die sich angesichts des Kampfes über jeden gelegt hatte. Auch Ben glitt ein verhaltenes Grinsen ins Gesicht. Die Zwei sahen in der Tat sehr dürr aus.